Die Mittelmeerpottwale sind ein eigener Bestand und auch genetisch einzigartig. Anders als ihre Verwandten in den großen Ozeanen leben Männchen und Weibchen das ganze Jahr über im Mittelmeer, außerdem scheinen die mediterranen Bullen auch deutlich redseliger, oder vielmehr clickseliger, zu sein. Sie sind noch nicht sehr weit erforscht, aber italienische und griechische Teams sind ihnen auf den Fersen.

Aufgrund ihres kleinen Bestands und ihrer Isoliertheit sind sie vom Aussterben bedroht. Viel zu viele von ihnen sterben als Beifang und auch die Plastikbelastung ist extrem hoch. Außerdem ist zu befürchten, dass die zunehmenden seismischen Surveys die Wale vertreiben, beim Fressen stören oder sogar ihr Gehör schädigen könnten.

Giuseppe Notarbartolo di Sciara hatte im August 2019 erschreckende Todeszahlen vorgelegt:
– Mai 2019: ein ganzer Social Unit (Familie und Freundinnen) von 8 Walen in algerischen Gewässern
– Juni 2019: ein Mutter-Kind-Paar in italienischen Gewässern
– 24/12/2018 – 01/07/2019: ungeklärtes Massensterben von 14 Tieren in italienischen Gewässern zwischen Sizielien und der Toskana
– November 2018: 2 Totstrandungen an der französischen Mittelmeerküste
– Juli 2019: treibender Kadaver vor der ligurischen Küste

Wegen des Verwesungszustands dürften die Todesursachen schwierig zu ermitteln sein. Die meisten waren Jungtiere oder Kälber, ihre Mägen waren leer oder enthielten Plastik, was allerdings nicht die Todesursache war.
Da Pottwale sehr alt werden und sich nur sehr langsam fortpflanzen, ist diese hohe Sterberate eine akute Gefahr für den Bestand.

Wir brauchen endlich effektiven Walschutz in europäischen Gewässern!

Pottwal in Treibnetz

Pottwal in Treibnetz

Das Schicksal der Mittelmeerpottwale steht nur als Stellvertreter für das Aussterben anderer Tierarten – etwa die Schweinswale in der zentralen Ostsee.
Deutsche sind beim Walschutz ganz vorn dabei – wenn es um den Walfang der Norweger, Japaner oder Isländer geht, etwa in der IWC. Das seit Jahrzehnten bekannte Beifangproblem ignorieren sie allerdings geflissentlich, dafür müsste man nämlich der Fischerei-Lobby Vorschriften machen. Etwa die Benutzung von selektiven, nachhaltigen und somit walfreundlichen Fanggeräten. Das wäre ein wichtiger Schritt zu einer nachhhaltigen Bewirtschaft der Fischbestände.
Außerdem gehört eine wirksame Fischereiaufsacht mit genügend modernen, schnellen Schiffen und ausgebildetem Personal dazu – leider ist das Gegenteil der Fall.
Aus historischen Gründen gehören Walfang/Walschutz wie auch Fischerei in die Domäne des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft – solange das so bleibt, wird es wohl keinen effektiven Walschutz in Deutschland geben. In Europa sieht es ähnlich aus.

Wir leben von und mit den Meeren und tun so wenig für ihren Schutz. Wir brauchen endlich in allen Gewässern eine funktonierende Fischereiaufsicht. Das Mittelmeer ist die Wiege unserer abendländischen Kultur.
Die totale Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, das Tolerieren stetiger Rechtsbrüche und die Unbarmherzigkeit gegenüber anderen Kreaturen sind sehr häßliche Seiten der europäischen Idee. Dass ein so mächtiger Staatenverband wie die EU zwar Flüchtlinge im Mittelmeer aufhalten, aber nichts gegen Fischpiraterie und für einen effektiven Walschutz in Mittelmeer, Atlantik, Nord- und Ostsee unternehmen kann, ist einfach nur erbärmlich.

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