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Cuvier-Wal (Wikipedia: Bardrock)

Cuvierwale (Ziphius cavirostris) können bis zu 2992 Meter tief und 137,5 Minuten lang tauchen, wie ein Team um Gregory Schorr  2014 vor der südkalifornischen Küste herausgefunden hatte. So erbeuten die dunkelgrauen Meeressäuger ihre proteinreiche Nahrung: Kalmare.
Jetzt haben die Biologin Jeanne M. Shearer und ihre KollegInnen auch Tauchgänge von Cuvierwalen vor der US-Ostküste vor Kap Hatteras verfolgt und ausgewertet: „Die Wale tauchten durchschnittlich 1.400 Meter tief und eine Stunde lang, während sie am Meeresboden auf die Jagd gingen“ erklärte Studienleiterin Jeanne Shearer (Duke University, North Carolina). Zwischen den Tauchgängen sind die Wale durchschnittlich 2 Minuten an der Wasseroberfläche. Damit verbringen diese Meeressäuger rund 97 % ihres Lebens unter Wasser!
“Es ist phantastisch, dass sie so lange und in solche Tiefen tauchen können, solchen Druck aushalten und sich zwischendurch nur so kurz an der Oberfläche erholen.

Cuvierwale sind Schnabelwale, also mittelgroße Zahnwale um fünf bis sieben Metern Länge  und einer Vorliebe für Tintenfisch aus der Tiefe des Ozeans. Wie alle Schnabelwale sind sie Tieftaucher und durch ihr Leben in tiefen Gewässern sowie ihr Verhalten nicht einfach zu sichten. Auch typisch für diese Walfamilie ist ihre absonderliche Bezahnung  – bei Zphius cavirostris tragen nur erwachsene Männchen zwei Zähne an der Spitze des Unterkiefers.

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Cape Hatteras aus dem Weltraum, Oktober 1989 (Wikipedia: NASA)

Kap Hatteras ist das östlichste Kap einer sandigen Inselkette vor North Carolina – dort treffen zwei der atlantischen Hauptströmungen turbulent aufeinander: der in südliche Richtung fließende kalte Labradorstrom und der nach Norden strebende warme Golfstrom. In dem oft rauen Seegebiet treffen auch zwei Lebensräume zusammen. Nicht weit östlich des Kaps ist der Kontinentalhang, der Meeresboden fällt dort abrupt auf 3000 bis 6000 Meter ab –  die Hatteras Abyssal Plain ist eine Tiefseeebene zwischen Nordamerika und den Bermudas. Warmes und kaltes Wasser, sauerstoffreiches Tiefenwasser und reichlich Nährstoffeintrag vom Land vermischen sich hier und bieten einen reich gedeckten Tisch für viele Meereswesen des tiefen Ozeans.

Gerade Tieftaucher wie Schnabelwale und Pottwale sind hier, in tiefen Gewässern und gleichzeitig relativ nahe am Land, noch am ehesten zu beobachten.
Durch ihre Lebensweise ist immer noch nicht viel über den Alltag der meisten Schnabelwale bekannt, die Cuvierwale sind da keine Ausnahme. Auch wenn sie weltweit verbreitet sind und regelmäßig gesichtet oder tot angespült werden – wie zuletzt auf den Philippinen – ist ihr Verhalten wenig erforscht. Mit neuen Technologien wie immer leistungsstärkeren Satelliten-Sendern (Tags), einem besseren Satelliten-Netz und auch modernen Kameras und Tauchrobotern kommt in den letzten zwei Jahrzehnten aber zunehmend Licht ins Dunkel der abyssalen Tiefen und ihrer Bewohner.

