Was ich hier in wenigen Worten zusammengefaßt habe, entfaltet sich bei der Lektüre des Buches und beim Anblick der Ausstellung bildhaft und hat mich immer wieder zum Staunen gebracht. Diese wissenschaftliche interdisziplinäre Erforschung und der Wieder-Entdeckung einer versunkenen Kultur mitten in Deutschland hat mich in seinen Bann gezogen, genauso wie die Himmelsscheibe selbst.

„Griff nach den Sternen – Nebra, Stonehenge, Babylon: Reise ins Universum der Himmelsscheibe“ ist ein Must-Read für alle, die etwas über den Hintergrund der immer noch geheimnisvollen Himmelsscheibe und ihrem kulturellen Kontext in einem mobilen Bronzezeitalter erfahren möchten. Das Buch hat einzigen kleinen Makel: Es ist für die Lesenden nicht immer ganz einfach zu erkennen, was Fakten und was wissenschaftlich fundierte Spekulationen sind.
Trotzdem uneingeschränkte Leseempfehlung!

Genauso wie für den Katalog „Die Welt der Himmelsscheibe von Nebra – Neue Horizonte“. Und natürlich die dringende Empfehlung eines persönlichen Besuchs der Sonderausstellung, die noch bis zum  09. Januar 2022 zu sehen ist!!!

1 / 2 / 3

Kommentare (6)

  1. #1 Folke Kelm
    Porto, mehr als 20 grad wärmer als zu Hause
    23. Oktober 2021

    Guten Morgen. ein wirklich faszinierender Artikel der mich zu einigem Nachdenken anregt. Zuerst ist da einmal die gesellschaftliche Hierarchie mit den Bauern an der Basis. Warum ist das eigentlich so bescheuert? wir machen das Ganze doch heute noch genauso, auf der einen Seite mit recht, auf der anderen Seite regt das ständig zu Fehlinterpretationen an. Ich komme gerade von einer Konferenz wo es unter anderem auch um die 17 UN Ziele für Nachhaltigkeit ging. Auch hier ordnet man die in Pyramidenform an, wo Ziele wie sauberes Grundwasser und gesunde Böden ganz unten stehen, und die Ökonomischen Ziele ganz oben. Ich muss jedes mal den Politikern und Ökonomen erklären dass die Ziele da ganz oben mitnichten die wichtigsten sind, sondern die ganz unten, weil ohne dass wir da unten was tun bekommen wir oben gar nichts.
    Dafür ernte ich oft leider wenig Verständnis, weil das irgendwie ganz schön an deren Ego kratzt.
    Die andere Sache über die ich nachdenke ist der unterschied zwischen Fakten und Spekulationen den Du ganz unten im Artikel ansprichst.
    Ich bin in einer Zeit auf die Uni gegangen in der die Geologie noch ganz traditionell gelehrt wurde, unbefleckt von den richtig harten Wissenschaften wie Chemie, Physik oder gar Mathe. Naja, ganz so schlimm wars nicht, aber der traditionelle Geologe guckte auf der Oberfläche und extrapolierte sich 10-20 Km in die Tiefe. Das hat sich in den letzten 30 Jahren mit der wirklichen Integration der Geophysik gewaltig geändert.
    Eigentlich gilt dasselbe für die Archäologie. Ich hab einen guten Schulfreund der Archäologe ist, und von ihm hab ich da einige Impressionen mitbekommen. Er hat ein bisschen was dagegen zuviel zu spekulieren und zu viel den Riten und der Paläoastronomie zuzuschreiben. Wir wissen halt viel zu wenig über diese Vergangenheit und im Gegensatz zur Geologie sind die Dinge die wir finden und interpretieren können viel zu fragil um ein wirkliches Bild zu geben, schlicht weil wir viel zu wenig finden um gut rekobnstruieren zu können. Es erstaunt, dass man mit dem wenigen was wir haben, trotzdem oft noch ein ganz passables Bild hinbekommt.
    Es gab, und gibt immer noch eine Tendenz in der Archäologie, das Unverstandene ganz automatisch der Astronomie und den Riten zuzuschreiben.
    Ein schönes Beispiel ist seiner Ansicht nach Stonehenge.
    Darüber lacht er sich jedes mal scheckig. Er hat mir mal die Geschichte von Stonehenge erklärt welches in der Tat ein Produkt zweier missglückter astronomiebasierter Rekonstruktionsversuche ist.
    Stonehenge ist Seiner Ansicht nach heute durch Grabungen, (nicht Ausgrabungen) und Bagger so zerstört, dass wir nie das wirkliche Aussehen rekonstruieren können.
    Wir schreiben den Funden zuviel Bedeutung zu. Der Kontext der Funde ist das wichtige, nicht das Artefakt selber. Das gilt in der Archäologie, wie auch in der Paläontologie in meinem Fall, oder Deinem.
    Stonehenge ist ein Beispiel dafür, dass der Kontext nicht beachtet wurde, sonder die Überzeugung, das confirmation bias über die Artefakte selber die Arbeit geleitet hat. Man hat im 19 Jahrhundert, und dann noch einmal in den 60ern des 20ten Jahrhunderts den angenommenen Kontext schlicht konstruiert, ohne den wirklichen zu suchen.

