Außerdem hatte Villepreux-Power auch gläserne Gefäße zur Tierbeobachtung in ihrem. Die Meeresbiologie-Pionierin schrieb mehrere Bücher über ihre Beobachtungen und führte eine umfangreiche Korrespondenz mit anderen Wissenschaftlern. Der englische Biologe und Direktor des Londoner Naturkundemuseums Richard Owen nannte sie “Mother of Aquariophily“. Neben ihren bahnbrechenden Tierbeobachtungen und der Entschlüsselung vieler Geheimnisse des Papiernautilus hatte en passant auch noch die damals gerade entstehende Aquaristik revolutioniert.

Auch der Guardian-Artikel Argonauts – the Astronauts oft he Sea ist sehr lesenswert.

Dieses Video “Paper nautilus sighting off California” von Dam Nguyen  zeigt einen Schwarm Argonauten vor der kalifornischen Küste:


Argonauta
– der Jäger
Wie alle Tintenfische ist Argonauta ein Jäger – die langsam dahinschaukelnden oder auch mal schneller mit Rückstoß schwimmenden Kraken erbeuten neben planktischen Schnecken und Fischlarven auch Quallen.
Thomas Heeger, Uwe Piatkowski und Heino Moller beschrieben 1992 bei einer Expedition nahe der Insel Bohol Island (Philippinen)  beim Tauchen dicht unter der Meeresoberfläche Quallen sammelten und dabei eine weibliche Argonauta beobachteten. Der Oktopus hatte eine Schale von 96 mm Durchmesser und saß auf einer Meduse. Der Schirm der Phyllorhiza punctata war ebenfalls klein – 92 mm im Durchmesser. Nach einer längeren Beobachtung im Freiwasser sammelten die Biologen das ungewöhnliche Gespann ein und brachten es in ein Aquarium. Die Argonauta honorierte die Störung mit einer Tintenwolke und verließ die Meduse. Sie wurde danach wieder zurück ins Meer gesetzt. Die Qualle aber war verletzt, der Oktopus hatte sie angefressen, sie pulsierte schnell, mit 50 Kontraktionen per Minute.
Die genauere Untersuchung ergab, dass die Qualle am äußeren Schirm und im Schirmzentrum Oktopus-Bißwunden erlitten hatte. Argonauta befällt oder „kapert“ die Qualle und beißt sich dann durch: Der Kopffüßer hält mit den Saugnäpfen der Tentakel die Schirm-Oberseite fest und frißt dann als Erstes Teile der Schirm-Gallerte. Danach beißt er sich bis zum Quallenmagen durch. Dann benutzt Argonauta die effektiv arbeitenden Mundarme der Meduse, um sich Plankton zu fischen.

Jules Vernes Argonauten
Der griechische Philosoph Aristoteles hatte die Papierboote korrekt als Kraken erkannt (πολύπους ‚polypous‘) und nannte sie ‚nautilos‘, poetisch abgeleitet vom griechischen Wort ‚nautes‘ für ‚Seemann‘. Allerdings hat er wohl auch die Legende in die Welt gesetzt, dass diese Kopffüßer die Häute ihrer Dorsalarme als Segel für das Segeln an der an der Meeresoberfläche einsetzen, was absolut nicht richtig ist (Wikipedia Argonauta).

Eine Flotte des Papiernautilus hat in Jules Vernes 20.000 Meilen unter den Meeren eine eigene Abbildung bekommen – das aufgetauchte Tauchboot Nautilus fährt durch einen Schwarm dieser papierdünnen Meereswunder hindurch, wo der Pariser Meeresbiologe Prof. Pierre Aronnax, sein Diener Conseil und der Wal-Harpunier Ned Land das Spektakel fasziniert verfolgen. Verne ordnet mit der Stimme Conseils die Tiere nach dem damaligen Stand systematisch korrekt ein: nicht als Nautilus, sondern den Tintenfischen zugehörig. Obwohl er sie mit acht Tentakeln korrekt beschreibt, steckt er sie dann fälschlich in eine eigene Gruppe neben den Kalmaren und Sepien, die zehn Arme haben. Das wusste Aristoteles bereits besser. Weiterhin erzählen sich Vernes Protagonisten eine ganze Reihe der anatomischen Details, die Abbildung greift dann aber auf die Vorstellung des Aristoteles zurück: Die Kopffüßer haben ihre beiden Dorsalarme hoch erhoben und die zwischen den Armen liegenden Häute wie Segel aufgespannt.
So manieriert sind die Tentakeltier-Weibchen in Wahrheit nicht, vielmehr halten sie mit den beiden Armen die Schalen fest, die Armhäute sind über die Schale gespannt.

