Die Expedition Endurance22 hat Sir Ernest #Shackletons Expeditionsschiff #Endurance in 3.008 Metern Tiefe im Weddellmeer gefunden. Nur vier Meilen von der Stelle entfernt von der letzten Position, die der Kapitän Frank Worsley aufgezeichnet hat.
Der britische Entdecker Sie Ernest Shackleton ist heute weniger für seine Forschungsleistung bekannt, sondern vielmehr durch seine Leistungen als Anführer: Für sein Endurance-Unternehmen (1914 – 1917) hatte er per Zeitungsannonce mutige Männer für eine Expedition mit ungewisser Rückkehr gesucht. 1915 mussten sie ihr vom Packeis eingeschlossenes Schiff aufgeben. Der hölzerne Rumpf gab dem Eis schließlich nach und wurde zerquetscht, das Schiff versank im Südpolarmeer. Nach dem Verlust der Endurance brachte Shackleton seine Besatzung in den Rettungsbooten zunächst nach Elephant Island und konnte schließlich mit einer extrem navigatorischen und körperlichen Anstrengung von der 1500 Kilometer entfernten Walfangstation Grytviken Hilfe organisieren. Trotz des Schiffsbruchs in der Antarktis hatte er keinen Mann verloren.
Sir Ernest Shackleton ist einer der größten Heroen unter den englischen Entdeckungsreisenden, die Endurance-Expedition ist quasi ein nationales Heiligtum. Darum wird schon länger nach dem Wrack der Endurance gesucht, berühmte Schiffe sind für die Seefahrernation England wichtige Symbole für Wagemut, Ausdauer und andere Tugenden stehen.

Endurance22 – Die Suche nach der Endurance

Die Endurance22-Expedition ist eine vom Falklands Maritime Heritage Trust (FMHT) organsierte und finanzierte meeresarchäologische Expedition. An Bord des südafrikanischen Polarforschungsschiffs SA Agulhas II starteten im Februar 2022 Meeresarchäologen, Ingenieure, Techniker und Meereiswissenschaftler von Kapstadt aus in Richtung Weddellmeer. Ihre Aufgabe: Das berühmte Expeditionsschiff zu finden, zu filmen, zu vermessen und zu erforschen. Über 100 Jahre nach der Expedition soll das Wrack als kulturelles Erbe bewahrt werden und neue Generationen zur Beschäftigung mit Wissenschaft, Technik und Entdeckung inspirieren.

Aufgrund der schwierigen Bedingungen im Südpolarmeer galt de Suche als schwierig, erklärt der erfahrene Polarforscher John Shears gegenüber BBC: „Wir haben die schwierigste Suche nach Schiffswracks der Welt erfolgreich abgeschlossen und dabei gegen ständig wechselndes Meereis, Schneestürme und Temperaturen, die auf -18 ° C fallen, gekämpft. Wir haben erreicht, was viele Leute für unmöglich hielten.“
Mit dem modernen südafrikansichen Polarforschungsschiff S A Agulhas II und ihrer Ausrüstung hatte die 35-tägige Expedition auch neuartige Tauchroboter an Bord. Die Sabretooth-Unterwasserfahrzeuge von SAAB sind Hybridfahrzeuge, die sowohl Remote Operating Vehicle (ROV) per Kabel mit der Oberfläche verbunden als auch als Autonomous Underwater Vehicle (AUV) ohne eine solche Verbindung betrieben werden kann.
Nachdem das Wrack in 3008 Metern Tiefe geortet war, tauchten die Roboter hinunter und filmten das vollständig erhaltene hölzerne Schiff. Auf dem Video ist zu sehen, dass die Endurance aufrecht auf dem Grund aufliegt, am Heck ist ihr Name gut zu lesen. Das Heck ist unversehrt und wenig bewachsen.

Hier geht es zum Tauchroboter-Video der Endurance.

Holzerhaltung im Südpolarmeer

„Sie können sogar den Schiffsnamen – ENDURANCE – sehen, der über das Heck direkt unter der Heckreling (einer Handreling in der Nähe des Hecks) gebogen ist. Und darunter, wie aus Messing, ist Polaris, der fünfzackige Stern, nach dem das Schiff ursprünglich benannt war”, sagte Menun Bound, der Expeditionsleiter. „Ich sage Ihnen, Sie müssten aus Stein sein, um sich beim Anblick dieses Sterns und des Namens darüber nicht ein bisschen emotional zu fühlen“, fügte er hinzu. “Sie können ein Bullauge sehen, das Shackletons Kabine ist. In diesem Moment spüren Sie wirklich den Atem des großen Mannes im Nacken.” Wie ich bereits schrieb, die Endurance ist in England genauso ein National-Heiligtum wie Shackleton selbst.

