Die Gegend zwischen den Anden und dem Meer, durchzogen von drei Flüssen, war seit mindestens 10.000 Jahren v. Chr. besiedelt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Gletscher in den Kordilleren so weit abgeschmolzen, dass sie fruchtbare Landstriche freigaben. Neben der Jagd auf Guanakos in den Kordilleren war hier auch früh Ackerbau möglich. Seit mindestens 800 n. Chr. war die Region besiedelt, von den Inkas unterworfene Völker bauten hier vor allem Mais, Kartoffeln und Bohnen an und domestizierten Kleinkamele. Die Inka selbst hatten zu dem Zeitpunkt eine Siedlung im Zentrum des heutigen Santiago, dazu gehörten auch Festungen wie Huaca de Chena und das Heiligtum am Cerro El Plomo. Das Inka-Reich ist um 1530 zusammengebrochen.

Völlig neu sind mir die wesentlich älteren Mumien der Chinchorro-Kultur, einem steinzeitlichen  Jäger- und Sammlervolk. Die älteste Kinder-Mumie wurde auf 5050 v. Chr. datiert. Ausgestopft mit Holz und anderen Pflanzenteilen wirken sie viel rudimentärer und grober als etwa die Permafrostmumie des Jungen von Plomo. Dadurch sehen sie weniger menschlich aus, ich habe sie zunächst für Puppen gehalten.
Die Mumifizierung hatte sich als Folge des Klimawandels entwickelt – die zunehmende Trockenheit der Atacama-Wüste, an deren Ufern die Chinchorro lebten, hatte zu natürlichen Mumien geführt. Das hatte die Chinchorro wohl so beeindruckt, dass sie selbst verschiedene Formen der Mumifizierung entwickelten, zunächst haben sie vor allem Kinder mumifiziert.
Gleichzeitig hatte das veränderte Klima den Grundwasserspiegel im Küstenbereich angehoben, so dass wesentlich mehr Quellen und Flüsse die Küste fruchtbarer machten. Die Chinchorro-Gruppen wurden größer und sesshafter – diese Konstellation gilt als besonders günstig für kulturelle Innovationen.
Aufgrund der sehr rudimentären Mumifizierung, die vor allem das trockene Klima als natürliche Methode der Austrocknung nutzte, sind diese Mumien im Museum nun durch die höhere Luftfeuchtigkeit durch den Atem viel Menschen akut gefährdet – Bakterienbefall hat bereits mehre von ihnen zu schwarzem Schleim werden lassen.

Im Naturkundemuseum hängt zentral in der Großen Halle ein gut montiertes 17 Meter langer Seiwal-Skelett. Ansonsten sind in vielen kleinen Dioramen die vielen verschiedenen Klimazonen und ein paar Fossilien ausgestellt. Schön ist die lebensgroße Macrauchenia, ein kamelgroßes Huftier mit kurzem Rüssel, das den meisten Leuten aus Ice Age bekannt sein dürfte.
Von den berühmten fossilen Walen der Atacama – Cerro Ballena – ist nichts zu sehen. Ebenso wenig wie von den Dinosaurieren – die waren lieferten nur in einer Sonderausstellung ein kurzes Gastspiel und haben sich dann wieder nach Punta Arenas verzogen, wie wir auf Nachfrage erfahren. Meine Anfragen auf Spanisch und Englisch mit der Bitte um eine Sonderführung war nicht beantwortet worden.

Santiago ist eine schöne Stadt, teilweise sehr europäisch erscheinend, voller freundlicher und entspannter Menschen. Das Precolombino lohnt sich unbedingt! Das Naturkundemuseum fand ich eher etwas enttäuschend, ich hatte weit höhere Erwartungen. Ganz bestimmt lohnen sich auch noch viele andere Museen und Sehenswürdigkeiten anzusehen und zu erleben.

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Kommentare (9)

  1. #1 Dampier
    19. Juli 2019

    ¡Me muero de envidia!

    Ich wünsche dir viel Spaß im schönen Chile!

    Santiago habe ich auch als sehr angenehm empfunden, vor allem das Univiertel (versuche gerade zu rekonstruieren wo das war. Irgendwie am Fuße eines der Berge, die mitten in der Stadt stehen, wahrscheinlich der Cerro Santa Lucía). Sehe gerade rüber nach dem alten Buch über Chilotische Mythologie, das ich dort in einem Café-Buchladen gekauft habe … ay nostalgia …

    Seid vorsichtig mit Essen dort, vor allem rohen Sachen & Leitungswasser (Eiswürfel etc.). Auch wenn es kein tropisches Land ist, sollte man dir gleichen Vorsichtsmaßnahmen walten lassen. Mich hat mal ein normales verpacktes Eis am Stiel für Tage lahmgelegt.

