Aktuell ist eine mehrtägige Weltraumsicherheitskonferenz (Space Situational Awareness, SSA) im ESOC in Darmstadt, wo über 250 Experten aus 27 Nationen die verschiedenen Themenbereiche und Projekte in Fachvorträgen vorstellen und diskutieren.
Schrott im Orbit ist heute ein wichtiges Thema. Weitere Gefahren drohen der Erde etwa durch Meteoriteneinschläge oder Sonnenstürme (Weltraumwetter). Um die Erde und die irdische Infrastruktur im All und auf dem Boden vor diese Bedrohungen zu schützen, hat die ESA 2009 das Programm zur Weltraumlage-Erfassung (SSA – Space Situational Awareness) begründet und seitdem stetig ausgebaut.
(Mehr dazu in Teil 1)
CleanSpace: Öko-Raumfahrt?
CleanSpace bedeutet, naja, ein sauberes Weltall eben. Das ist, genau wie auf der Erde, mit Umweltschutz, Müllvermeidung und Aufräumen verbunden.
CleanSpace setzt sich zusammen aus e.deorbit (active debris removal) und ecodesign (Environmental aspects). Dazu gehören Analysen zu den ökologischen Auswirkungen von Raketenstarts oder das Überdenken des Lebenszyklus eines Raumfahrzeugs:
- EcoDesign
- CleanSat
- aktive Trümmerentsorgung
Als die Raumfahrt begann, so erzählt Luisa Innocenti (Head of Clean Space Office), schien der Weltraum unendlich zu sein, das hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Es sei jetzt allerhöchste Zeit zum Umdenken. Und: Die ESA hat eine Verpflichtung, sich jetzt mit den Raumfahrtfolgen aktiv auseinanderzusetzen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten: „You need to do it, you have to be reliable!“ sagt sie. Die ESA muss bei diesem Thema vorbildlich handeln, sonst wird die Raumfahrtbehörde unglaubwürdig.
Natürlich ist der Orbit ein Ort mit komplizierten Eigenschaften und stellt eine „Putzkolonne“ damit vor besondere Herausforderungen.
Da auch immer mehr private Unternehmen die Infrastruktur im Weltraum nutzen, ist der Schutz der aktiven Satelliten vor Raumschrott mittlerweile auch für industrielle Anbieter ein wichtiger Themenkomplex. Das Interesse an Entwicklungen zur Sicherung der teuren Technik im Weltraum dürfte also auch für die industrielle kommerzielle Raumfahrt in den nächsten Jahren erheblich steigen.
Manche der derzeitigen CleanSpace-Projekte hören sich zwar noch wie Science Fiction an, aber sie ebnen den Weg für die Entwicklung machbarer Lösungen. Und, so Luisa Innocenti, wenn die Industrie dann Konzepte oder Raumfahrzeuge zur Müllentsorgung haben möchte, sollten die besser schon gut erprobt sein.
Die CleanSpace Roadmaps geben einen Über- und Ausblick auf das ambitionierte Programm, für die Ariane 6 und die Erdüberwachungssatelliten (Earth Observation Satellites) der neuen Generation gelten die Regeln bereits. 2035, so Luisa Innocenti, möchte ESA bereits eine negative Space Debris-Bilanz haben: „We want to bring back more than we launch“.
Das Aufräumen fängt natürlich mit dem Sichten des Mülls an. Als Grundlage dafür entwickeln die ESA und ihre Mitgliedsstaaten mit ihren SST Technologien (Space Surveillance and Tracking Segment) die Hard- und Software für ein eigenes, unabhängiges europäisches System eines Weltraumschrott-Katalogs: „Finden – verfolgen – identifizieren – wiederfinden – charakterisieren“ so beschreibt Tim Flohrer (Head, SSA-SST Segment) die Tätigkeit.
Raum-Schrott muss zunächst über leistungsstarke Teleskope visuell erfasst werden. So werden die einzelnen Stücke entdeckt, vermessen, ihre Flugbahn verfolgt und weiterberechnet. Teleskope wie das 1-Meter Teleskop der ESA auf Teneriffa können Objekte, die größer als 15 Zentimeter sind, im Geostationären Orbit erkennen, wo vor allem die Wetter-, Telekommunikations- und Fernsehsatelliten kreisen. Fragmente von über zwei Zentimeter Größe im Low Earth Orbit (LEO), wo vor allem die Erdbeobachtungssatelliten positioniert sind, sollen per Radar detektiert werden. Dabei kann die genaue Position von Schrottteilen per Laserimpuls (Laser Ranging), bestimmt werden.
An einem Katalog der größeren Trümmer wird bereits gearbeitet, also an Teilchen über einem Zentimeter Größe. So werden heute schon über 20.000 Trümmerteile per Radar überwacht, erzählt Holger Krag, Leiter des ESA-Büros für SpaceDebris. Dabei ist die NASA mit ihrem Space Surveillance Network führend.
e.Deorbit: Aufräumen mit Netz und Harpune
Eines der CleanSpace-Projekte ist e.Deorbit: Die erste aktive Schrottsammlung im Erdorbit.
ESA hat dafür auch schon ein gutes Ziel ausgemacht, keinen zentimetergroße Trümmer sondern eine 8000 Kilogramm schwere Altlast: Envisat!
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