Shearer et al haben zwischen 2014 und 2016 Cuvierwale mit Sendern bestückt und so 5926 Tauchgänge und 3242 Stunden dokumentiert.
Ihr Ergebnis: Die Cuvierwale vor Kap Hatteras verbringen etwa 97 % ihres Lebens unter der Wasseroberfläche.
Die Biologen zählten 1408 tiefe und 4518 flache Tauchgänge: Tiefe Tauchgänge gehen in unter 800 Meter Tiefe, der Median liegt bei 1456 Metern; sie dauern durchschnittlich fast eine Stunde – 58,9 Minuten. Flache Tauchgänge (50 bis 800 Meter) hatten eine Tiefe von 280 Metern (Median) und dauerten durchschnittlich 18 Minuten. Auf einen sehr tiefen Tauchgang folgten meist bis zu drei flache Tauchgänge.
An der Oberfläche hielten die Cuvierwale sich nur sehr kurz auf – 2,2 Minuten! Nachts waren die Wale signifikant häufiger in der Nähe oder an der Meeresoberfläche. Andere Ziphius-Populationen haben ein sehr ähnliches Tauchverhalten, nur die spezifische Tiefe, Dauer und die Intervalle unterscheiden sich regional leicht.

Die Biologen haben für ihre Untersuchung 11 LIMPET Satelliten-Sender eingesetzt (Limpet bedeutet im Englischen Napfschnecke – diese Weichtiere haben extragroße Saugkraft). Oft werden Wale mit Saugnapf-Sendern ausgerüstet, die die Haut der Meeressäuger nicht verletzen. Entgegen seines Namens hat der hier verwendete Sender kleine Haken. Über einen längeren Zeitraum hinweg und bis in große Tiefen können die Elektronik-Gimmicks offenbar nur mit minimalinvasiven Häkchen an einem Wal befestigt werden, Saugnapf-Sender würden sich zu schnell wieder lösen.

Mysteriöse Schnabelwale
Schnabelwale sind schwierig zu sichten und zu erforschen. Ihr Leben findet in tiefen Gewässern, oft fern der Küsten, und vor allem überwiegend unter der Wasseroberfläche statt.
Dazu kommt noch, dass sie mit ihrem unauffälligen Schwimmstil nicht weit aus dem Wasser herausragen, sie springen und plantschen nicht. Auch das Auf- und Abtauchen ist unspektakulär: Schnabelwale gleiten in einem spitzen Winkel unter Wasser und tauchen auch wieder so auf – kein Vergleich mit dem unübersehbaren Fluke-up (Zeigen der Fluke) und dem prustenden Auftauchen der Pottwale, die an und durch die Wasseroberfläche nach oben schießen wie ein Sektkorken aus der Flasche.
Dazu kommt: Schnabelwale wahren in den oberen 200 Metern des Meeres Funkstille! Sie fürchten Orcas, denen die sie sich nur durch tiefes Abtauchen entziehen können.
Durch die optische und akustische Unauffälligkeit sind sie auch für Wissenschaftler schwierig aufzustöbern.

Schnabelwale und LFAS-Sonar
Traurige Berühmtheit haben die Cuvierwale und andere Schnabelwale durch ungewöhnliche Massenstrandungen, die offenbar durch Navy LFAS-Sonar ausgelöst worden waren.
Mehrfach waren ganze Wal-Familien in Panik aufgetaucht und sterbend oder schon tot gestrandet, mit blutenden Gehörgangen. Der griechische Wal-Experte Dr. Alexandros Frantzis hatte als erster den Bezug zum Marine-Sonar hergestellt (dazu mehr auf Meertext unter „1 Marinemanöver im Mittelmeer und 10 gestrandete Cuvier-Schnabelwale“ und „Update: Sonartod für Cuvier-Wale im Mittelmeer“)
Mittlerweile ist dieser Kontext wissenschaftlicher Konsens, viele andere Biologen hatten Frantzis Untersuchungen bestätigt. Die Laute des LFAS-Sonar, das der U-Boot-Abwehr dient, scheinen sich für Ziphiiden wie Orca-Rufe anzuhören – die Schnabelwale tauchen in Panik auf. Dabei erleiden sie typische Zeichen der Taucherkrankheit, die bis dahin bei Walen noch nie beschrieben wurde. Durch den Notaufstieg perlt im Blut gelöster Sauerstoff aus, die Gasblasen zerfetzen Blutgefäße im Kopf und den Innenohren.  Normalerweise tauchen sie langsamer auf und brauchen diese Zeit offenbar für die Dekompressionspause.
(Schnabelwale sind auf Meertext oft zu Gast, unter dem Schlagwort sind noch mehr Artikel über sie zu finden).

