Biologen haben in einer Koralle das Ei eines Cirrentragenden Oktopusses gefunden: Das Jungtier schlüpft vor ihren Augen, wird auf Video festgehalten und anschließend im Magnetresonanz-Tomographen (MRT) auch innerlich untersucht. Ein bislang einzigartiger Einblick in die frühe Entwicklung eines Dumbo-Kraken-„Babys“.
Cirrentragende Oktopusse sind Geschöpfe der Tiefsee. Dort schweben sie im freien Wasser oder hocken auf dem Meeresgrund und jagen unvorsichtige Krebse, Meereswürmer und andere kleine Tiere. Cirren sind kleine Chitin-Haken an den Saugnäpfen, damit packen sie ihre Beute besonders fest. An ihr Leben in großen Meerestiefen haben sie spezielle Anpassungen wie sehr große Augen, kleine Flossen am Eingeweidesack und viel Ammoniak als Auftriebsmittel.
Bislang ist wenig über ihre frühen Entwicklungsstadien bekannt. Anders als ihre Verwandten aus den oberen Meeresschichten haben sie keine großen Gelege, sondern setzen eher einzelne Eier ab. Die großen Eikapseln mit dem Embryo und seinem Dottervorrat verankern sie an festen Strukturen, wie etwa Korallen.
2005 war einigen Biologen ein Glückstreffer gelungen: Im Nordwest-Atlantik vor New England hatten sie aus 1965 Metern Tiefe mit einem ROV (remotely operated vehicle) einen großen Stock einer achtstrahligen Kaltwasser-Koralle (Octocorallia) an Deck ihres Forschungsschiffes geholt.
An der Koralle klebte, neben Seesternen und anderen darauf lebenden Tiefseewesen, auch eine kleine Eikapsel, Embryo und Dottersack waren darin klar zu erkennen.
Als die schokoladenbraune Eikapsel das Deck berührte, platzte sie auf und der junge Octopus schlüpfte!
Zwei Stunden haben die Biologen den jungen Dumbo beobachtet, der gleich losschwamm, wie ein Alter: Mit flappenden Finnen und aufgekringelten Ärmchen.
Anschließend wurde das Tier vermessen, im MRI analysiert und mit Fixierlösung konserviert.
Ganze 13 Millimeter groß war der Kleine. Aufgrund seiner Körpermerkmale wie Größe, Form und Position der beiden Flossen, ordneten die Biologen ihn als Grimpoteuthis ein, ein genetischer Abgleich konnte wegen der fehlenden Daten für Dumbos im Nordwestatlantik nicht durchgeführt werden.
Die Magnetresonanz-Tomografie erbrachte eine vollständige dreidimensionale Rekonstruktion der inneren Organe des “Babys” und machte deutlich: Grimpoteuthis-Jungtiere schlüpfen als vollständig entwickelte kleine Oktopusse und nicht als Paralarven-Zwischenform. Das einzige Zugeständnis an sein vermutlich etwas frühzeitiges Schlüpfen war ein kleiner innerer Dottersackrest. Auch die knorpelige Spange, die bei Dumbos den Eingeweidesack stabilisiert, war ausgebildet.
This is the first footage of a Dumbo octopod hatchling and it’s adorable. Dumbo octopod hatchling filmed on-board NOAA ship Ronald H. Brown on 31 August 2005. Credit: Timothy M. Shank
Die typischen Merkmale der Cirrata wie eine knorpelige, spangenartige innere Schale, die Flossen und die Arme mit cirrenbesetzten Saugnäpfen sind voll ausgeprägt, wie auch die Sinnesorgane und andere Organe (zu den Abbildungen in der Original-Publikation hier).
Der Fund bestätigt auch, dass Grimpoteuthis keine Paralarve als Zwischenstadium als ausbildet, wie sie für die meisten Octopusse ohne Cirren typisch sind. Dumbos legen offenbar auch keine großen Ansammlungen von Eiern ab und behüten sie auch nicht, wie Krakenmütter.
Das Jungtier schlüpft voll entwickelt und ist sofort autark.
Dieser außergewöhnliche Fund hat Licht ins Dunkel der frühen Entwicklung von cirrentragenden Kraken”kindern” gebracht.
Und er zeigt, dass Kaltwasserkorallenbestände offenbar auch wichtig als Cirren-Oktopus-Kinderstuben sind. Das ist ein wichtiger Aspekt für den Schutz von Kaltwasserkorallenriffen an Seamounts und Kontinentalsockeln – sie sind gefährdet durch Befischung mit schweren Grundschleppnetzen und andere menschliche Aktivitäten bei der Ausbeutung der Meere.
PS: Die Publikation ist von 2018, auch wenn die Beobachtungen und Ergebnisse des schlüpfende Dumbo schon von 2005 stammen.
Quelle: Elizabeth K. Shea, Alexander Ziegler, Cornelius Faber, Timothy M. Shank: “Dumbo octopod hatchling provides insight into early cirrate life cycle” Current Biology Volume 28, ISSUE 4, PR144-R145, February 19, 2018; Open Archive; DOI:https://doi.org/10.1016/j.cub.2018.01.032
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