Auf der Philippinen-Insel Mindanao ist am 16.03.2019 ein Cuvier-Wal gestrandet und kurz danach verstorben – der Meeressäuger hatte über 40 Kilogramm Plastik im Magen. Mitarbeiter der Fischereibehörde und Fischer hatten zunächst vergeblich versucht, das Tier wieder ins Meer zu lotsen. Der Wal strandete jedoch erneut und verstarb dann.
Darrel D. Blatchley, Meeresbiologe und Direktor des privaten D’ Bone Collector Museum Inc., war zu der Strandung gerufen worden und führte die Nekropsie durch.
Das Ergebnis: Der Cuvier-Wal war ein junges Männchen, 4,69 Meter (15.4 Fuß) lang. Gestorben war er an einem “gastric shock”: “40 kilos of plastic bags, including 16 rice sacks. 4 banana plantation style bags and multiple shopping bags”.
Vor seinem Tod hatte der Wal noch Blut gespuckt. Bei der Sektion wurde sichtbar, dass das Plastik bereits stark kompaktiert und verhärtet war. Darrel D. Blatchley meinte gegenüber der Presse, das Plastik sei bereits kalzifiziert gewesen – in lebenden Körpern werden störende Fremdkörper verkapselt, um Kanten abzurunden. Der harte Kunststoff-Batzen hatte den Walmagen offenbar vollkommen ausgefüllt und verletzt. Der Wal war ausgehungert, dehydriert und ist letztendlich an der Verletzung und Lähmung des Magens (gastric shock) verstorben.
Schnabelwale und das D’ Bone Collector Museum
Cuvier-Wale (Ziphius cavirostris) gehören zu den Schnabelwalen (Ziphiidae). Die amtierenden Tieftauch-Champions schaffen 2992 Meter Tiefe und 137,5 Minuten Tauchdauer, wie vor der kalifornischen Küste nachgewiesen wurde. Wie alle Schnabelwale jagen sie in der Tiefe vor allem Tintenfische. Wenn Cuvier-Wale den Magen voller Plastik haben und sie überwiegend in tiefen Meeresschichten jagen, ist zu befürchten, dass der Plastikmüll im Meer bereits große Tiefen erreicht hat.
Warum Zahnwale trotz ihres leistungsfähigen Sonars Plastikteile statt Tintenfische schlucken? Mit Wasser gefüllte Plastikteile sehen für einen hungrigen Wal offenbar Tintenfischen sehr ähnlich, auch Fischereigerät und andere Plastikteile erinnern wohl an Kalmar-Tentakel. So schlucken die Meeressäuger statt proteinreicher Nahrung immer wieder unverdauliche Kunststoff-Objekte. Diese werden nicht verdaut und ausgeschieden, sondern verbleiben im Magen. Irgendwann ist der Magen dann voll, die Tiere können keine echte Nahrung mehr aufnehmen und verhungern mit plastikgefülltem Magen. Da Wale auch ihren Süßwasserbedarf mit der Nahrung decken, dehydrieren sie bei Nahrungsmangel auch.
Das D’ Bone Collector Museum in Davao ist ein privates Museum, das mehr als 200 Skelette zeigt. Zwei Pottwal-Skelette und mehrere andere Wale sind die Glanzstücke der Sammlung. Der Meeresbiologe und Umweltschützer Darrell D. Blatchley hatte das Museum 2012 eröffnet. Seine Mission: Das Sammeln, Präparieren und Ausstellen toter Tiere, um den Menschen auf den Philippinen ihre Fauna näher zu bringen und sie auf Umweltprobleme wie den Plastikmüll im Ozean aufmerksam zu machen. Dabei arbeitet er auch mit den örtlichen Behörden wie der Fischereibehörde zusammen, die die Eröffnung seines Museums ausdrücklich begrüßte. Als private Instituton ist das Museum auf Spenden angewiesen.
Der jetzt gestrandete Cuvier-Wal wird in die Sammlung aufgenommen. Das D’ Bone Collector Museum hat mit schon zwei Cuvier-Walen (Ziphius cavirostris), fünf Blainville-Zweizahnwalen (Mesoplodon densorostris) und zwei Hotaula-Zweizahnwalen (Mesoplodon hotaula) bereits eine kostbare Sammlung der selten zu sehenden Schnabelwale, um die sie manches größere Museum sehr beneiden dürfte. Mesoplodon hotaula war erst 2014 als Art erkannt worden.
