Auf Twitter freute sich gerade eine Meeresbiologin, dass die Aquariums-Seegurken nun Laichzeit haben. Nur wenige Menschen machen sich Gedanken über die Fortpflanzung dieser in der Öffentlichkeit wenig bekannten Stachelhäuter – diese Wissenslücke möchte ich heute schließen.
Seegurken sind als Stachelhäuter enge Verwandte der Seesterne, Schlangensterne, Seeigel und Seelilien. Äußerlich oft eher unscheinbar – wurstförmig, ohne sichtbare Sinnesorgane und Extremitäten und meist wenig stachelig – haben diese Tiere eine extrem weit zurückreichende Entwicklungsgeschichte hinter sich und ihre verschlungenen Körperhöhlen sind der Schrecken jedes Zoologiestudiosus. Äußerlich haben sie ein Vorder- und ein Hinterende, sowie eine Ober- und Unterseite – die Unterseite ist durch viele Füßchen definiert.
Die Tiere leben meist friedlich auf dem Meeresboden liegend und filtern Nahrungspartikel aus Sediment und Wasser, einige filtern auch Plankton aus dem offenen Wasser. Nur wenige – wie die knallrote Tiefseebewohnerin Enypniasties eximia alias “Headless chicken” – können frei schwimmen.
In Nord- und Ostsee gibt es nur wenige Arten, in tropischen Riffen oder in der Tiefsee dagegen wesentlich mehr in verschiedenen Farben und Größen. Von einem Millimeter bis zu zwei Metern Größe, weiß, bräunlich oder knallfarbig in pink, rot oder zitronengelb. Statt eines äußeren Skeletts wie Seeigel haben Seewalzen einen Hautmuskelschlauch mit wenigen Kalzitnadeln, so sind ihre Körper viel beweglicher.
Auch wenn die Seewalzen auf uns unscheinbar wirken, gibt es Männchen und Weibchen. Viele Arten können sich ungeschlechtlich durch Teilung vermehren – über Abschnürung. Das ist sehr praktisch, wenn gerade kein Geschlechtspartner greifbar ist. Meistens allerdings vermehren sie sich geschlechtlich. Dabei geben Seegurk und Seegurkin ihre Geschlechtsprodukte – Eier und Spermien – einfach ins Meer ab. Damit die Spermien auch ein befruchtungswilliges Ei treffen, braucht es schon eine gewisse Dichte an Geschlechtsprodukten. Innerhalb einer Bucht oder eines kleinen Areals läuft dies meist synchron ab. Die Seewalzen richten sich dazu mit dem Vorderende senkrecht auf und spritzen aus der Spitze eine weißliche (Spermien) bis gelbliche (Eizellen) Flüssigkeit.
Ihuru Funna hat den romantischen Moment zweier Seegurken beim Tauchgang eingefangen:
Wie solch ein Pulk wurstförmiger Stachelhäuter im richtigen Moment gemeinsam kommt?
Dafür braucht es natürlich einen Reiz als Auslöser: Temperatur, Lichtperiode, Mondstand und Gezeitenstand sind für solche koordinierten Aktionen einer ganzen Community wichtig – bekannt ist das von Borstenwürmern, Krebsen, Weichtieren und Seeigeln. Schließlich müssen sie zeitgleich erst einmal die Geschlechtsprodukte in ausreichender Menge produzieren.
Der Vollmond kann als solcher Auslöser wirken, auch einige Seegurkenarten nutzen ihn als Signal zur kollektiven Ejakulation.
Andere nutzen chemische Auslöser: Dabei geben männliche Seegurken eine Chemikalie ins Wasser ab, die als Pheromon dient und sowohl die Rivalen wie die Angebeteten gleichzeitig stimuliert, ihre Geschlechtsprodukte gleichzeitig abzuspritzen.
Ellen Bonaire hat gleich drei Seegurken (Three Rowed Sea Cucumber, Isostichopus badionotus) dabei erwischt:
(Die Musik zu den Videos ist wenig passend – am besten Ton abdrehen)
Die Untersuchung der Seegurken-Fortpflanzung ist übrigens für die Haltung dieser Tiere in Aquakulturen sehr wichtig. Da vor allem für den hungrigen Markt in Asien die natürlichen Bestände dieser langgezogenen Stachelhäuter in einigen Regionen schon stark dezimiert sind, ist die Seegurken-Haltung in Aquakulturen wichtig, sowohl wirtschaftlich als auch unter Aspekten der Arterhaltung.
Aus einem befruchteten Seegurkenei entwickelt sich übrigens eine bilateralsymmetrische Larve, die Auricularia. Die durchsichtigen zarten Auricularien leben frei schwimmend im Plankton und suchen sich erst später einen Platz am Meeresboden. Dann werden sie in ihrer Erwachsenen-Gestalt tüchtige Sediment-“Staubsauger”. Sie sind nämlich extrem wichtig für die „Fußbodenreinigung“ etwa in Korallenriffen – weil sie Partikel vom Meeresboden aufsaugen und die organischen Bestandteile ablutschen. Den sauberen Sand scheiden sie wieder aus. Die Seegurken haben also eine wichtige Rolle im Ökosystem des Meeres. Ohne sie würden fest sitzende Tiere wie Korallen allmählich von Detritus (organischen Abfällen) zugedeckt.
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