Das Bild und Video einer weißlich-durchsichtigen Spirale im Ozean ist die größte je gesichtete Qualle sein und wahrscheinlich das größte, je gesichtete Tier – die Staatsqualle ist der australisch-US-amerikanischen Ningaloo Canyons Expedition (Western Australia Museum, Schmidt Ocean Institute, Scripps Institution of Oceanography) vor die Kameralinse geschwommen.
Die endgültige Längenmessung steht noch aus, der äußere Ring war schätzungsweise 47 Meter lang und bestand aus Millionen Polypen.

Hier das Video der gigantischen Apolemia:

Staatsquallen bestehen aus einer Vielzahl von einzelnen Polypen, die in Arbeitsteilung durch die Ozeane driften. Es ist also ein ganzer Quallenstaat, die fest miteinander verwachsenen Individuen der Kolonie heißen Zooide. Sie sind so hoch spezialisiert, dass sie wie Organe eines einzigen Tieres agieren.
Die einzelnen Polypen haben unterschiedlich Aufgaben und sehen darum auch unterschiedlich aus: die Gasblase oder Schwimmboje (Pneumatophore) und zahlreiche Schwimmglocken, (Nectophoren) sind für den Auftrieb zuständig. Die Schwimmglocken sorgen gleichzeitig für Vortrieb und Steuerung. Sie sind vorne oder oben an der Kolonie. Danach kommt ein langer Tentakel mit den Fresspolypen (Gastro-/Autozooide), Tastpolypen oder Wehrpolypen (Dactylozooide) für Fressen und Verteidigung, dabei kommen die Nesselzellen mit ihrem Nesselgift zum Einsatz. Der Zentraltentakel enthält auch einen Nervenstrang und den Transportweg für Nährstoffen.
Geschlechtspolypen (Gonozooide) sind für die geschlechtliche Fortpflanzung und Deckpolypen (Phyllozooide). Siphonophoren können männlich, weiblich oder Zwitter sein. Manchmal klonen sie ihre Zooide auch einfach.

Siphonophoren – “long stringy stingy thingy”

Die Staatsqualle bildet keinen Medusenschirm aus, sondern eine Gasblase als Auftriebskörper. Die bekannteste ist die Portugiesische Galeere Physalia physalia mit ihrer recht großen Schuh- oder Schiffsrumpfförmigen blau-violett schillernden Gasblase. Physalia gehört allerdings zu einer anderen Gruppe von Siphonophoren als die hier gezeigte riesige Apolemia.

Die Qualle bläst ihr Floß – die Pneumatophore – selbst auf, das Gas – zu 90% Kohlenmonoxid – kommt aus einer Gasdrüse.

Viele Siphonophoren haben eine Pore, mit der sie Gas ablassen können – so kontrollieren sie ihren Auf- und Abstieg. Quallen gehören zum gelatinösen Plankton, sie treiben und driften eher, als dass sie aus eigener Kraft schwimmen. Sie sind recht transparent, geben aber vor allem durch die Gasfüllung ein akustisches Echo bei akustischen Surveys. Gemeinsam mit dem restlichen Plankton nehmen sie jeden Tag an der großen Vertikalwanderung des Planktons teil und steigen im Meerschnee auf und ab.

Ihre Nahrung sind andere Bewohner des gelatinösen Planktons oder Partikel des Meeresschnees.
Manche Tiefseequallen jagen auch aktiv, sie sind bioluminiszent und locken mit Rotlicht Fische an.

In diesem Video ist eine gute Nahaufnahme eines Siphonophoren-Tentakels. Das schnurförmige Organ funktioniert wie die „fishing line“ eines Langleinen-Fischers:

Die Quallenexpertin Rebecca Helms (Assistant professor, University of North Carolina Asheville) macht noch auf ein Detail an dieser Langleine aufmerksam:
Kleine Meeresschnecken der Gattung Cephalopyge hängen sich ebenfalls an die Leine, um ein paar der Klone zu futtern.  Die winzigen Schnecken gehören ebenfalls zu den Gelata des offenen Ozeans, sie sind winzig klein, transparent

Neben dem Prachtexemplar einer Apolemia haben die Meeresbiologen bei ihrer Erkundung des weitgehend unerforschten Ningaloo Unterwassercanyon noch etwa 30 neue Arten entdeckt sowie einen  bioluminiszenten Tintenfisch und eine langschwänzige Seegurke beobachtet. Damit haben sie wieder einige aufregende Fakten aus einem immer noch wenig bekannten Lebensraum, dem offenen Ozean, zusammengetragen. Hier sind mehr Hintergrundinfos zur Expedition und zum privaten Forschungsinstitut Schmidt Ocean, die das Forschungsschiff RV Falkor und sein ROV SuBastian finanzieren.

PS: Dieses Video ist schon ein paar Tage alt – aber ich bin am Wochenende zum achten Mal darauf angesprochen worden, darum habe ich noch einmal ein paar Details zusammengeschrieben.

 

 

 

Kommentare (2)

  1. #1 RPGNo1
    4. Mai 2020

    Zunächst einmal: “May the force be with you” 🙂

    Und dann danke für den Artikel. Die Staatsqualle in ihrer Größe ist sehr beeindruckend.

  2. #2 Bettina Wurche
    4. Mai 2020

    @RPGNo1: May the 4th be with you! (Könnte dieses Jahr mit Science fiction Events wirklich mau werden : (( ob es in der 2. Jahreshälfte vielleicht Großverantstaltungen geben kann, steht absolut in den Sternen )