Hier ist eine der raren Unterwasser-Aufnahmen eines Cuvierwals (mautuntun: 2008 Male beaked whale swimming at the surface that I filmed in the Mexican Pacific Ocean)

Quelle:
Jeanne M. Shearer, Nicola J. Quick, William R. Cioffi, Robin W. Baird, Daniel L. Webster, Heather J. Foley, Zachary T. Swaim, Danielle M. Waples, Joel T. Bell and Andrew J. Read: “Diving Behaviour of Cuvier’s Beaked Whales (Ziphius cavirostris) Off Cape Hatteras, North Carolina” Royal Society Open Science, Feb. 6, 2019. DOI: 10.1098/rsos.181728; https://doi.org/10.1098/rsos.181728

Ein Dankeschön an @beobachter für den Tipp : )

Kommentare (9)

  1. #1 Chis
    25. März 2019

    Auch wenn es nicht das Fachgebiet ist, aber das Wort KollegInnen gibt es nicht.

    VERStandIn?

  2. #2 Bettina Wurche
    25. März 2019

    @Chis: Dein Genöle zu meiner Schreibweise ist mir vollständig egal. Niemand zwingt Dich, Meertext zu lesen. Eine Diskussion über die böse Gender-Verschwörung wird es hier jedenfalls nicht geben. Verstanden?

  3. #3 Jonas
    Kevelaer
    25. März 2019

    Hallo und Dankeschön für den spannenden Text über die Cuvier-Wale. Schön, dass man sich so leicht über neue Erkenntnisse aus der Tierwelt informieren kann, ohne die zumeist stark verkürzenden Artikel der klassischen Medien lesen oder eine teuere Fachzeitschrift kaufen zu müssen.

  4. #4 Beobachter
    26. März 2019

    zu # 3:

    Ergänzung:

    … oder sich durch die Originalveröffentlichung (in Fachenglisch in Fachzeitschriften) quälen zu müssen.
    Und wer kann/will, hat die Möglichkeit, es zu tun (verlinkte Quelle).

    So kann/soll/muss gute, fachkompetente Wissenschaftskommunikation aussehen –
    “allgemein verständliche Vermittlung von wissenschaftlichen Fakten in lebendigen Texten”.
    Und das ohne jeden Bildungs- und Akademiker-Dünkel …

    Toller, anregender Blog-Artikel, danke !

  5. #5 Bettina Wurche
    26. März 2019

    @alle: Ich muss eine betrübliche Mitteilung machen: @Chis ist von uns gegangen. Ich musste leider den digitalen finalen Bolzenschuß setzen. Er war nicht mehr zu retten. War halt `ne echt blöde Idee, mich anzupampen, wie ich zu schreiben habe.

  6. #6 Bettina Wurche
    26. März 2019

    @Jonas, @Beobachter: Danke – mir geht es ja auch so. Darum habe ich mit Meertext überhaupt angefangen, weil ich solche Themen selbst lesen wollte.

  7. #7 RPGNo1
    26. März 2019

    @Bettina Wurche
    Der (S)chis(s) wurde bereits bei Jürgen devokalisiert, da er sich als Menschenverächter geoutet hatte. Eine Sperrung ist nur konsequent.
    https://scienceblogs.de/geograffitico/2019/03/13/lesetipp-wer-ist-hier-hysterisch/comment-page-2/#comment-87582

    Ansonsten, ein Danke für den interessanten Artikel.

  8. #8 tomtoo
    26. März 2019

    @RPGNo1
    Will mal so sagen: Die hinterlassene Lücke, übertrifft in ihrer Performance die besagte Person deutlich. ; )

  9. #9 Bettina Wurche
    26. März 2019

    @tomtoo @RPGNo1: Er leidet offenbar an einer krassen Überschätzung der eigenen Person. Zu einer konstruktiven Sach-Diskussion hatte er jedenfalls nichts beizutragen.