2010 hatte ich gerade mit dem Science-Blog Meertext begonnen, damals noch auf der alten Adresse.
Da war die Deepwater Horizon-Ölpest ein paar Monate alt und aus den deutschen Medien weitgehend verschwunden. Dann kamen Publikationen aus den USA, die sich mit den Folgen der Ölpest beschäftigten. In Deutschland schafften sie es kaum in die Presse und daraufhin hatte ich viele Beiträge zu einzelnen Details geschrieben.Die sind hier kurz vorgestellt, wer weiterlesen mag, findet die detaillierteren Blog-Artikel verlinkt.
Rohöl – giftig, karzinogen und fruchtbarkeitsmindernd
Welche Auswirkungen hat Rohöl auf Organismen und Ökosysteme?
Erdöl und seine Produkte enthalten zahlreiche toxische, teilweise Krebs erregende Komponenten. Schon ein kurzzeitiger Kontakt kann zu schweren Gesundheitsschäden führen.
Beobachtungen haben ergeben, dass Wale, Schildkröten und Walhaie dem Öl nicht ausweichen, sondern einfach hindurch schwimmen. Dabei geraten sie in unmittelbaren Hautkontakt mit den schmierigen Schlieren. Die an der Wasseroberfläche schwimmenden Tiere atmen dabei zusätzlich die toxischen Dämpfe ein.
Öl hat toxische und mechanische Auswirkungen:
Rohöl entfaltet bei Hautkontakt oder Verschlucken seine toxische Wirkung:
- Anämie
- Unterernährung
- Leber- und Lungenschäden
- ein insgesamt geschwächtes Immunsystem
- Öl wirkt auf Eier und Embryonen toxisch und führt schon in geringen Konzentrationen zu Mißbildungen oder Absterben
Öl verklebt Federn, Fell, Kiemen und Körper:
- Gefieder und Fell von Vögeln, Seeottern und anderen Tieren verliert durch Verölen ihre isolierenden Eigenschaften, außerdem schlucken die Tiere beim Säubern der Federn bzw. des Fells Öl
- Kleinere Organismen ersticken in oder unter der Ölschicht
- Seegraswiesen, Korallenriffe und andere Ökosysteme mit ihren Bewohnern ersticken unter den schmierigen zähen Schlieren
Das Tückische am Öl ist seine lange anhaltende Wirkung und sein langsamer Zerfall, auch die meisten Zerfallsprodukte sind noch toxisch.
Mehr dazu unter “Meertext: Ölpest: Wie schadet Erdöl den Meerestieren?”
Rückblick: Ein defektes Ventil führte zum Massensterben
Die abschließende Untersuchung hatte gezeigt: Durch eine Verkettung von technischen Störungen und menschlichem Versagen kam es zum Blowout – dem unkontrollierten Ausstrom von unter hohem Druck stehendem Öl und Gas. Der Blowout-Preventer (BOP), eine metergroße Konstruktion mit mehreren riesigen Ventilen, soll genau solch eine Katastrophe verhindern – dieser hatte in diesem Fall aufgrund schlechter Wartung versagt.
Ein Blowout ist der Alptraum jeder Bohrinsel-Besatzung, denn er kann zu Explosionen oder einem unkontrollierten Großfeuer eskalieren – wie es dann auch passiert ist.
Neben den 11 Menschen sind viele Meerestiere an den Folgen der Öl-Katastrophe gestorben: Schätzungsweise 800.000 Seevögel sind mit verklebtem Gefieder im Öl verendet. Beim Abfackeln von an der Oberfläche treibendem Rohöl sind dort schwimmende Meeresschildkröten mit verbrannt, andere haben Öl verschluckt oder sind an den Dämpfen vergiftet worden. Große Tümmler sind im toxischen Ölteppich sofort umgekommen, die Golf-Population dieser großen Delphine ist seitdem gesundheitlich angeschlagen. In den Folgejahren waren viele Delphine, darunter sehr viele Neugeborene, tot an die Strände gespült worden. Biologen und Ökologen sehen einen klaren Zusammenhang mit der toxischen Wirkung des Öls, durch das die Delphinmütter geschwommen sind. Zu Beginn des Jahres 2011 strandeten an der Küste des Golfs von Mexiko zwischen Januar und April 2011 186 Große Tümmler (Tursiops truncatus), davon waren 86 perinatale Kälber („Perinatal“ ist der Zeitpunkt um den Geburtstermin herum.) In diesem in der Geschichte des Golfs von Mexiko einmaligen Massensterben dürfte der allergrößte Teil des Delphin-Nachwuchses eines Jahres gestorben sein.
In der wissenschaftlichen “Were Multiple Stressors a ‘Perfect Storm’ for Northern Gulf of Mexico Bottlenose Dolphins (Tursiops truncatus) in 2011?” von Carmichael et al im Online-Wissenschaftsmagazin PLoS. („Waren multiple Stress-Faktoren der „Perfekte Sturm“ für Großen Tümmler des Nördlichen Golf von Mexiko?“) versuchten die Autoren, den Zusammenhang dieses Massensterbens mit der Ölpest herunterzuspielen und behaupteten, ein Kaltwasser-Einstrom sei mindestens ebenso wahrscheinlich. Diese Publikation ist exemplarisch für eine Gefälligkeits-Publikation für eine einen Industriekonzern, der seine Aktivitäten und deren Auswirkungen verharmlosen und kaschieren will.
Allein diese Publikation war mit 3 Blog-Posts wert:
Meertext: Zusammenhang zwischen der Ölpest in 2010 und Delphinsterben in 2011 im Golf von Mexiko?
Meertext: „Der perfekte Sturm“ für die Delphine des Golf von Mexiko: Kommentar
Die kleineren Tiere hat niemand gezählt, die Kadaver von Fischen, Krebsen und anderen Tieren bedeckten die Strände. Dabei sind nur die angespülten Kadaver überhaupt erfasst worden, die meisten sind einfach im Meer versunken.
In 87 Tagen waren aus dem Macondo-Ölfeld 4 Millionen Barrell Öl in den Golf von Mexiko geströmt. Was das bedeutet, schreibt Craig McClain auf DeepSeaNews sehr deutlich:“In an ecosystem that measures longevity in centuries and millennia the impact of 4 million barrels of oil continues to constitutes a crisis of epic proportions”.
Quellen:
Valentine, Marla M., and Mark C. Benfield. “Characterization of epibenthic and demersal megafauna at Mississippi Canyon 252 shortly after the Deepwater Horizon Oil Spill.” Marine Pollution Bulletin 77.1-2 (2013): 196-209.
McClain, Craig R., Clifton Nunnally, and Mark C. Benfield. “Persistent and substantial impacts of the Deepwater Horizon oil spill on deep-sea megafauna.” Royal Society Open Science 6.8 (2019): 191164.
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