In einer dunklen Februar-Winternacht ist die Sonnensonde Solar Orbiter zu ihrer langen Reise zu unserem gleißenden Heimatstern aufgebrochen, nun wird sie sieben Jahre lang bis zum nominellen Missionsende unterwegs sein (danach ist noch eine extended Mission avisiert, als Goodie). Wie üblich, fliegt die Sonde nicht direkt, sondern holt sich mit Swing-by-Manövern an der Erde und der Venus genügend Schwung, um dann den Sonnen-Nord- und Südpol aus der „Vogel“-Perspektive zu beobachten. Wo noch keine Kamera zuvor hingeblickt hat. Die gemeinsame ESA-NASA-Mission wird mit ihrer Grundlagenforschung u. a. neue Erkenntnisse zum Weltraumwetter bringen.
Heute morgen, um 05:03 ist die Sonde von Cape Canaveral mit einer US-amerikanischen Atlas V 411-Rakete gestartet. Hier das Video des Bilderbuchstarts.
Nachdem Paolo Ferri, ESA Head of Mission, im Presseraum “Good start” sagt und zwei Projektwissenschaftler in Cape Canaveral “We have a mission!” in die Kamera der Direktübertragung strahlen, ist klar, dass die Reise beginnt.
Eine unglaubliche Reise zu dem gigantischen Feuerball, der im Weltraum nur einer von vielen und für uns doch alles ist. Die Sonne, die immer wieder Plasma weit ins Weltall wirft und das gesamte Planetensystem in ihrer Heliosphäre hält. Und die aufgrund ihrer Hitze bislang gut geschützt gegen die irdische Neugier war. Die Sonne ist nicht zuletzt auch darum ein so interessantes Ziel, weil sie der einzige Stern ist, der für uns Menschen überhaupt erreichbar ist.
Solar Black: Knochenkohle schützt vor Sonnenbrand
Für diese besondere Herausforderung mussten die Konstrukteure einen neuartigen Hitzeschild entwickeln, immerhin geht es hier um Temperaturen bis zu 600 °Celsius. Dass auf der einen Seite der Sonde manchmal 500°C herrschen werden und auf der enteggengesetzten Seite -200 °Celsius macht diese Expedition nicht einfacher, erklärt Prof. Mark McCaughrean auf der Pressekonferenz. Auch die starke Infrarot- und Ultraviolett- Bestrahlung über Jahre hinweg ist eine Herausforderung.
Um die Sonde mit ihren Instrumenten zu schützen, muss der 3,1*2,4 Meter große Hitzeschild aus Titan die ganze Zeit zwischen dem Raumfahrzeug und der Sonne stehen.
Zusätzlich braucht es noch ein paar besondere Sonnenschutz-Lösugen: ein neues Material als Hitzeschild-Überzug und eine Sandwich Bauweise.
Solar Orbiters patentierter Sonnenschutz heißt Solar Black und basiert auf…..verkohlten Tierknochen!
SolarBlack ist ein kohliges Pulver auf der Basis verkohlter Tierknochen, die besonders reich an Calciumphosphat sind. Als hauchdünne schwarze Schicht bedeckt es den Titan-Schild der Sonnensonde. Das schwarze Pigment ist besonders beständig gegen Hitze sowie Infrarot und Ultraviolett-Strahlung. Und es ist uralt: In der Steinzeit hatten Menschen solche Kohle als Pigment genutzt und damit die ersten großflächigen Bilder an Höhlenwänden geschaffen, die bis heute erhalten sind. Es gibt nur wenige Materialien, die über einen so langen Zeitraum hinweg im Gebrauch sind.
Solar Black ist von von ENBIO hergestellt und entwickelt worden. Das Auftragen auf „sauberes“ Metall ohne oxidierte Grenzschicht und das Anrauen der Oberfläche ist für die optimale Haftung und Funktion des schwarzen Schutzmantels äußerst wichtig. Darum nutzt ENBIO für das Auftragen das patentierte CoBlast-Verfahren.
Dabei werden drei Arbeitsvorgänge in einem einzigen Schritt durchgeführt:
- zuerst trägt abrasives Material die oberste, oxidierte Schicht des Titanschilds ab
- dann wird die Metalloberfläche angeraut
- zuletzt wird SolarBlack als schützende Haut aufgetragen.
Mit diesem Verfahren erreichen die Konstrukteure die beste Haftfähigkeit und die höchste Qualität für ihren schwarzen Sonnenschutz. Die hauchdünne SolarBlack-Schicht liegt auf einer Titanschicht. Dieser äußere Hitzeschild ist mit Abstandshaltern am Sondenkörper befestigt, dazwischen bleibt eine Spalte. Die vom Hitzeschild aufgenommene Hitzeenergie wird über die Spalte ins Weltall abgeleitet.
Grundsätzlich ist weiße Farbe hitzeabweisend, während schwarze Oberflächen eher Wärme speichern. Darum hatte ENBIO auch mit einer Substanz namens SolarWhite experimentiert. Bei dem langen Flug durchs Weltall wäre der weiße Hitzeschild aber trotz seiner guten Materialbeständigkeit nicht ganz weiß geblieben, sondern zunehmend „gealtert“. Darum hat man sich bei diesem Jahre dauernden Einsatz dann für SolarBlack entschieden.