    Bei Seafood muss man besonders vorsichtig sein, es gibt da die rote Algenblüte, die einem sehr unangenehme und langwierige Krankheiten einbringen kann. Fragt mal nach Marea Roja (Red Tide, s. EN-Wiki)

    aquatic microorganisms, such as protozoans and unicellular algae (e.g. dinoflagellates and diatoms)

    Aber genug der Warnungen, genießt es!

    Meine Lieblingsmumie war in San Pedro de Atacama ausgestellt, sie wurde “Miss Chile” genannt, und war tatsächlich selbst als Mumie noch wirklich attraktiv. 😉

    Saludos

  2. #2 Bettina Wurche
    19. Juli 2019

    @Dampier: Danke – wir sind ja schon wieder zu Hause, mittlerweile wieder gesund : ) Re Tide und die bösen anderen Krankheiten gehören eher in den Sommer – im Winter war es mir viel zu kalt für Eis. Red Tide entsteht, wenn der Ozean zu warm wird, im Sommer oder bei El Nino-Events. Dabei gab es ja schon Wal-Massensterben, vor einigen Jahren und auch schon vor 12 Millionen Jahren.
    https://scienceblogs.de/meertext/2016/01/15/337-tote-seiwale-vor-chile-sind-giftalgen-und-el-nino-schuld/
    Die Fisch- und Muschelzuchten und die Fischerei müssen dann geschlossen werden, diese Dinoflagellaten können tödlich enden, auch für menschen.
    San Pedro haben wir leider abblasen müssen, wir waren am Ende der Reise fast alle ziemlich angeschlagen, dort ging gerade Grippe um und wir haben uns alle einen Infekt eingefangen – ich musste noch zwei Ärzte konsultieren, um den Rückflug überhaupt antreten zu können. San Pedro hätten wir so gern noch gemacht! Auch die Geysire und Salzseen müssen phantastisch sein.

  3. #3 RPGNo1
    19. Juli 2019

    @Bettina Wurche
    Die Geschichte mit dem freudig wedelnden Obst-und-Gemüse-Spürhund ist ja herzallerliebst. Er hatte sein Erfolgserlebnis für diesen Tag, juchhee!

    Bei eurer Reisegruppe und bei dir wird es sich nicht so angefühlt haben, der Puls konnte wohl Techno Dance nachahmen. Aber am Ende ist ja alles gut ausgegangen, da der Zöllner es bei einer strengen Ermahnung gelassen hat.

  4. #4 Bettina Wurche
    19. Juli 2019

    @RPGNo1: Ja, ich war wohl angemessen schuldbewusst. Aber den Hund habe ich wirklich glücklich gemacht!

  5. #5 M
    Bolivien
    22. Juli 2019

    Ja, mit ihrem Schutz vor ‘fremdem’ biologischen Material haben es die regulierungssüchtigen Arschlöcher in Chile. Schwachsinniges Pack. Als ob in den letzten 500 Jahren nicht schon alles erdenkliche quer über den Planeten geschleppt wurde. Invasive Bananen, jaja.

    So einen Schwachsinn gibt es auch in Bolivien, verblödete Affen müssen ja alles nachmachen. Zum Glück gilt hier der gute Grundsatz ‘Legal, illegal, scheißegal’. Die Zöllner ignorieren Pflanzenmaterial und Nahrungsmittel. Zumindest bei mir im Koffer. Und irgendwann kriege ich das blöde Zeug auch hier ans Wachsen, das ist nämlich verflixt schwierig. Ein Bekannter hat mal Brennesseln angebaut. Selbst die muss man hegen und pflegen damit sie nicht eingehen. UV-Index 11 erledigt fast alles was die 6 Monate Jahreszeitverschiebung nicht schon packt.

    Es geht bei der gesetzl. Regulation übrigens vorwiegend um Schädlinge und Krankheiten, die die Landwirtschaft evtl bedrohen könnten. Aber da ist die große Frage, ob es nicht besser ist das Gemüse und Viehzeug auf Resistenz zu züchten. Irgendwann kommt die Invasion nämlich trotz allen Vorsichtsmaßnahmen.

    Und wenn ich den Artenreichtum an Insekten, Vögeln, Spinnentieren, Schlangen etc hier vor meiner Haustür mit der Armut in Schland vergleiche, kann ich euch auch versichern, dass invasive Arten das kleinste Problem für Ökosysteme sind.

    Das präkolumbianische Museum in Santiago kann ich allerdings auch nur wärmstens empfehlen. Besonders gut hat mir die Tonfigur eines Inkas beim Kacken gefallen.

    Die ‘Seespinne’ war wahrscheinlich Lithodes santolla. Eine Krabbe, glaubich. Sehr lecker!

