Wer vor einem der ehrfurchtgebietende Dinosaurier-Skelette eines T-Rex steht, ist erst einmal mit ehrfürchtigem Staunen über die schiere Größe beschäftigt. Spätestens nach einem Blick auf die Zähne ist man im Mesozoikum angekommen – aus der Perspektive der Beute.
Die Frage, wie es am anderen Ende des Dinosauriers zu Lebzeiten ausgesehen haben könnte, kommt meist erst viel später oder gar nicht. Wie Riley Black in seinem amüsanten Blog-Artikel  “We Finally Know What a Dinosaur’s Butthole Looks Like” dazu schreibt, wird dieses Detail auch bei Modellen und Skulpturen von Dinosauriern oft ausgelassen und suggeriert den schrecklichen Echsen eine schreckliche Verstopfung.
Wobei sich doch gerade diese Pflanzenfresser in ihrer fruchtbaren Flußlandschaft sehr ballaststoffreich ernährt haben dürften.

Wikipedia: Psittacosaurus (Robert Nicholls – 3D Camouflage in an Ornithischian Dinosaur, Current Biology (2016), https://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2016.06.065; Model of Psittacosaurus Based on Skin and Pigmentation Patterns on SMF R 4970 Left lateral view (A), posterior view (B), right lateral view (C), and anterior view (D).)

Glücklicherweise sind von manchen Dinosauriern nicht nur Skelette überliefert, sondern in seltenen Fällen auch die fossilisierten Weichteile. So wissen wir heute nicht nur, dass viele Dinos sich mit Federn oder Borsten schmückten, sondern auch, wie ihre Haut aufgebaut und gefärbt war: Einige der zentralasiatischen Psittacosaurier hatten attraktive Schwanzborsten und eine bräunliche Haut, auf dem Rücken war die Färbung dunkler als auf dem Bauch. Das war so zu erwarten, ist aber in einer vorliegenden Weichteilerhaltung doch noch einmal beeindruckend.

Jetzt gerade sorgen neue, vorab veröffentlichte  Forschungsresultate für Aufsehen: Bei einem der Psittacosaurier ließ sich die Öffnung des Darmausgangs rekonstruieren – das hundegroße Reptil hatte eine Kloake! (Dinosaur butt ist das Stichwort in der internationalen Presse)

Ghedoghedo – Eigenes Werk Wikipedia: Psittacosaurus mongoliensis (Fossil of Psittacosaurus, an extinct ceratopsian- Took the photo at Senckenberg Museum of Frankfurt)

Dass Dinosaurier wie ihre nahen Verwandten, die Vögel und Krokodile, aller Wahrscheinlichkeit nach eine Kloake gehabt haben müssen, in der Darmausgang, Harnröhren Ende und Geschlechtsöffnung in einen gemeinsamen Hohlraum enden, sondern war zu erwarten – der geniale Wirbeltier-Paläontologe Alfred Romer hatte das vor über 70 Jahren so vorausgesagt. Jetzt den Nachweis dafür zu haben, ist allerdings noch einmal eine andere Nummer.

Ein Paläontologen-Team um Phil R. Bell hatte einen der exzellent erhaltenen Psittacosaurier aus der chinesischen Jehol-Gruppe unter UV-Licht noch einmal ganz genau angeschaut: die feinen Seesedimente dieser Fundstelle hatten bei Exemplar SMF R 694970 aus der frühen Kreide am Hinterteil des kleinen Vogelbecken-Dinos in Haut- und Schuppenerhaltung bewahrt. (SMF steht für Senckenberg-Museum, Frankfurt – dort ist auch ein Psittacosaurier mit seinem Bürstenschwanz in der Ausstellung präsentiert).

Blick unter den Dino-Schwanz

Anhand des Sitzbeins und der Schwanzwirbel konnten die Paläontologen den Bereich zwischen Abdomen und Schwanz lokalisieren, dort im UV-Licht gezielt nach Auffälligkeiten suchen und so die Kloake identifizieren (ausgezeichnete Abbildungen der Aufnahmen im UV-Licht sind in der Original-Arbeit, das pdf ist open source).
Der Bereich ist eiförmig und schwärzlich gesprenkelt. Auf Abbildung 4 sind mit bloßem Auge die dunklen Flecken zu sehen, wie eine Reihe von dunklen geschichteten Bändern. Sie verlaufen zwischen Schwanzansatz und den Hüftknochen und heben sich deutlich von der umliegenden Haut ab. Diese Strukturen interpretieren Bell und seine Kollegen als die Schuppen am Rand der senkrecht stehenden Kloakenöffnung.

