Hypothese 1: Pottwale lauern bewegungslos in der Tiefe
Der Walfänger-Schiffsarzt Beale hatte 1839 die erste Monographie über Pottwale geschrieben: „THE NATURAL HISTORY OF THE SPERM WHALE“.
Er hatte die Vorstellung der Walfänger übernommen, der Pottwal würde mit seinem hell pigmentierten Unterkiefer die Tintenfische anlocken und sie dann verschlingen. Die Walfänger wussten von dieser hellen Pigmentierung und auch, dass Pottwale nahezu senkrecht ab- und an nahezu der gleichen Stelle auch wieder auftauchen. Daraus folgerten sie, dass der Wal sich in der Tiefe nicht bewegt, sondern vielmehr bewegungslos lauert. Der britische Tintenfisch- und Pottwalexperte Malcolm Clark hatte diese Hypothese weiterentwickelt und eine komplizierte Theorie zum Auftrieb des Pottwals konstruiert, bei dem die Zu- und Ableitung von Seewasser in den Nasengängen aktiv den Auftrieb des Wals regeln sollte.
Diese Hypothese ist mittlerweile widerlegt. Clarke hatte tote Pottwale aus dem Walfang untersucht, deren Nasengänge offenbar nach dem Tod teilweise Seewasser enthielten. Beim lebenden Pottwal befindet sich kein Seewasser in den Laut produzierenden Nasengängen, die Schalleitung würde damit nicht funktionieren.

Amano und Yoshioko haben mit Hilfe von Kameras am Wal und mit Datenloggern 2003 nachgewiesen, dass Pottwale aktive Jäger sind. Beschleunigungsmesser hatten schnelle Kopfbewegungen von 3 Metern pro Sekunde mit Bildern von Tintenwolken und Tentakelfetzen korreliert. Auch wenn die Nahrungsaufnahme selbst nicht zu sehen war, war doch klar, dass die schnellen Kopfbewegungen in direktem  Kontext mit dem Fressen stehen müssen (Amano M, Yoshioka M (2003) Sperm whale diving behavior monitored using a suction-cup-attached TDR tag. Mar Ecol Prog Ser 258: 291–295. doi: 10.3354/meps258291).
Auch die neuen Daten von Fais et al bestätigen, dass die Pottwale aktive Jäger sind: Sie bewegen sich mit 1 bis 2,5 Metern pro Sekunde, in der Endphase der Jagd machen sie regelrechte Vorstöße auf die Beute.

Hypothese 2: Pottwale drehen sich auf den Rücken, um die Silhouette der Beute zu sehen und jagen dann auf Sicht
Fristrup und Harbison hatten 2002 die Hypothese aufgestellt, dass Pottwale sich in der Endphase der Jagd in einer seitlichen Rollbewegung auf den Rücken drehen, um den Tintenfisch über sich gegen das von der Meeresoberfläche einfallende Restlicht visuell zu erkennen. Sie meinten, dass der Wal mit dem großen Kopf und den seitlich stehenden Augen so zu einem Stereobild der Weichtiersilhouette kommen würde.

Diese Rollbewegung hat sich durch die Daten von Fais et al nicht bestätigt. Die Wale haben zwar beim Annähern an die Beute ihre Position im Wasser verändert, aber sie haben sich nicht immer auf den Rücken gerollt, um die Beute-Silhouette gegen das Restlicht der Oberfläche wahrnehmen zu nehmen. Stattdessen haben sie sich oft nur leicht schräg geneigt, unabhängig davon, in welcher Tiefe der Wal jagte und somit unabhängig vom vorhandenen Restlicht. Diese Bewegung könnte dazu dienen, um den Sonarstrahl in der Endphase der Jagd noch gezielter auf die Beute zu richten.
Außerdem stießen die Pottwale sowohl von unten nach oben als auch von oben nach unten auf die Beute zu, was auch gegen die visuelle Jagd spricht.

Im Verlauf der Pottwal-Jagd ist zu hören, dass der Wal zum Ende der Jagd hin seine Ortungsklicks intensiviert (Buzzing) und gleichzeitig seine Bewegung beschleunigt. Beim Buzzing sendet der Wal schnelle Folgen von Klicks mit sehr kurzen Zeitintervallen – im letzten Abschnitt braucht der Wal ein besonders hoch aufgelöstes akustisches Bild. Die Beschleunigung über mehrere Meter hinweg ist ein den „Endspurt“ zum Zielobjekt.

Hypothese 3: Pottwale betäuben Kalmare mit besonders lauten Schallstößen
Norris und Harvey hatten 1972 die Pottwalnase als Schallkanone beschrieben. Die Wale sollten mit ihrem leistungsstarken Sonar ihre Beute nicht nur finden, sondern sie auch über besonders laute Klicks betäuben. Immerhin können Pottwale Laute mit einem Schalldruckpegel von bis zu 236 dB produzieren (ein Düsenjäger soll nur bis zu 130 dB erreichen), wie Mohl et al beim Studium der Pottwale im Bleiks Canyon herausfand (Mehr über die Pottwale im Bleiks Canyon gibt es hier und hier. Manche von ihnen kenne ich persönlich, wie Glen – Pm 10).

1 / 2 / 3

Kommentare (4)

  1. #1 rolak
    16. Dezember 2020

    Der SoundBlaster war mir nie so recht geheuer, angenehm, daß er vom Tisch ist… Blö­der­weise scheint mir diese Erleichterung geschlagene vier Jahre lang entgangen zu sein^^

    Die Vorbereitung und Umsetzung des taggings entziehen sich meiner Phantasie, die liefert bloß ‘reichlich kompliziert und aufwendig’ in äußerst detailarm. Da es allerdings draußen kalt und regnerisch ist, wird sich mir gleich beim Einkaufen eventuell der Hauch einer Ahnung eröffnen ;•)

    ~·~
    ^^diese Wimpern .. diese Wimpern!

  2. #2 Bettina Wurche
    16. Dezember 2020

    @rolak: So wird der dtag befestigt:
    https://www.eurekalert.org/pub_releases/2016-06/uosd-wdt062916.php

    Vor den Azoren mag das locker aussehen – warmes Meer und kleiner Wal. Vor den Vesteralen im Europäischen Nordpolarmeer und mit den großen Bullen ist das eine andere Nummer.

  3. #3 rolak
    16. Dezember 2020

    So wird der dtag befestigt

    Ach beim Ausmalen technischer Lösungen hakte es kaum, aber trotzdem danke für diese schicke AntiAngel. Doch (auch wg ‘Kameras am Wal’) das Ausmaß des insgesamt zu Durch­planenden, -arbeitenden, -schwitz/frierenden entzieht sich mir.

  4. #4 Bettina Wurche
    16. Dezember 2020

    olak: Ja, da sind Jahre und Jahrzenhte der Vorplanung und des Ausprobierens vorangegangen. Die tauschen sich ja weltweit aus und müssen dann schauen, was für ihre Zielspezies in dem jeweiligen Zielgebiet klappen könnte.