Um 2008 begann Nico Michels, ein Meeresforscher an der Universität Tübingen, am ägyptischen Roten Meer die Suche nach fluoreszierenden Fischen und war äußerst überrascht von dem überwältigenden Bild. Fluoreszierende Fische sind im gesamten Stammbaum zu finden, von Haien und Stachelrochen über Schollen und Schleimfische bis zu Seepferdchen. Damit begann die systematische Erforschung dieser schillernden Forschungsfrage.
Dabei kam heraus: Viele Fische tragen individuelle Farbmuster etwa im Gesicht, die teils nur mit UV-Licht wahrzunehmen sind. Scales hat das Verhalten von Rifffischen erforscht und dabei einen Photo-ID-Katalog mit den Mustern der Fischgesichter angelegt. So konnte sie das Verhalten der einzelnen Individuen und ihre Interaktionen miteinander genau zuordnen.
Scales benutzte dafür bei ihrem Tauchgang die UV-Lampe und verwandelt wie mit einem Zauberstab durch das blaue Licht ein Riff und seine Bewohner in eine märchenhafte Landschaft: „eine winzige Meeresschnecken gleitet auf einem erbsengrünen Fuß dahin und zieht eine scharlachrote Häuschenspirale mit. Eine einzelne Seeanemone, so groß wie meine ausgestreckte Hand, wallt mit leuchtend gelben Tentakeln durchs Wasser; als würde sie sich die Finger lecken, wird Tentakel für Tentakel von der Mitte eingezogen. Nur um sicherzugehen, dass ich nicht träume, schalte ich einen Moment mein weißes Licht an und schicke das Korallenriff in die Normalität zurück. Dann nehme ich wieder Blau und falle erneut in Alices Kaninchenbau.“
Hier ist ein Video zum Einsatz von UV-Licht an einem Korallenriff. Es stammt nicht von Helen Scales, sondern vom Smithsonian:
Kugelfisch und Zombierausch
Ihr umfangreiches Fachwissen verwebt sie mit einem Schatz an herrlichen Anekdoten, in denen u. a. auch die berühmte Haiforscherin und Meeresbiologie-Pionierin Eugenie Clarke auftaucht. Clark kartierte als junge Biologin, bevor sie sich auf Haie spezialisierte, auf einigen abgelegenen Inseln wie der Insel Guam giftige Fische. Extrem schwach dosiert töten diese Gifte meist nicht, sondern berauschen. Das erklärten ihr einige einheimische Fischer auch am Kaninchenfisch: den größten Teil des Jahres könne man diesen vollkommen bedenkenlos essen. Nur von Oktober bis Januar werde man davon schläfrig, zornig oder müsse furchtbar lachen. Dann wüchsen nämlich in der Bucht bestimmte Algen, die die Kaninchenfische beim Fressen in ihrem Körper anreichern. Beim Verzehr würden die Gifte dann an die Menschen weitergeben. Fischgifte können also nicht nur Schmerzen verursachen oder töten, sondern auch halluzinogen oder berauschend wirken. So ist die giftige Goldstrieme als Traumfisch bekannt und wurde angeblich in der Antike von den Römern als Partydroge eingesetzt. (Dass sich auch jugendliche Delphine offenbar am Kugelfisch- TTX berauschen und dafür einen Kugelfisch wie einen Joint herumreichen, hatte ich hier beschrieben.)
Der Kugelfisch bekommt dann noch ein eigenes Kapitel unter der Überschrift „Kugelfische und Untote“. In den 1980-erer Jahren sorgten getrocknete, pulverisierte Kugelfisch-Extrakte für eine Debatte über Mythos und Realität von Zombies in Medien und akademischen Kreisen. Als die US Armee im frühen 20. Jahrhundert Haiti besetzte, kamen Menschen des westlichen Kulturkreises erstmals in Kontakt mit Voodoo. Natürlich gab es erhebliche Probleme, die komplexe Religion der Haitianer, die u. a. westafrikanische Magie mit römisch-katholischen Riten verbindet, zu verstehen und viele Mißverständnisse. Im Voodoo kommen u. a. Zombis vor (ohne „i“!), deren untoter Status auch für Wissenschaftler interessant war: Solche Drogen konnten für die moderne Medizin oder in der Weltraumforschung hilfreich sein, um Menschen gezielt zeitweise in einen totenähnlichen Zustand zu versetzen. So reiste der US-amerikanische Harvard-Doktorand Wade Davis 1982 nach Haiti, auf der Suche nach dem Zombi-Zauber. Dabei stellte er die These auf, dass die Voodoo-Priester den Menschen einen Trank aus pflanzlichen und tierischen Bestandteilen einflößen, der zu einer beinahe tödlichen Vergiftung und so zum Scheintod führt. Der Hauptbestandteil dabei sollte, so Davis, das TTX des Kugelfisches sein. Davis brachte einige Zaubertrank-Proben mit, die aber gar kein TTX enthielten. Nach heftigen Diskussionen stellte sich später heraus, dass seine Untersuchungen mangelhaft gewesen waren und keine zuverlässigen Ergebnisse gebracht hatten.
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