Wegen der Entdeckung der neuen Walart heute ein verspäteter #CephalopodFriday. Also, extended bis Samstag.
Argonauten sind seit der Antike bekannt, schließlich sind sie auffallende Geschöpfe, wie sie in ihrer papierdünnen Schale unter oder auf der Oberfläche des Mittelmeeres und anderer warmer Meere schweben oder dahinsegeln.
Argonauta ist die einzige Krakengattung mit einer Außenschale – allerdings bilden nur Weibchen diese papierdünne Kalzit-Schale aus, die verzwergten Männchen hingegen nicht. Die spiralige Schale ist durchscheinend dünn, fein gefältelt und nicht gekammert. Die fragile Außenschale ist eine sekundäre Neubildung dieser einzigartigen Krakengattung, es ist nicht mit den Weichteilen verwachsen, sondern muss festgehalten werden. Diese Schale liefert keinen Auftrieb, sondern dient der Krakin als Sammelgefäß für ihr Ei-Gelege mit den darin heranwachsenden Jungtieren. Typisch für Kraken, hüten und bewachen auch Argonauten-Mütter ihren Nachwuchs bis zum Schlüpfen. Danach setzen sich die noch gläsern durchsichtigen Kleinstkraken schnell ins Plankton ab, wo sie Nahrung und Deckung finden.
Anders als bei anderen Kraken löst sich der männliche Begattungsarm Hectocotylus mit der Spermatophore jedoch während des sexuellen Intermezzos vollständig ab und entwickelt ein kurzes Eigenleben „als autonome Bedruchtungseinheit. Das Männchen stirbt wahrscheinlich kurz nach dem Verlust des Hectocotylus. Das Weibchen hat eine wesentlich längere Lebensspanne und kann während dieser von zahlreichen Männchen begattet werden.“
Die Detail des Dahinsegelns der Argonautenmütter mit ihrer schwimmenden Babywiege hatte die französische Meeresbiologin und Aquarien-Pionierin Jeanne Villepreux-Power wissenschaftlich beschrieben, mit Feldforschung und experimentell.
Villepreux-Power (geb. Villepreux, 1794 – 1871) hatte in der in der Schule lediglich Lesen und Schreiben gelernt, mit 18 Jahren wanderte die junge Frau die 400 Kilometer nach Paris, wo sie im Schneiderhandwerk lernen und arbeiten wollte. Innerhalb von nur vier Jahren war sie eine so kunstfertige Stickerin, dass sie das Hochzeitsgewand der sizilianischen Prinzessin Caroline besticken sollte, für die Herat der Dame mit Charles-Ferdinand de Bourbon, einem Neffen von Louis XVIII. und dem künftigen Duc de Berry. Durch diese neuen Kontakte lernte Villepreux-Power ihren Mann, einen schottischen Kaufmann kennen, die beiden zogen nach Messina. Sie hatte sich vorher noch Englisch und Italienisch angeeignet.
Dann lebte sie mit ihrem Mann im sizilianischen Messina, an der Straße von Messina, der Meerenge zwischen dem Tyrrhenischem Meer und der Ionischen See. Diese Meerenge ist wegen ihrer gefährlichen Strömungen unter Seeleuten gefürchtet. Die gleichen starken Strömungen bedeuten aber sauerstoff- und nährstoffreiches Wasser und damit eine artenreiche Meeresfauna. Villepreux-Power arbeitete sich wieder autodidaktisch schnell in die Tierwelt Siziliens ein, die sie beobachtete und beschrieb. Schließlich stieß sie auf die rätselhaften Argonauten. Um herauszufinden, wie diese Tintenfische in ihre Schale kommen, beschloss sie, lebende Exemplare zu beobachten. Dafür konstruierte sie ein gut durchdachtes Wassergehege: vier mal zwei Meter groß und einen Meter tief, sicher verankert und mit einem gläsernen Fenster zum Beobachten versehen. Die Seitenwände waren aus Stäben zusammengesetzt, so dass die Box immer von frischem Meerwasser durchströmt wurde.
Sie beschrieb als erste den extremen Geschlechtsdimorphismus zwischen männlichen und weiblichen Argonauten – die großen schalentragenden Weibchen und die winzigen Männchen. Dann beobachtete sie, dass Argonauten ihre papierdünner Schale verlassen können und Schale und Weichkörper offensichtlich nicht fest verwachsen sind – ganz anders als bei Nautilus.
Allerdings halten die Argonauten ihre Schale immer mit den saugnapfbesetzten Armen fest und geben ihre zerbrechliche Behausung offenbar nie auf.
Andere Tintenfische, die die Forscherin in ihren Wasserkäfig setzte, entkamen schnell, sie konnten problemlos ihre Weichkörpern durch die Gitterstäbe winden. Argonauten hingegen blieben im Käfig – ihre Schalen passten nicht durch die Stäbe und offenbar wollten sie die Schalen nicht verlassen. Junge Papiernautili bauten einmalig eine Schale und behielten diese dann, die Kalkhülle wuchs mit. Anstelle einer schalenbauende Drüse im Mantel, wie alle anderen Weichtiere, hat Argonauta an den Spitzen der beiden Dorsalarme solche Drüsen, aus denen die Kalkschale abgeschieden wird.
Die Naturforscherin experimentiere und fand schließlich heraus, dass Argonauten beim Schalenverlust keine neue Schale bauen konnten, Beschädigungen allerdings reparieren konnte – dazu setzten sie die Drüsen an den Armspitzen ein, wie eine Tube Klebstoff (Scales, 2015).
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