Der Weißwal, der möglicherweise von der russischen Marine trainiert worden und dann entfleucht ist, geht gerade viral. Ist es real oder ein Fake?
Hier sind die Fakten:
Norwegische Fischer hatten eine ungewöhnliche Begegnung mit einem Weißwal, der sich ihnen näherte. Der Wal trug ein Brustgeschirr. Ein Dorschfilet begeisterte den Meeressäuger genug, um still zu halten, so dass einer Fischer ihn von dem Geschirr befreien konnte.
Eine Reihe von Photos, ein Video und ein Interview mit dem Fischer Joar Hesten bilden das Gerüst des Vorfalls.
Meine 1. Quelle war der Blog HISutton (ohne Impressum)
der norwegische TV-Sender NRK Finnmark, VG und Dagbladet.
Ein Photo zeigt eine Schnalle, auf der “Equipment St. Petersburg” steht. Diese Schnalle befindet sich nach Aussage des Fischereiinspektors Jörgen Wiig am Wal-Brustgeschirr.
Die Aufschrift der Schnalle ist englisch, in lateinischer Schrift.
Jörgen Wiig hat mir schriftlich geantwortet, dass er keine Erklärung dafür habe.
Theoretisch kann sie sowohl aus St. Petersburg in Russland oder aus St. Petersburg in Florida, USA, stammen:
“No, there is no explanation. It could be from St. Petersburg in The US, and if it is, it shouldn’t be so hard to do some research and see if there is a harness factory or anything in St. Petersburg in USA. And actually the same goes for if it’s from Russia. Some people there should be able to find a similar harness.” (PN, 30.04.2019)
Das norwegische Video und die norwegischen Presseartikel zeigen dieses Bild- und Textmaterial.
Wiig und der norwegische Meeresbiologie-Professor Audun Rikardsen interpretieren den Wal als trainiertes Tier. Sie haben ein solches Brustgeschirr noch nie bei einem Meeressäuger gesehen. Rikardsen hat auf Nachfrage bei russischen Forschern die Auskunft bekommen, sie würden solche Brustgeschirre bei Meeressäugern nicht benutzen und verwiesen auf die russische Marine.
Fakt ist, dass die russische Marine u. a. auch einzelne Weißwale trainiert hat. Ebenfalls im Marinetraining sind Seehunde, die in einem Propaganda-Film der russischen Marine mit Brustgeschirr dargestellt sind.
Die Deutung:
Die Norweger meinen, dass alle Hinweise auf die russische Marine deuten.
Die russische Marine verneint das selbstverständlich.
Die Norweger beschreiben den Vorfall nicht als Angriff des Wals, sondern eher als amüsante Begebenheit.
Außer den jetzt aufgenommenen Photos und dem Video habe ich kein Bildmaterial recherchieren können,
– das einen Beluga mit Brustgeschirr zeigt
– das eine Schnalle mit solcher Aufschrift zeigt.
Ich habe noch niemals ein solches Brustgeschirr an einem Weißwal gesehen und noch niemals von einem Forschungsprojekt gehört oder gelesen, dass Wale mit solchem Equipment ausstattet.
Außerdem habe ich schriftlich bei NOAA Alaska, Seaworld und der US Navy nachgefragt:
NOAA Alaska, wo Weißwalforschung natürlich durchgeführt wird, hat mir geantwortet, sie hätten so etwas noch nie gesehen: “I must say this is out of our area of expertise. I believe your best bet would be to contact the Office of Naval Research”. (PN, 30.04.2019)
Seaworld, wo auch Belugas trainiert werden, hat mir geschrieben, sie wüssten nichts von solchen Geschirren oder wer so etwas produziert (PN, 01.05.2019).
Die US Navy hat mir natürlich geantwortet, sie wüssten von nichts und könnten dazu auch keine Auskunft geben. (PN, 01.05.2019).
Was ich dazu denke:
Ich halte den Wal mit Brustgeschirr nicht für gefaket.
Der Weißwal wirkte schon recht zahm. Trotz der Bestechung mit Fischfilet hätte ein wilder Wal wohl eher nicht still gehalten, um sich ein solches Geschirr an- und ausziehen zu lassen.
Die Erklärung, dass der Beluga trainiert und dann irgendwo abgehauen ist, kommt mir realistisch vor.
Da zivile Projekte nicht in Frage kommen, bleibt nur ein militärisches Projekt.
Falls sich jemand mit der Schnalle einen Spaß erlaubt haben sollte – z. B. einige Norweger mit einem schicken 3-D-Druck – bleibt immer noch die Frage nach einem handzahmen Wal mit Bondage-Accessoire.
Ein Fake der US-Marine halte ich wegen des Aufwandes für unwahrscheinlich.
Ein Fake der russischen Marine ergibt keinen Sinn (was natürlich kein Ausschlussgrund sein muss).
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