Unser nächster Termin ist am 04.07. am Paranal-Observatorium. Das VLT – Very Large Telescope – auf dem Gipfel des Paranal ist das Flaggschiff der europäischen Südsternwarte zu Beginn des 3. Milleniums, so die ESO (European Southern Observatory).
Das VLT ist das zur Zeit stärkste optische Teleskop – es besteht aus insgesamt vier großen baugleichen Teleskopen, deren Hauptspiegel 8,2 Meter Durchmesser haben und vier beweglichen 1,8 Meter-Hilfs Teleskopen (Auxiliar-Teleskope). Sie können jeweils allein arbeiten oder zusammengeschaltet werden zu einem gigantischen Interferometer – dem VLT.
Ihr Fokus liegt heute auf der Analyse von Galaxien und der Spektralanalyse, dafür sind ihre Instrumente ausgelegt. So simulieren vier kleine Teleskope ein viel größeres Teleskop von 168 Metern.
Die vier großen Einheiten heißen Antu (Sonne), Kueyen (Mond), Melipal (Kreuz des Südens) und Yepun (Venus), die Namen stammen aus der Sprache der Mapuche, des größten indigenen Volks Chiles.
Unsere Führung beginnt um 16:00 Uhr in Antu. Im Gebäude ist es laut und kalt – die Air Condition läuft auf vollen Touren, das Innere des Observatoriums wird auf die Nachttemperatur herabgekühlt. In 2600 Metern Höhe und im chilenischen Winter sind das um die 0 °C. Das Teleskop muss die gleiche Temperatur wie die Außentemperatur haben, sonst könnten Luftschlieren die Beobachtung stören. Gerade wird es für die Nacht in Stellung gebracht. Wir sehen, wie die Bodenplattform des Teleskops rotiert, schließlich wird der Spiegel in vertikaler Richtung in Position geschwenkt. Innerhalb dieser gewaltigen Bewegungen zu stehen, ist einfach nur respekteinflößend. Wenn ich mir dann noch ins Gedächtnis rufe, dass ich in 2600 Meter Höhe, weitab der nächsten Ansiedlung. In den Kordilleren und unter diesem atemberaubenden Himmel stehe, halte ich den Atem an – Worte können dieses Gefühl der Kleinheit und Gewaltigkeit gleichzeitig nicht wirklich beschreiben.
Die Teleskope sind 1999 in Betrieb gegangen und wurden 2003 bis 2005 mit einer Technik ausgestattet, die die Form der Spiegel und den Strahlengang automatisch anpasst, um Störungen der Abbildung durch die Atmosphäre automatisch auszugleichen. Diese adaptive Technik wurde hier entwickelt, so erzählt uns Dr. Andreas Kaufer – Director of Operations – stolz. Die für diese Technik nötigen künstlichen „Leitsterne“ werden mit leistungsstarken Lasern in der hohen Atmosphäre erzeugt. Mit der adaptiven Optik übertreffen die VLT-Teleskope sogar die Auflösung des Hubble-Weltraumteleskops. Außerdem sind die Hauptspiegel mit aktiver Optik versehen: Sie sind „zu dünn, um in Form zu bleiben, wenn sich das Teleskop bewegt und werden deswegen durch eine aktive Optik mit Hilfe von 150 hydraulischen Stößeln etwa einmal pro Minute in ihrer Form korrigiert.“
(Der deutsche Wikipedia-Artikel bietet eine gute Übersicht über die Instrumente, es ist ganz bestimmt von LiebhaberInnen geschrieben worden.)
Der Ort für die Europäische Südsternwarte wurde mit Bedacht gewählt: die Atmosphäre über dem Gipfel des Cerro Paranal ist mit ihren besonders trockenen und ruhigen Luftströmungen ein echter Astronomen-Traum. Weit ab der Verkehrsrouten und von Städten herrscht hier absolute Dunkelheit. Natürlich ist auch auf dem Observatorium astronomische Dunkelheit oberstes Gebot: Taschenlampen müssen im Gipfelbereich von den Teleskopen abgewendet werden, das Habitat hat spezielle Verdunkelungen und Autos müssen mit Standlicht gefahren werden.
Das Paranal-Observatorium ist ausgelegt für Erdbeben der Stärke neun. Das Schlimmste Erdbeben war bisher eins der Stärke 8,4 in 100 Kilometern Entfernung. „Nach vier Stunden warten wir zurück in Betrieb“, erklärt Andreas stolz. Das ist hier wirklich ein springender Punkt – Erdbeben der Stärke 3 bis 4 scheinen alltäglich zu sein. Und die wissenschaftlichen Institutionen, die die Beobachtungszeit buchen und bezahlen, haben enge Zeitpläne, darum kommt es auf jede Stunde an.
Besonders beeindruckend finde ich die Autarkie dieses Observatoriums. Kein Wunder, schließlich ist es für seine astronomische Dunkelheit wirklich abgelegen. Darum ist in einem Gebäude eine große mechanische Werkstatt, so dass vor Ort fast alles mit eigenen Mitteln repariert werden kann. Spezialisten müssten eingeflogen werden, das würde viel zu lange dauern, der betrieb muss möglichst ununterbrochen gewährleistet werden. Die technischen und mechanisch Interessierten unserer Gruppe bekommen in der Werkstatt leuchtende Augen.
Der Spiegel ist mit einer hauchdünnen Aluminiumschicht überzogen, die regelmäßig erneuert werden muss. Wegen der Abgeschiedenheit des Observatoriums muss dies alles vor Ort erledigt werden. Der Ausbau des Spiegels, das Entfernen der alten Schicht und das Auftragen der neuen sowie weitere Behandlungen dauern fünf Tage. Der Spiegel wird dabei die ganze Zeit gestützt. Plasma high tech coating ist der Fachbegriff für die beeindruckende Prozedur.
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