Die Fortpflanzung von Meeresschnecken ist so divers wie ihr Äußeres: In einigen Gattungen gibt es Männchen und Weibchen. Die Individuen manch anderer Gattungen sind Zwitter und schießen sich zur Stimulierung gegenseitig Liebespfeile in die weiche Kriechsohle, andere wechseln im Laufe des Lebens ihr Geschlecht: Bei der zwittrigen Meeresnacktschnecke Siphopteron quadrispinosum steigert ein heftiger Stich mit dem Stilett (ein spritzenähnlichen Penisstab) des männliche Parts mit der Injektion von Prostataflüssigkeit die weibliche Fruchtbarkeit – die Schnecke produziert dann mehr Eier. Pantoffelschnecken und Himmelblaue Veilchenschnecken beginnen ihr sexuell aktives Leben als Männchen, später werden sie dann Weibchen. Sie sind serielle Hermaphroditen. Bei den Pantoffelschnecken, die es auch an der Nordseeküste gibt und die Anfang des letzten Jahrhunderts aus Nordamerika ins Wattenmeer eingewandert sind, setzen sich ein oder mehrere Männchen auf ein großes Weibchen. Die Männchen setzen sich aufeinander als Schneckenstapel und bleiben dort bis zu sechs Jahren sitzen.
Auch Napfschnecken pflanzen sich ähnlich fort – Details dazu finden sich in “The Incredible Mr. und Mrs. Limpet”.
Die einzigartige Isabella Rossellini hat Mr. und Mrs. Limpet in ihrer Reihe Green Porno auch ein Kapitel gewidmet:
Die himmelblaue Veilchenschnecke Janthina baut aus ihren Eiern ein Blasenfloß, hängt sich kopfüber darunter und segelt damit über den Atlantik. Sie gehört zum Flottenverband der Blauen Flotte, einer ultramarin-violetten Lebensgemeinschaft aus Schnecken und Quallen, die an der Meeresoberfläche dahinsegeln.
Wellhornschnecken sind getrenntgeschlechtlich und müssen sich zur Fortpflanzung paaren, denn sie haben eine innere Befruchtung.
Dieses ausgezeichnete Video zeigt, wie sich der männliche Schneck auf die Suche nach einem fruchtbaren Frauchen macht (die holländische Tonspur ist gut verständlich und amüsant). Mit seinem rüsselartig vorgestreckten Siphon erschnuppert er den Duft einer potentiellen Partnerin.
Wellhornschnecken sind übrigens deutlich flotter unterwegs, als viele andere Schnecken. Als Raubschnecken überfallen sie andere Schalentiere, bohren ein Loch in deren Schale und saugen sie dann aus.
Nordsee-Wellhornschnecken leiden unter der Giftlast dieses industrialisierten Meeres: Der giftige Anti-Fouling-Schiffsanstrich Tributylzinn (TBT) lässt weiblichen Schnecken Penisse (Imposex) wachsen. Diese vom Imposex betroffenen Weibchen können keine Eier mehr legen. So sind seit Anfang der 1970-er Jahre die Bestände kleiner geworden, bis zum vollständigen Zusammenbruch der Wellhornschnecken-Populationen in der deutschen und niederländischen Nordsee. Heute ist diese Schnecke im Wattenmeer an der gesamten niederländischen Küste und in der Deutschen Bucht ausgestorben. Ich selbst habe bei einer Reise nach Nord-Norwegen erstmals Wellhonschnecken-Jungtiere gefunden, dort kommen die Wellhornschnecken noch vor.
Skulpturen aus Glibber – Schnecken-Kinderwiegen aus verfestigtem Schleim
Nach der innigen Vereinigung geht es dann an die Eiablage.
Die relativ großen Eier von Meeres- und Süßwasserschnecken haben eine dünne Schale, die wie ein Mini-Aquarium das heranwachsende Schnecklein schützt. Die Gelege sind größere Batzen in oft seltsamen Formen, manche werden an Steine angeklebt, viele driften im Wasser. Gerade die driftenden haben häufig Auftriebshilfen oder Geleehüllen, sie wirken wie Skulpturen aus Glibber. Werden sie an den Strand angespült, versetzen sie viele Menschen in Erstaunen: Der oder die Geleebatzen mit der extravaganten Form müssen von irgendeiner Lebensform stammen. Gleichzeitig wirken sie amorph – es gibt keine erkennbaren Körperteile oder Organe. Die Embryonen sind nämlich meist erst in der Vergrößerung zu erkennen (Solche amorphen Reste von Lebewesen werden übrigens als Blobs bezeichnet – oft sind es schwierig zu identifizierende Reste eines Kadavers).
Diese großen runden Gelee-Strukturen an einem südamerikanischen Strand geisterten gerade auf Twitter herum: Bei einer Masse fremdartiger eiförmiger Objekte kam natürlich sofort der Vergleich mit einer Alien-Invasion auf.
Carly Brooke hatte sie 2013 auf dem Blog FeaturedCreature mit guten Bildern vorgestellt:
Diese Gelee-Eier enthalten die Gelege der Meeresschnecke Adelomelon brasiliana, einer Walzenschnecke (Volutidae). Mit um die 14 Zentimeter Länge gehört sie unter den Volutidae zu den kleineren Arten, einige werden 50 Zentimeter groß. Männchen und Weibchen sind getrenntgeschlechtlich. In jedem Gelee-Ei wachsen mehrere Embryonen heran, die Eihülle ist mit intrakapsulärer Flüssigkeit (intracapsular fluid) gefüllt, einer Mischung aus Proteinen und Zuckern. Diese Schnecke wächst langsam und wird bis zu 20 Jahre alt!
Darum ist sie leider sehr anfällig gegen Überfischung und Umweltverschmutzung wie TBT. Gerade A. brasiliana reagiert sehr empfindlich auf TBT-Verschmutzung, auch diesen Weibchen wächst dann oft ein Imposex. Diese Vermännlichung bedroht natürlich die Fruchtbarkeit und die Reproduktion der Art.
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