Der Hitzeschild muss die ganze Zeit zwischen dem Sondenkörper und der Sonne sein – fünf der Instrumente schauen durch kleine Öffnungen durch den Schild hindurch, die anderen schauen mit hitze- und strahlunsgbeständigen Antennen hinter dem Schild hervor. Die Öffnungen sind mit kleinen Schiebern versehen, die geöffnet und verschlossen werden können. Ausgezeichnete Nahaufnahmen des Satelliten-Modells im Presseraum sind auf Michael Khans “Go for Launch” zu finden, darunter auch eine Aufnahme der Schieber.
Ein weiterer Nachteil der Sonnennähe ist, dass die Sonde in dieser Zeit ihre Daten natürlich sammeln, aber keine Funkverbindung zur Erde aufbauen werden kann. Die irdischen Antennen müssten direkt auf die Sonne ausgerichtet werden und würden dabei zu heiß. So sammelt Solar Orbiter fleißig Daten und speichert sie alle erst einmal sicher ab. Erst etwa 6 Monate später ist Solar Orbiter auf seiner exzentrischen Bahn dann wieder weit genug weg von der Sonne entfernt, um die Daten zur Erde zu bringen.
Solar Orbiters…some like it hot
Nord und Südpol der Sonne unterscheiden sich signifikant vom Rest des Sterns. Die Pole der Sonne sind so besonders interessant, weil sie von der Erde aus nicht zu beobachten sind, erklärt Joachim Woch (Max Planck-Institut für Sonnensystemforschung: “Sie sind Terra incognita”. Seine Arbeitsgruppe will herausfinden, wie das Plasma seine hohe Geschwindigkeit erreicht, mit dem es sich von der Sonne losreißen kann. Wo und wie entsteht der Sonnenwind? Und zum Magnetfeld der Sonne gibt es bisher erst grobe Modelle, da sind noch viel mehr Daten nötig. Das Magnetfeld der Sonne ändert sich gerade, damit werden sich auch die Pole umkehren. Sein Team hat den Polarimetric and Helioseismic Imager gebaut, mit dem sie die Photosphäre aufnehmen und die Magnetfelder verfolgen können (Zum Weiterlesen: Welt der Physik: “Die Pole sind noch Terra incognita”).
AstrophysikerInnen wollen mit den den Kameras, Magnetometern und anderen Messgeräten grundlegende Erkenntnisse über das Magnetfeld der Sonne erhalten:
- Was treibt den Sonnenwind an?
- Welche Mechanismen im Innern der Sonne generieren das Sonnenmagnetfeld?
- Wie genau hängen das Sonnenmagnetfeld und die Heliosphäre zusammen? (Die Heliosphäre ist der Einflußbereich der Sonne im Planetensystem. Hier ist mehr zu den Forschungsfragen).
Mit insgesamt 10 Instrumenten (eines davon von der NASA) wollen sie weitere intime Geheimnisse der Sonne ausspähen. Die WissenschaftlerInnen erhoffen sich u. a. ein besseres Verständnis des Weltraum-Wetters, das so starke Auswirkungen auf unsere alltägliche essentielle Infrastruktur wie Kommunikation und Navigation sowie auf die bemannten Raumfahrtmissionen hat. Das Weltraumwetter besteht aus elektromagnetischer Strahlung und magnetischen Stürmen. Es entsteht, wenn Sonneneruptionen Plasma weit ins Weltall werfen und den Fluss hochenergetischer Teilchen zur Erde verstärken.
Der Sonnenwind besteht aus ionisierten Gasen und strömt von der Sonne mit bis zu 500 km/sec ins Sonnensystem. Er beeinflusst und stört das Erdmagnetfeld und füllt den größten Teil unseres Planetensystems aus. Der Partikelstrom stört elektronische Bauteile von Satelliten und von Anlagen auf der Erde. Je besser dieses Phänomen verstanden wird, desto besser ist man auf diese Störungen vorbereitet.
Solar Orbiters Instrumente schauen mit Antennen hinter dem Hitzeschild hervor, die Kameras spähen durch winzige Öffnungen hindurch. Diese Öffnungen können mit Schiebern verschlossen und geöffnet werden. Andere Instrumente strecken ihre Antennen und Sensoren hinter dem Schild hervor.
Vor Ort wird Solar Orbiter mit der bereits gestarteten NASA-Sonde Parker Solar Probe zusammenarbeiten, die bereits vor Ort ist und ein anderes Instrumentenspektrum an Bord hat.
Bis zur Aufnahme dieses heißen Jobs dauert es aber noch bis 2021.
Hier gibt es mehr Informationen zum Solar Orbiter und zu Parker Solar Probe. (inkl. Missions-Blog), die NASA-Sonde ist bereits im August 2018 gestartet.
Dieses Video zeigt die Reise der ESA-Sonnensonde und wie sie sich an den Gravitationsfeldern der Venus und der Erde Schwung holt.
Hier geht es zur ESA Solar Orbiter-Seite mit weiteren Infos.
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