Aristoteles` Argonauten-Beschreibung inklusive des Philosophen-Seemannsgarns waren bis ins 19. Jahrhundert hinein in Zoologie-Büchern zu finden, Jeanne Villepreux-Powers wissenschaftlich exakte Beschreibungen mussten sich erst langsam durchsetzen. Da sie eine Frau war, wurden ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse  vielfach erst einmal ignoriert worden – so auch von Jules Verne.

 

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Kommentare (9)

  1. #1 gedankenknick
    11. Dezember 2020

    Sehr informativer Artikel zu einer Spezies, die ich bisher überhaupt nicht kannte.

    Und auch noch reanuell geschrieben, da heute ja erst der 11.12.2020 ist. 😉

    Dafür führt der Link zum Artikel “11.12.: Neue Schnabelwalart entdeckt – Mesoplodon x?” ins Leere. Ich habe den Verdacht, da will jemand die zeitliche Abfolge zu Weihnachten doch etwas durcheinander bringen. 😛

    Nichts für ungut, ich freu mich auf morgen!

  2. #2 Bettina Wurche
    11. Dezember 2020

    @gedankenknick: So sorry: Dieser Kalenderbeitrag war für morgen, den 12.12. geplant. Ich habe ihn versehentlich zu früh freigeschaltet. Aber ich lasse ihn jetzt einfach so stehen. Der Schnabelwal sollte aber aufrufbar sein.

  3. #3 Bettina Wurche
    11. Dezember 2020

    @gedankenknick: Jetzt habe ich es ausprobiert und bekomme vom Artikel nur den Teaser angezeigt, aufrufen lässt er sich im Frontend nicht. Im Backend scheint aber alles o. k. zu sein. Ich versuche mal herauszufinden, woran das liegen könnte.

  4. #4 Bettina Wurche
    11. Dezember 2020

    @gedankenknick: Jetzt sollte es gehen.

  5. #5 gedankenknick
    11. Dezember 2020

    Mich bitte nicht falsch verstehen. Ich habe eine Zeit lang selber geblogged und weiß, wie zeitintensiv und anstrengend dies sein kann. Meine Bemerkung sollte drei Dinge:
    – (ein wenig) lustig sein
    – auf das Problem an sich hinweisen
    – betonen, dass die Reihenfolge für mich gar nicht wichtig ist. (Wegen meiner darfs auch gerne in umgekehrter Reihenfolge oder durcheinander sein.)

    Ich nutze hier das kostenfreies Angebot eines Menschen, der sich viel Mühe gibt und Zeit und Anstrengung in diesen Blog investiert. Dafür einfach mal ein Danke!, welches wirklich von Herzen kommt.

  6. #6 Bettina Wurche
    11. Dezember 2020

    @gedankenknick: Vielen lieben Dank für Deine Worte!!! Ja, wenn man selbst bloggt und sonstwie schreibt, sieht man vieles aus einer anderen Perspektive. Ich hatte Deine Bemerkung auch so aufgefasst, nur konstruktiv. Geärgert habe ich mich nur über mich selbst.

  7. #7 RPGNo1
    11. Dezember 2020

    @gedankenknick

    Das ist die Meertext-Variant des Zukunftsschweinelager. 😉

  8. #8 Jochen
    20. Dezember 2020

    Eine faszinierende Frau, ich habe vorher noch nie von ihr gehört.
    Für diesen Artikel sowie für die vielen weiteren spannenden Artikel vielen Dank!

  9. #9 Bettina Wurche
    20. Dezember 2020

    @Jochen: Danke! Ich habe sie auch relativ spät “entdeckt” und war dann völlig fasziniert von dieser Geschichte.