Die Burgess Shale ist eines der ältesten überlieferten Ökosysteme der Welt: Der schwarze Schiefer im kanadischen Yoho National Park enthält einen tiefen Einblick in ein wenig bekanntes Kapitel der Erdgeschichte und Fossilien der Extraklasse. Sie sind nicht nur extrem alt, sondern auch extrem gut erhalten, oft sogar mit Weichteilen!
Der schwarze Schiefer dokumentiert das Ende der sogenannten kambrischen Explosion: Vor über 500 Millionen Jahren waren innerhalb von nur 10 Millionen Jahren biomineralisierte feste Schalen und Skelette aufgetreten. Diese haben waren wesentlich besser fossil erhaltungsfähig. Gleichzeitig ist eine ganze Fülle neuer Tiergruppen aufgetreten, von denen wir viele lange gelebt haben oder sogar noch leben: Gliederfüßer (darunter Trilobiten, Spinnentiere, Krebse und später Insekten), Weichtiere, Chordaten (zu denen gehören wir!), Nesseltiere, Brachiopoden und viele andere.
Manche der Fossilien kann man heute existierenden Tiergruppen zuordnen, andere sind den Paläontologen bis heute ein Rätsel, was zu Namen wie Hallucigenia oder Anomalocaris geführt hat. Die Burgess Shale-Faunengesellschaft ist immer noch gut für neue Fossilien, bis heute werden Tiere neu beschrieben.
2013 kam Kooteninchela deppi in den Burgess Shale-Zoo. Kooteninchela ist ein ein entfernter Verwandter unserer heutigen Spinnentiere und hat als herausragendes Merkmal große Scheren. In einer Zeit, in der es noch keine Fische gab, waren er und seine Verwandten Top-Prädatoren. Kooteninchela deppi ist mit seinen vier Zentimetern ein kleines Exemplar – bestenfalls ein Jägerchen. Man darf allerdings davon ausgehen, dass alles, was kleiner war, seinen Scheren nicht entkommen ist. Das Modell der Schere hat sich bei Gliederfüßern jedenfalls bewährt, Krebse und Skorpione nutzen es sehr erfolgreich bis heute.
Kooteninchelas Entdecker David Legg erzählte im Interview, daß er beim Anblick der Scheren sofort an Edward mit den Scherenhänden denken musste: “When I first saw the pair of isolated claws in the fossil records of this species I could not help but think of Edward Scissorhands. Even the genus name, Kootenichela, includes the reference to this film as ‘chela’ is Latin for claws or scissors. In truth, I am also a bit of a Depp fan and so what better way to honour the man than to immortalize him as an ancient creature that once roamed the sea?” – “Als ich das Paar isolierter Scheren zum ersten Mal in diesem Fossil sah, musste ich an Edward mit den Scherenhänden denken. Darum enthält der Gattungsname Kootenichela einen Hinweis auf den Film – chela ist lateinisch für Schere. Außerdem bin ich auch ein bisschen ein Depp-Fan und es gibt keinen besseren Weg, den Mann zu ehren, als ihn als eine alte Kreatur zu verewigen, die einst das Meer durchstreifte.”
Das Fossil mit den Scherenhänden aus einer der schrägsten Fossilfundstellen der Welt paßt wunderbar zu Johnny Depps verschrobenen Film-Charakteren.
Die Fossillagerstätte Burgess Shale ist ein Schwarzschiefer. Die schwarze Farbe deutet auf akuten Sauerstoffmangel am Meeresboden hin. In solchen anoxischen Bereichen sterben Tiere schnell und bleiben dort auch liegen – durch die Sauerstoffarmut werden auch Aasfresser abgehalten. Bestenfalls einige extremophile Organismen wie Bakterien können sich darauf ansiedeln. Die Kadaver werden dann vom Sediment langsam bedeckt oder manchmal auch schnell verschüttet. Dadurch bleiben die Körper ganz oder zumindest in größeren Teilen erhalten, und sogar weiche Teile fossilisieren.
Tipps zum Weiterschmökern und -gucken auf Deutsch und Englisch:
- The Cambrian Explosion and the Burgess Shale
- Prof. Joachim Reitner (Göttingen): Die »Kambrische Explosion« vor 540 Millionen Jahren
- Turning a mudstone into a shale
- Creatures of the Burgess Shale
- Royal Ontario Museum: Overview about Burgess Shale fossil collection
- Mighty Burgess Shale fossil site discovered in Kootenay National Park
Da dieser Adventskalender bis jetzt ja schon sehr interaktiv ist, nehme ich gern über Kommentare weitere Lese- oder Guck-Tipps auf.
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