  2. #2 Bettina Wurche
    23. Oktober 2021

    @Folke Kelm: Porto? Das ist hart… Bei diesen ganzen Astronomie-Interpretationen muss man berücksichtigen, dass bis vorein paar Hundert Jahren Astronomie und Astrologie nicht getrennt wurden. Ja, in Stonehenge dürfte wirklich schon lange kein Stein mehr in Original-Siuation sein. Die Himmelsscheibe und die Goseck und Pömmelte-Kreisstrukturen sind tatsächlich von Archäoastronomen wie Herrn Schlosser und anderen detailliert untersucht worden, sie bilden wirklich Mond- und Sonnenkalender vor 3500 ab.
    Glücklicherweise sind diese Projekte wirklich interdisziplinär – astronomische, metallurgisch, etc – untersucht worden. Die Rekonstruktion der Hierarchie und Gesellschaft ist für mich plausibel rekostruiert worden, aber eben mit großem Interpretationsspielraum. Ja, ich kann mir vorstellen, wie kontrovers da die Diskussion ist, das dürfte hohen Unterhaltungswert haben : )

  3. #3 Daniel Fischer
    Bochum
    23. Oktober 2021

    “Es ist für die Lesenden nicht immer ganz einfach zu erkennen, was Fakten und was wissenschaftlich fundierte Spekulationen sind” – das gilt insbesondere auch für die Hypothese, dass in der Anzahl der chaotisch über die Scheibe verteilten Sterne und der Dicke der Mondsichel eine Kalenderregel versteckt sei. Als vor 10 Jahren mit einer enormen Monografie in zwei Bänden die umfassendste wissenschaftliche Durchdringung des Themas bis heute erschien, fiel auf, dass diese komplexeste Deutung nur noch von Meller selbst mit Nachdruck vertreten wurde: Insbesondere jener Astronomiegeschichtler, der sie ein paar Jahre vorher aufgestellt hatte, erwähnte sie nur noch ein Möglichkeit … in einer Fußnote. Und andere vom Fach sahen noch weniger tiefe Aussagen in der enorm reduzierten Bildsprache der ersten Scheibenphase enthalten.

  4. #4 Bettina Wurche
    23. Oktober 2021

    @DanFischer: ich hatte dazu einen sehr langen Vortrag von Herrn Professor Schlosser gehört. Ist der von dieser Deutung mittlerweile abgerückt? Dann habe ich das nicht mitbekommen.

  5. #5 Sascha
    25. Oktober 2021

    Wer nicht selbst nach Halle kommen kann, sollte sich wenigstens die YouTube-Videos des Museums anschauen: https://www.youtube.com/c/Landesmuseumf%C3%BCrVorgeschichteHalle

    Generell das Museumskonzept, das schon bei den letzten Sonderausstellungen umgesetzt wurde, ist wirklich sehr beeindruckend.

  6. #6 seb
    28. Oktober 2021

    Ein sehr ausdruckstarker und bildhafter Beginn des Textes.
    Da merke ich, dass ich mal wieder einen Roman lesen möchte.
    Aber einen guten 🙂