Sibirien ist von uns aus betrachtet eher abgelegen und in unseren Nachrichten wenig präsent.
Meistens wird über ökologische Katastrophen berichtet, wie die ausgedehnten Brände in Wald und Tundra, das Abtauen des Permafrosts oder große Unfälle mit toxischen Substanzen. Das sind ohne Frage wichtige Themen.
Die vielen Leckagen in sibirischen Pipelines sind kaum zu zählen und versuchen große Flächen der Tundra. Dazu kommen noch größere Unfälle mit auslaufendem Treibstoff, der in Flüsse und dann in den arktischen Ozean gerät, wie zuletzt im Sommer. Die Berichte über ferne Feuer gewinnen an Eindringlichkeit, wenn man das Video der flüchtenden sibirischen Tierwelt wie einem jungen Leoparden ansieht. Viele der Feuer gehen offenbar auf Brandstiftung zurück und das Ausbleiben schneller Abkühlung im Zuge der Klimakrise sorgt für unkontrollierte Ausbreitung.
Allerdings sorgt gerade die Klimakrise mit dem Abtauen der sibirischen Permafrostböden für einen steten Strom archäologischer und paläontologischer Entdeckungen. Allein schon dafür lohnt es sich, gelegentlich einen Blick in die englischsprachige Sibirian Times zu werfen, vor allem die Bereiche Science und Ecology sind empfehlenswert.
Im Bereich Science finde ich vor allem die Zeugnisse der früheren Besiedlung spannend. Von Neanderthalern aus dem Neolithikum bis zu den Steppenvölkern der Eisenzeit werden dort Aufsehen erregende Funde vorgestellt: die 13-jährige skythische Amazone, die vor 2600 Jahren lebte und mit Köcher und Streitaxt begraben worden war. Oder das 60.000 Jahre alte „Schweizer Taschenmesser“ eines Neanderthalers (Kennt eigentlich jemand den Gary Larson Cartoon, in dem ein Steinzeit-Mensch den anderen seinen Schweizer-Offiziers-Stein vorführt? Ich musste sofort daran denken).
In der Sibirian Times gibt es regelmäßig Neues über historische Steppenvölker wie die geheimnisvollen Skythen oder den Schutz der Sibirischen Tiger.
Oder über den Pleistocene Park – wissenschaftlich begleitetes ökologisches Experiment am Unterlauf des Flusses Kolyma. Dort soll auf einem Areal von etwa 160 Quadratkilometer Fläche wieder eine typische Landschaft des Pleistozän entstehen.
In einem Gehege von etwa 16 Quadratkilometer Fläche leben Megaherbivoren wie Jakuten-Pferde, Rentiere und Elche. Moschusochsen, Europäische Wisente und Altai-Marale (sibirische Wapitis, also Hirsche).
Im Pleistozän-Park soll wieder eine pleistozäne Urlandschaft entstehen. Diese war nach der Megaherbivorenhypothese durch den Verlust von großen Pflanzenfressern verloren gegangen. Die großen Pflanzenfresser, zu denen damals auch Mammut und Auerochse (Ur) gehörten, sollen durch das Roden und Grasen größeren Pflanzenaufwuchs verhindert haben. So blieben die Landschaften offene Weidegebiete, anstatt vom Wald überwuchert zu werden. Die Hypothese ist allerdings umstritten.
Das zweite Ziel der pleistozänen Landschaftsrekonstruktion ist eine Verringerung oder zumindest Verzögerung der Erderwärmung. Die Theorie besagt, dass die Megaherbivoren-Herden im Winter die isolierende Schneedecke zerstören und der Boden dadurch wesentlich stärker auskühlen kann. Außerdem soll die von den großen Pflanzenfressern geschaffene Steppentundra eine ganzjährig wesentlich höhere Albedo (Sonnenlichtrückstrahlung) haben als die Tundra und Taiga, dadurch soll sich der Boden weniger stark aufwärmt (Quelle: Wikipedia: Pleistozän-Park). Der Pleistozän Park-Begründer Sergeij Zimow ist Geophysiker, er hat sein Konzept gegen die Klimaänderung theoretisch sorgfältig durchdacht. Ich bin davon nicht so überzeugt. Ohne Zweifel ist es allerdings ein wirklich interessantes Konzept.
Funfact: Auch die Wiederansiedlung von Mammuts wäre im Pleistocene Park möglich. Sowie es genetisch machbar ist. Auch davon bin ich nicht wirklich überzeugt – dazu mehr im Meertext-Artikel “Mammut 3.0 – Auferstehung in der Arktis“.
ARTE bietet eine Reportage zum Pleistozän Park.
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