Wie viele Mammuts braucht man für eine funktionierende Gruppe?
Und wer übernimmt die Erziehung eines Kindergartens von Retorten-Mammuts?
Kann die Erziehung durch die Matriarchin und andere ältere Gruppenmitglieder simuliert werden?
Stecken wir die (rasierten) Neo-Mammute ins Dschungelcamp und lassen sie von Indischen Rüsseltieren erziehen?
Oder importiert der Eiszeit-Park eine Herde Indischer Elefanten? Mit Wolljäckchen gegen den Permafrost.
Das wird wohl beides zu schwierig – u. a. auch deshalb, weil es für den Handel mit und die Haltung von Elefanten, die auf der Roten Liste stehen, erhebliche Einschränkungen und Auflagen gibt. Darum ist übrigens auch schon das Einpflanzen eines Klons in eine Leihkuh ethisch äußerst bedenklich.
Ohne Gesellschaft müsste der Kleine wohl alleine groß werden.
In Gedanken sehe ich einen eiszeitlicher Wollelefanten allein auf weiter Flur stehen – ein sozialer Krüppel. Ohne menschliche Hilfe hätte er keine echte Überlebenschance. Spätestens mit dem Eintritt in die Pubertät dürfte aus dem unerzogenen Mammut dann eine echte Gefahr werden.
Randale im Pleistozän-Park ist programmiert. So sind aus afrikanischen Parks randalierende Jungbullen etwa für den Tod mehrerer Nashörner verantwortlich.
Ethik und Genetik: Welchen Status hat eine Rekonstruktion?
Wir leben in einer Zeit, in der Tieren immer mehr Rechte zugestanden werden.
Längst wird diskutiert, ob Menschenaffen nicht als unsere allernächsten Verwandten Menschenrechte zugestanden werden sollen.
Die Haltung von Zootieren wird beständig weiter hinterfragt – ist sie artgerecht? Oder tiergerecht?
Wie artgerecht wäre es, ein geklontes Neo-Mammut auf einer rekonstruierten Eiszeitsteppe „auszuwildern“?
Ohne Kontakt zu Artgenossen und ohne stabile Familienbande?
Ist das nicht gegenüber dem erschaffenen Tier verantwortungslos?
Oder haben wir gegenüber einem derartigen künstlichen Geschöpf keine solche Verantwortung – dürfen wir es wie Spielzeug benutzen?
Und: Welchen rechtlichen Status hat eine Chimäre, die aus einer geschützten und einer ausgestorbenen Art zusammengesetzt wurde?
Ist das Neo-Mammut dann auch geschützt?
Oder hat es nur einen Patentschutz?
Mir kommt das Klonen einer ausgestorbenen Tierart weniger artgerecht, als vielmehr selbstgerecht vor.
Wir tun gut daran, zu hinterfragen, ob alles, was technisch möglich ist, auch umgesetzt werden sollte.
„Dead as a Dodo“? Ausgestorben war gestern!
Das Klonen, Wiedererschaffen oder Rekonstruieren von ausgestorbenen Arten hat auch noch eine ethische Komponente.
Mammuts sind ausgestorben – wahrscheinlich durch eine Klimaveränderung, mit mehr oder weniger anthropogenem Einfluss. Einige Wissenschaftler hatten an Skeletten aus Nordeuropa ein hohes Maß an Fehlbildungen identifiziert und als Anzeichen von Inzucht und Hunger interpretiert. Aber so ganz genau ist es eigentlich nicht geklärt.
Wen nun ein Verfahren etabliert wird, ausgestorbene oder ausgerottete Arten einfach aus der Retorte wiederauferstehen zu lassen, ist der Aussterbe-Prozess an sich nicht mehr bedrohlich.
Das halte ich für ethisch extrem bedenklich, denn es spricht uns frei von Verantwortung gegenüber der Umwelt, in der wir leben.
„Dead as a Dodo“ – dieser Begriff hat sich dann erledigt.
Viele Worte über ein Tier, das (noch) gar nicht existiert.
Aber ich denke, über manche Projekte sollte man sich VORHER Gedanken machen, um ihre ethische Verträglichkeit auszuloten.
In den letzten Jahren ist schon mehrfach die Neu-Erschaffung des Mammut angekündigt worden – zuletzt gab es 2013 und 2014 viel Wirbel um ein neu gefundenes, besonders gut erhaltenes Exemplar namens „Butterblume“ aus dem Permafrost. In diesem Interview berichtet die Paläobiologin Tori Herridge von der tadellos tief gefrorenen „Butterblume“ und ihren ethischen Bedenken gegenüber einer Rekonstruktion.
Bisher ist nach den vollmundigen Ankündigungen nichts passiert.
Das Zurück-Klonen eines ausgestorbenen Wirbeltieres ist eben doch eine sehr komplexe Aufgabe, wie Lars Fischer in seinem Beitrag “Das Mammut klonen” von 2013 erläuert.
Irgendwie tröstet mich die Aussicht, dass es sehr wahrscheinlich auch diesmal beim Marketing bleiben wird.
Das Mammut wird weiterhin in großen Herden durch die paläontologischen Träume und Rekonstruktionen trotten. Und nicht allein und einsam in einem Eiszeit-Park herumstehen und von sensationsgeilen Touristen ge-Instagramt und ge-Youtubet werden.
Ich denke, wir sollten uns besser darauf konzentrieren, die heutige Biodiversität zu erhalten und zu schätzen!
Die Vielfalt der Arten, ihrer Genome und Lebensräume.
Denn nur intakte Lebensräume für Tiere und Pflanzen sind auch für Menschen lebenswert.
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