Schnabelwale sind scheue Tieftaucher, die fern der Küsten leben und Begegnungen mit Schiffen und Menschen eher vermeiden.
Was eine Einweg-Plastikgabel aus Deutschland mit der Plastikflut im Pazifik zu tun hat
Die Philippinen sind – nach China und Indonesien – die drittgrößten Verursacher von Plastikmüll im Meer, wie der UN-Report “The state of plastics: World Environment Day Outlook 2018” feststellte: China ist für 27,7 %, Indonesien für 10,1 % und die Philippinen für 5,92 % des “dismanaged waste” verantwortlich. Also für Plastik-Abfall, der im Ozean gelandet ist.
Im Mageninhalt des Wals wird wieder deutlich, dass nicht nur das Einweg-Plastik von Endverbrauchern, sondern auch Landwirtschaft und Industrie ganz erheblich zu der Plastik-Flut beitragen. Darum braucht es neben Aufklärung zum Eindämmen der Plastik-Flut mehr staatliche Regelungen und vor allem Kontrollen, auch in Asien.
Das Hauptproblem in asiatischen (und afrikanischen) Ländern ist die mangelnde Müll-Entsorgung. Plastikmüll ist ein zu neues Phänomen, die Länder haben dafür niemals eine Infrastruktur aufgebaut und sind mit einem angemessenen modernen Müll-Management überfordert. Darum gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Initiativen, die nach Lösungen suchen: Staatliche wie Entwicklungshilfe-Projekte, NGOs und sogar Initiativen von Konzernen. Es mag sein, dass die einzelnen Projekte zu klein oder zu utopisch erscheinen. Ich halte es allerdings für wenig wahrscheinlich, dass es beim Plastik-im-Ozean-Problem eine einzige, alles umfassende Lösung gibt. Ein ganzes Bündel von Maßnahmen hingegen könnte zeitnah Wirkung zeigen. Aus Plastik-Abfall wertvollem Rohstoff zu machen, ist sicherlich eine besonders gute Idee, denn das würde einen klaren Anreiz zum Müllsammeln geben. Wie mit dem Sammeln von Plastik ein sozialer Gewinn wird, zeigt etwa das Beispiel der Plastic Bank in Haiti.
Auch wenn die asiatischen Länder mit Abstand die größten Verursacher für nicht fachgerecht deponiertes oder recyceltes Plastik sind, ist Deutschland davon nicht freigesprochen. Deutschland hatte bislang nämlich einen erheblichen Teil seiner Kunststoff-Abfälle nach China verschifft. China hat jetzt einen Import-Stop dafür verhängt, der gelieferterte Materialmix soll zu schlechte Qualität zum Recyceln gehabt haben. Stattdessen müssen Deutschland und andere EU-Staaten nun den Abfall in andere Länder abgeben, selbst mehr recyceln und weniger Einweg-Plastik verwenden.
Das am am 1. Januar 2019 in Kraft tretende neue Verpackungsgesetz soll die Recycling-Quote von 36 auf 58,5 Prozent erhöhen. 2022 soll die Recycling-Quote dann 63 % betragen. Bis 2030 sollen etwa Trinkhalme aus Plastik verboten werden.
Es ist zu hoffen, dass diese Strategie nicht nur für Einmal-Objekte privater Verbraucher, sondern auch für die großen Mengen an Plastikabfällen der Industrie und des Handels gilt. Und dass mancher überflüssige Kunststoff-Einsatz endlich einfach verboten wird, wie etwa Mikroplastik in Kosmetika.
2030 ist mir zu weit weg, schnellere Ergebnisse wären dringend nötig. Zurzeit gelangt zu viel Anfall direkt und auf Umwegen immer noch nach Asien. Die EU mit ihrer hoch entwickelten Industrie sollte endlich tragfähige eigene Lösungen erarbeiten und ihre Probleme nicht einfach exportieren. Auch wenn es dazu keine Zahlen gibt, ist zu befürchten, dass nach Asien exportierter Plastik-Abfall letztendlich zumindest teilweise doch im Pazifik landet. Und dann hätte eine in Deutschland benutzte Einmal-Gabel eben doch etwas mit dem Plastiktod eines Wals im Pazifik zu tun.
Ein Dankeschön an Frank, für´s Aufmerksamwerden!
Many thanks to Darrell D. Blatchley (D`Bone Collector Museum) for further informations, personal correspondence and the photo!
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