    Die Sofi habe ich auch gesehen. Ca 65% Bedeckung, etwas Wolken und kurz vor Sonnenuntergang. Deswegen hab ich nur ein schlechtes Handyfoto davon. Bin gespannt wie es da weiter ‘unten’ ausgesehen hat. Ich hatte dafür die Anden im Hintergrund

  6. #6 Beobachter
    im "armen Schland"
    22. Juli 2019

    zu # 5, M:

    Aha, ” regulierungssüchtige Arschlöcher in Chile. Schwachsinniges Pack” und “So einen Schwachsinn gibt es auch in Bolivien, verblödete Affen müssen ja alles nachmachen. Zum Glück gilt hier der gute Grundsatz ‘Legal, illegal, scheißegal’.” usw.
    Und im Museum: “Besonders gut hat mir die Tonfigur eines Inkas beim Kacken gefallen.”
    Die Sofi kommt nebenbei auch noch vor.

    Ein wahrlich toller Kommentar, der vor fachlicher Kompetenz, besonders gutem sprachlichen Ausdrucksvermögen und Achtung vor den Mitmenschen und der Natur geradezu strotzt (das ist sarkastisch gemeint).

  7. #7 Bettina Wurche
    22. Juli 2019

    @M: Die von mir genannte Seespinne ist tatsächlich eine Königskrabbe, die einer Seespinne (Maja) allerdings sehr ähnlich sieht. Darum heisst die Nordische Steinkrabbe/Königskrabbe auch Lithodes maja (maja = seespinnenartig). Lithodes maja ist allerdings die nördliche Art. In Chile gibt es natürlich die antarktische Art, Lithodes santolla.
    Ihrer Einschätzung der Artenschutzbestimmungen schließe ich mich nicht an – das Vorhandensein bereits zu vieler invasiver Spezies kann kein Grund dafür sein, den Schutz davor jetzt zu lockern. Der aktuelle Ausbruch von Schweinepest in Deutschland/Polen ist ein Beispiel dafür, wie wichtig und schwierig dieses Thema ist. Auch das Vogelgrippe-Auftreten der vergangenen Jahre hat das immer wieder gezeigt.

  8. #8 zimtspinne
    24. Juli 2019

    Ui, Bettina,
    ihr habt euch doch nicht exotische Pilze oder Pflanzenteile eingetan…. weil……….
    so kenne ich dich ja gar nicht (sprachlich, flapsig, 1. Absatz, letzter Teil).

    Du brauchst dich für nichts zu erklären oder rechtfertigen, und wenn du mal keine Lust zum Bloggen hast und das später nachreichst, mach das einfach.
    Wenn du schon so eine 1A Gelegeheit hast, etwas Abstand vom westlichen Trubel und Stressgedöns zu bekommen. Ist ja auch wertvolle Zeit.

    Ich beneide dich auf jeden Fall sehr gerade, aber eher so die Art konstruktiver Neid.
    Viel öfter müsste man sich mal auf die Socken machen und Wünsche, Ideen, Träume realsieren. Wenn man es schon könnte; denn das Leben ist ja auch irgendwo ein Abrisskalender.
    Du siehst, konstruktiver Neid 😉

    Hattest du denn das Gefühl, in Spanien zu sein, eher nur anfangs beim Kulturprogramm oder auch allgemein?
    Ich habe erst die Seite 1 gelesen, falls noch mehr dazu kommt…
    Ich muss auch gestehen, ich war zwar mehrfach in Spanien und auch in Barcelona, aber an die bunten Fassaden und streetart kann ich mich gar nicht erinnern…. ist mir zumindest nicht aufgefallen.
    War auch mehr ein Wasser- und Strandurlaub und Kultur lief nur etwas nebenher.
    Woran ich mich spontan als erstes erinnere — die riesigen Kakteen ohne Aufsicht und Erziehung in den Vorgärten 😉

  9. #9 Bettina Wurche
    25. Juli 2019

    @zimtspinne: Exotische Pilze? Nö, nur exotische Fische und Früchte – ein Zimtapfel kann bei mir schon Verzückung auslösen ; ) ich glaube aber eher nicht, dass da psychoaktive Substanzen ‘drin sind. Die Ähnlichkeit mit Barcelona und Madrid kam vor allem durch die wunderschönen ArtDeco-Gebäude vor allem in Santiago. Statt der bunten StreetArt kommen in Barcelona dann die farbenfrohen phantasievollen Bauwerke von Gaudi dazu.
    Das Spanien-Gefühl war natürlich vor allem in den großen Städten Santiago und Valparaiso da, die kleineren Städte sahen anders aus. Spätestens der Blick auf die Cordilleren machte dann immer ganz schnell klar, dass wir in Südamerika waren.
    “konstruktiver Neid” – schöner Begriff : )