Auch wenn ein bindendes internationales Gesetz zur Müllentsorgung oder –prävention im All noch fehlt, gibt es doch Richtlinien. Das Inter-Agency Space Debris Coordination Commitee (IADC), dem die 13 wichtigsten Raumfahrtnationen angeschlossen sind, hatte bereits 2002 Richtlinien zur Eindämmung von Weltraumschrott gegeben, erklärte mir Rüdiger Jehn (SSA-NEO Co-Manager). Seit 24 Jahren ist das Space Debris-Problem bekannt und man müsste nun mal mit dem Aufräumen beginnen. Schließlich verschärft sich die Situation mit jedem Jahr und weiteren Starts und Kollisionen. Dabei sind die russischen, US-amerikanischen und chinesischen Raumfahrtprojekte derzeit für etwa 80% des Mülls verantwortlich, die ESA nur für etwa 10%.

Space Debris: Schrottkartierung und Müllabfuhr
2017 waren 18 000 bis 20 000 Objekte bis zu 10 Zentimeter Größe bekannt, 5000 Trümmerteile waren sogar größer als ein Meter. Mehr als 750 000 Teile waren größer als einen Zentimeter sind.
Angesichts des starken Satellitenverkehrs in gewissen Kreisen ist es wenig überraschend, dass es immer wieder zu Zusammenstößen kommt. Dann werden aus einem großen Schrotthaufen viele kleine Schrottsplitter. Solche Schrottwolken können aktive Raumfahrzeuge wie Satelliten oder sogar die ISS treffen, die hohen Geschwindigkeiten machen sie so gefährlich wie Schrappnelle.

Sentinel-1A’s solar array before and after the impact of a millimetre-size particle on the second panel

Sentinel-1 impact (ESA)

Allein 2200 dieser Trümmerteile (größer als 10 cm) entstanden durch den Zusammenstoß des US-Satelliten Iridium 33 und die ausgemusterte russische Sonde Kosmos 2251 im Jahre 2009.
Eine weitere große Schrottquelle ist der chinesische Wettersatellit Fengyun-1C (FY-1C; chinesisch: Wind und Wolken), der nach seiner Dienstzeit am 11. Januar 2007 durch eine bodengestützte Rakete spektakulär direkt abgeschossen wurde. Er war dabei in über 2000 sichtbare Stückchen zerstört worden, deren Anzahl sich mittlerweile durch Kollisionen und Zerfall vervielfacht hat.

Solcher Schrott hat bereits mehrfach erhebliche Probleme verursacht: Am 23. August 2016 registrierte das Kontrollteam von Sentinel-1A, einem Erdbeobachtungssatelliten des Copernicus-Programms, eine plötzliche Lageabweichung und einen Energieabfall. Ein Defekt in einem Solar Panel! Die kleine Bordkamera des Satelliten zeigte den Grund: Ein Stückchen Weltraumschrott hatte eine 40 Zentimeter großen Schaden, verursacht. Der Schrottsplitter war weniger als einen Zentimeter groß  damit zu klein für eine Ortung. In diesem Fall konnte die Satelliten-Mission glücklicherweise fortgesetzt werden. Ein Einschlag im Hauptkörper des Satelliten hätte hingegen wesentlich mehr Schaden angerichtet.

Auch die große ISS ist durch Schrott gefährdet, hier sind dann sogar Menschenleben in Gefahr! Bislang musste die ISS schon in mehr als 25 Fällen Ausweichmanöver steuern. Dafür braucht es allerdings eine Vorwarnzeit: Werden Schrottteile auf Kollisionskurs nicht 24 Stunden vorher entdeckt, müssen sich die Astronauten trotz Spezialummantelung der ISS in eine Sojuzkapsel zum Schutz zurückziehen.

Teil 2 folgt ….

 

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Kommentare (2)

  1. #1 Alderamin
    25. Januar 2019

    Manche alten Satelliten zerbersten auch einfach, wenn der Treibstoff zerfällt und der Druck in den Tanks nicht abgebaut werden kann.

    Es gibt ja (neben der wichtigen Vermeidung von Weltraumschrott) einige Ideen, wie man alte Satelliten einfangen und deorbiten könnte: mit Netz einfangen, großes Segel zur Erhöhung des Luftwiderstands anbringen, mit Laser- oder Plasmastrahl anpusten und dergleichen. Das ist alles furchtbar teuer, man muss jedes Objekt einzeln anfliegen, was viel Treibstoff benötigt.

    Aber viel problematischer scheinen mir die abertausenden kleinen Splitter zwischen wenigen mm und 10 cm zu sein, die das Radar nicht erfasst und die im Prinzip Gewehr- und Flak-Geschosse sind, nur viel, viel schneller. Wie man den Kleinkram wieder weg bekommt, darüber hört man nie etwas. Vermutlich, weil es gar nicht geht. Die Orbits zwischen 1000 km und der GEO-Bahn werden für sehr lange Zeiten Gegenden bleiben, wo man mit gefährlichem Querfeuer rechnen muss.

  2. #2 Bettina Wurche
    25. Januar 2019

    @Alderamin: Dazu steht einiges in Teil 2 (fast fertig), etwa das Netz. Darum habe ich die kleinen Teilchen ja auch als Schrapnelle bezeichnet. Sie sind so problematisch, weil sie nicht sichtbar sind.