Warum grinsen Eismumien?
Eismumien sind natürlich entstandene Mumien aus arktischen und antarktischen Regionen, rezent oder aus den Eiszeiten stammend. In Eis und Schnee verendete Tiere und Menschen gefrieren, bevor sie verwesen können. Ein eisiges Grab schützt die Leichen meist auch vor Tierfraß.
Kalte Temperaturen entziehen dem Körper die Flüssigkeit und trocknen ihn extrem stark aus, kalte Klimata wirken also sehr ähnlich wie Wüstenklimata.
Durch die Trocknungsprozesse schrumpfen die Weichteile, unter anderem ziehen sich die Lippen durch Schrumpfung von den Zähnen zurück. So entsteht auch bei Eismumien durch die gebleckten Zähne das typische „Grinsen“, sowohl bei Menschen als auch bei Tieren. Allerdings ist es wegen der unterschiedlich dichten Behaarung des Gesichts nicht immer erkennbar.
Permafrost-Leichen sind für die Forschung extreme Datenschätze: DNA, Weichgewebe wie Muskeln, innere Organe, Mageninhalte und Kot, manchmal sogar Blut und Urin. Form und Farbe der Weichgewebe und des Körpers sowie des Fells. Oft lässt sich vieles der Lebens- und Todesumstände rekonstruieren. Das umgebende Sediment enthält meist noch weitere zusätzliche Information wie Pflanzen, Pollen und mehr für eine weitgehende Rekonstruktion des Lebensraums und Klimas.
Allerdings ist auch Vorsicht geboten: Eismumien tragen auch Parasiten und Bakterien. Mikroorganismen können nach dem Auftauen durchaus wieder aktiv werden: Dann kann schnell die Verwesung einsetzen.
Schlimmstenfalls droht zumindest theoretisch eine Ansteckungsgefahr: 2007 hatten WissenschaftlerInnen in der 50.000 Jahre alten Mammut-Permafrost-Mumie „Khroma“ Anthrax-Erreger und Pneumokokken gefunden – die Verursacher von Milzbrand und Lungenentzündung.
Darum, so schreibt Darren Naish in seinem Scientific American-Artikel über Mumien aus Gletschern und Permafrost, wurde dieser “Khroma” mit einer starken Dosis Röntgenstrahlen sterilisiert.
Wollhaar-Nashorn
Ende Dezember 2020 berichtete die Sibirian Times über einen weiteren zotteligen Fund: das besterhaltene Wollhaar-Nashorn-Jungtier in ganz Jakutien. Alexei Savvin, der in der Gegend lebt, hatte die Eismumie bereits Mitte August in Permafrost-Ablagerungen des Flusses Tirekhtyakh im Abyisky ulus-Distrikt der Republik Sacha entdeckt.
Fell, Zähne, große Teile der inneren Organe, Fett und andere Weichgewebe wie Teile des Darms sind im Permafrost perfekt tiefgekühlt worden und geben jetzt Aufschluß über das Leben und vielleicht auch das Sterben des wuscheligen Nashorns. Das tiefgekühlte Gewebe ermöglicht eine ganze Reihe moderner Untersuchungen, etwa die Blut- und Genomanalyse, die Rekonstruktion der Ernährung, die genaue Datierung und vieles andere mehr.
Das Nashorn war im Alter von drei bis vier Jahren verstorben, Dr. Valery Plotnikov der Russischen Akademie der Wissenschaften vermutet, dass es von seiner Mutter getrennt wurde und wahrscheinlich ertrunken ist. Den Todeszeitpunkt schätzen die Paläontologen bislang auf 20.000 bis 50.000 Jahre, das noch ausstehende Ergebnis der Radiokarbon-Datierung wird das präzisieren. Im Fundzusammenhang mit dem Eiszeit-Nashorn gibt es, wie bei allen Eismumien, genügend organische Materie für eine solche genaue Datierung.
Das dicke lange Fell war haselnußfarben, die Unterwolle kurz und dicht. Auch wenn die Dicke dieser Wolle nicht überraschend ist, waren die Forscher doch begeistert, jetzt einen eiszeitlichen Original-Flausch vor sich zu haben. Bis dahin war das Fell von Wollhaar-Nashörnern nämlich nur aus französischen Höhlenmalereien überliefert.
Dieser Film zeigt die Fundsituation des auftauenden Rhinos:
Das einzige andere bislang entdeckte Wollhaarnashorn war ganz in der Nähe gefunden worden, „Sascha“ war vor 34.000 Jahren im Alter sieben Monaten verstorben. Die Tirekhtyakh-Ufer waren offenbar ein oft genutzter Trail für Wollhaar-Nashörner und andere eiszeitliche Bewohner der Gegend.
Eiszeit-Lemming
Neben der eiszeitlichen Megafauna waren die eiszeitlichen Tundren natürlich auch von Minifauna bevölkert, wie etwa Lemmingen.
Die Schülerin Angelina Sadovnikova hatte den ältesten erhaltenen Lemming der Welt gefunden. Der kleine pleistozäne Nager lag in einer Höhlung, die mutmaßlich vom geschwungenen Riesenzahn eines Wollhaar-Mammuts stammte.
Die Schülerin war mit ihrer Mutter unterwegs am Ufer des sibirischen Flusses Tirekhtyakh, in der Region Jakutien (Heute: Teil-Republik Sacha oder Sakha), auf der Höhe des Polarkreises, als sie die kleine Eismumie entdeckte. Sie sammelte ihren Fund auf und brachte ihn zum örtlichen Historiker und Archäologen Prokopyi Nogovitsyn, der dann die Biologie-Professoren Nikita Solomonov und Vyacheslav Rozhnov informierte.
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