So eine Kloake ist ein Hohlraum, in den der Darm und die Harnröhre sowie teilweise die Geschlechtsprodukte (Eier, manchmal auch Sperma) entleert werden, alle diese geheimnisvollen Organe haben dann eine einzige gemeinsame Außenöffnung. Auch die innere Befruchtung erfolgt über die Kloake – der entsprechende Balanceakt ist bei Vögeln am einfachsten zu beobachten. Vögel haben keinen Schuppensaum, sondern nur weiches Gewebe.
Bei Vögeln ist die Kloakenöffnung im Gefieder verborgen und höchstens beim Ablegen eines Eis zu sehen. Auch die Penisstrukturen, die manche Vogelarten ausbilden, sind nur im erigierten Zustand sichtbar und sonst im Gefieder verborgen (Bei Straußen ist der Penis übrigens deutlich größer als das Hirn, auch das ist im Senckenberg-Museum zu besichtigen:  in der Ausstellung “Sammlungswelten”).
Bei Krokodilen sind die senkrechte, schuppengesäumte Kloakenöffnung und der Hemipenis bzw. die Hemiklitoris natürlich offen sichtbar. Die schuppengesäumte Öffnung sieht fast wie ein umsticktes Knopfloch aus – dieser National Geographic-Artikel bietet ausgezeichnete Photos dazu.

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Kommentare (9)

  1. #1 Aginor
    22. Januar 2021

    Interessanter Artikel!
    Mehr als ich je erwartet hatte über Dino-Popos zu lesen.

    Bei dem fun fact über den Strauß musste ich sehr lachen! 😀

    Gruß
    Aginor

  2. #2 RPGNo1
    22. Januar 2021

    “Das Ende der Dinosaurier”

    Ich wäre fast darauf reingefallen (K-P-Grenze und so). Wenn ich dann doch nicht den zweiten Teil der Überschrift auch gelesen hätte.

    “eine Kloake mit senkrechter Anus-Öffnung”

    😀

    Übrigens: In Südamerika wurde der vermutlich größte Saurier aller Zeiten genauer analysiert.

    Dem Paläontologen des Museums von La Plata nach war der 2017 gefundene Titanosaurus rund 40 Meter lang und wog rund 70 Tonnen, etwa so viel wie zehn Elefanten.

    https://www.zeit.de/wissen/2021-01/dinosaurier-knochen-argentinien-rekord-groesse-sauropode

  3. #3 Bettina Wurche
    22. Januar 2021

    @RPGNo1: Ja, das hatte ich gesehen . Diese südamerikanischen Funde sind einfach irre. Was für einen Stoffwechseln und belastbares Skelett muss so ein Gigant für das Landleben gehabt haben? Ich war übrigens bei unserem Besuch in Santiago de Chile total enttäuscht, dass in dr Hauptstadt keine Dinos im Naturkundemususeum waren. Die hätte ich gern mal selbst angeschaut

  4. #4 Bettina Wurche
    22. Januar 2021

    @Aginor: Du hättest mal mein Gesicht sehen sollen, als ich zum ersten Mal einen Straßenpenis im Glas gesehen habe : )

  5. #5 Jolly
    22. Januar 2021

    Sehr gut geschrieben, danke.

    Ein Thema, das sich fast unerklärlicherweise meiner Aufmerksamkeit bisher entzogen hatte und, wie soll ich sagen, mir eigentlich auch komplett am Anus vorbeigehen könnte. Jetzt habe ich, trotz anfänglicher Bedenken, diesem kurz etwas Zeit gewidmet und kann sagen, ich habe es nicht bereut.

    Eine Recherche im Internet hat mir, wenig überraschend, gleich weitere interessante Theorien zur Kenntnis gebracht, die in engem Zusammenhang stehen.

    [Wissenschaftler] versuchen das Sexualverhalten der Dinos logisch abzuleiten. […]

    Jeder Stoß [eines Seismosauriers] soll etwa eine Kraft von 4800 Tonnen gehabt haben. Das alle 7 Sekunden – macht 2200 kWh. Diese Energie soll sich zum Teil in Lautstärke geäußert haben und ohrenbetäubend gewesen sein. Alle kleinen Dinosaurier im Umkreis von 100 Metern sollen während dieses Aktes tot umgefallen sein.

    (Quelle)

    Auf diese Art und Weise mag dann also der ein oder andere mittlerweile wieder aufgetauchte Psittacosaurier seinen Tod gefunden haben.

  6. #6 LasurCyan
    22. Januar 2021

    Beim Überfliegen des Titels kam mir das ‘Ende’ rüber wie das Aussterben (weil es hinten nach unten ging), aber nach dem Lesen des spannenden Artikels, war es dann doch klar, dass es darum nicht ging. Dankeschön!

  7. #7 Bettina Wurche
    22. Januar 2021

    @LasurCyan: Mir war einfach mal nach einem Wortwitz : )

  8. #8 Bettina Wurche
    22. Januar 2021

    @Jolly: Danke für den Link – ich finde dieses Postulat etwas dünn und nicht so recht überzeugend. Bei Vögeln ist die Kopulation oft extrem kurz. Alle möglichen Tiergruppen haben Legeröhren und Penisstrukturen entwickelt, das würde ich bei verschiedenen Sauriern auch erwarten; je nach Gruppe und Größe unterschiedlich und angepaßt an die spezifischen Bedürfnisse. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das so ein tödlicher Rundumschlag gewesen sein soll; das wäre evolutiv nicht erklärbar. Hoffentlich erlebe ich noch, dass Licht in dieses dunkle Kapitel kommt : )

  9. #9 gedankenknick
    25. Januar 2021

    @Jolly und @BettinaWurche

    Jeder Stoß [eines Seismosauriers] soll etwa eine Kraft von 4800 Tonnen gehabt haben. Das alle 7 Sekunden – macht 2200 kWh.

    Also entweder ist das falsch zitiert, oder falsch verstanden. Hört sich für mich wie ein Aprillscherz an. Insebsondere, wenn der “Seismosaurier” kleinere Dinos durch Geräusche tötet, insbesondere durch Geräusche bei der Kopulation.

    Problem a): “Eine Kraft von 4.800t.” Einerseits sollte man physikalisch eine Kraft nicht in einer Masseneinheit messen, denn Kraft ist Masse mal Beschleunigung. Zudem soll da eine Kraft aufgebracht werden, die fast das 50-fache des Eigengewichts solch eines Tieres entspricht. Bei einer Ameise lasse ich mich da ja überzeugen, aber da die Kraft mit dem Muskelquerschnitt wächst (also im Quadrat), die Muskelmasse aber im selben Verhältnis mit dem Volumen zunimmt (also im Kubik), glaube ich nicht an solch ein Kräfteverhältnis. Genau deswegen sind Ameisen im Verhältnis zur Körpergröße so viel stärker als Elefanten.

    Problem b) Hinzu kommt, dass bei großen Säugetieren der Paarungsakt mit zunehmender Größe eher unspektakulärer wird. Wenn ein Hengst noch heftig stößt (auch wenn die Nummer meist recht schnell vorbei ist), nutzt ein Elefantenbulle sein Glied schon eher wie ein Endoskop (tasten und die richtige Stelle finden), und bei Buckelwalen (meine ich mal gelesen zu haben) wird es schon so kompliziert, dass zwei Männchen um ein Weibchen kämpfen, und der Verlierer muss den Kamasutra-Unterstützungspartner für den Gewinner abgeben, damit die Paarung überhaupt erfolgreich verlaufen kann. Um physiologische Schäden bei allen Beteiligten zu vermeiden, kann ich mir nur herleiten, dass solch große Landlebewesen sehr vorsichtig und langsam korpuliert haben, zumal sie Angriffe durch Predatoren dabei schon aufgrund ihrer schieren Größe kaum fürchten mussten.

    Problem c) Und dann die Sache mit dem Schall. Also wirklich, das Militär hat Schallkanonen zur Genüge getestet, unter anderem um Bunker zu beschädigen. Wenn man Lautstärke in Luft-Umgebung gegen Wirbeltiere einsetzt, muss das sehr extreme Werte erreichen, um Schäden (oberhalb von Knalltraumata im Gehör) zu erreichen. Normalerweise werden solche Waffen – wenn überhaupt – zur psychologischen Kriegführung eingesetz, um entweder (durch sehr unangenehme Töne) Ansammlungen zu zerstreuen via Fluchtreflex, oder Einzelwesen mit Blend- und Kanllwirkung kurzzeitig orientierungslos zu bekommen (Blendgranate). Wenn beim ersten “Stoß” alle Kleinlebewesen tot umfallen würden, wäre von der Heckpartie des Weibchens auch nichts mehr übrig. [Unter Wasser sieht die Sache schon wesentlich anders aus, da dort die Energieübertragung des Schalls durch das schalldichtere Übertragungsmedium Wasser viel größer ist. Deswegen braucht man auch ne Gleitgelschicht zwischen Haut und Schallkopf, wenn man mittels Ultraschall z.B. Nierensteine zertrümmern will. Und deswegen findet man in SF-Literatur auch keine Schallkanone an Raumschiffen.]

    Zuletzt noch mal die Leistung des Männchens betrachtet: Wie unsinnig die ganze Berechnung ist, sieht man auch bei der Leistungsberechnung. 2.200kWh – oder 2,2MWh – das entspicht ca. 7.900MJ oder 1.800.000kcal. Jeder, der mal abnehmen wollte, sollte sich 1,8kcal Essens-Energiewert in “Salat-Einheiten” anschauen, und überlegen, was ein oben beschriebener Sexualakt an Pflanzenmaterial als Energiegrundlage verbrauchen würde. Zumal Pflanzenfresser für ihren nicht gerade super effizienten Verdauungsapparat zur Energiegewinnung bekannt sind. Da hätte es keine Apokalypsen-Katastrophe gebraucht, um die Dinosaurer aussterben zu lassen, der Versuch der Fortpflanzug hätte gereicht, um alle Männchen vor Erschöpfung ins Gras zu beißen.

    Diese “Theorie” hätte m.E. vom Postillion stammen können. 😉