Die ForscherInnen sind vom guten Erhaltungszustand des Wracks vollkommen begeistert. Das eiskalte Südpolarmeer hat das hölzerne Schiff hervorragend konserviert. Außerdem liegt es in über 3000 Metern Tiefe gut geschützt vor Eis und Strömungen, so dass es wie eben gerade gesunken erscheint.
Im eiskalten Südpolarmeer wird Holz besonders gut erhalten – es gibt keine Bohrorganismen, wie sie in wärmeren Gewässern so typisch sind. Dazu kommt, dass die Kälte und der Nährstoffmangel in der Tiefe offenbar auch die Arbeit von Mikroorgansimen verhindern.

Ebenfalls typisch für kalte Gewässer ist der relativ geringe Bewuchs des Wracks. In tropischen Gewässern wäre es längst dick überkrustet mit Myriaden von festsitzenden Tieren wie Korallen, Schwämmen und anderen Organismen. In der Tiefe des eiskalten Polarmeeres ist die Endurance nur der feste Wohnsitz weniger Tiere geworden, die langsam wachsen und sich langsam vermehren.

Die Endurance22-Expedition hat eine gute Seite mit vielen weiteren Hintergrund-Informationen zu allen Aspekten dieser phantastischen Expedition und zu Shackletons Reise.
Die Endurance22-Expedition ist ein Projekt des Falklands Maritime Heritage Trust, der noch viele weitere spannende Geschichten von Schiffen und Flotten zu bieten hat, vom Handelssegler aus dem 17. Jahrhundert bis zu versenkten Schiffen der deutschen Kriegsmarine wie der SMS Scharnhorst.
Die Falkland-Inseln sind ein strategisch wichtiger Ort dieses riesigen und sehr abgelegenen Seegebiets, in dem die Royal Navy regelmäßig Präsenz zeigt. Mehr dazu auch in diesen Meertext-Artikeln über die Fahrt der HMS Enterprise und einen Wal-Survey vor South Georgia.

Hier ist eine ausgezeichnete Photostrecke der Endurance22-Expedition. Unter den begleitendne Medien waren mediale Schwergewichte wie die BBC und die Photographin Esther Horvath.

Die unterkühlte Wohngemeinschaft der Endurance

Als Zoologin fielen mir beim Blick auf die Endurance natürlich sofort die darauf wachsenden Tiere auf. Auf Twitter folge ich Huw Griffiths vom British Antarctic Survey. Er hatte sich bei den Unterwasser-Aufnahmen gleich daran gemacht, die Tiere darauf zu identifizieren.
Einige davon möchte ich hier vorstellen. Die Screenshots sind starke Vergrößerungen, um die Organismen besser zu erkenne und darum etwas unscharf.

Die drei großen weißen antarktischen Seeanemonen sind eine extravagante Heckverzierung. Sie gehören zur Gattung Hormathia oder ähnlichen und nutzen das Wrack, um ihre Tentakel in die Strömung zu halten und sich vorbeischwebende und -schwimmende Minitiere zu schnappen.
Der hohe Sitz über dem Meeresboden verbessert ihre Nahrungssituation, außerdem bietet das feste Holz einen guten Halt für ihre Haftscheibe am Unterteil.

Diese transparenten Ascidien (Seescheiden, Manteltiere) pumpen Wasser durch ihre Siphons Wasser durch ihre Körper und filtern die Nahrungspartikel dabei heraus, wie Plankton und Meerschnee. Meerschnee besteht aus von oben herab“regnende“ Flocken aus Kot, Bakterienflocken und anderen organischen Flöckchen.

Hier sind einige gestielte Tiere zu sehen, wahrscheinlich Schwämme. Ihr Stiel ermöglicht ihnen einen möglichst hohen Ansitz zum Schnappen von Nahrungspartikeln. Die zusätzliche Höhe auf dem Wrack ist ein evolutiver Vorteil.

“And my favourite @Endurance_22 spot so far is the bright yellow sea lily or stalked #crinoid! Sea lilies date back over 480 million years and used to be very common and diverse in all the world’s oceans until the Triassic period!” beschreibt Huw begeistert diese hellgelbe Seelilie. Die Seestern-Verwandte hat ebenfalls einen Stiel und fischt mit ihren Tentakeln in der Strömung. Die Tentakelkrone ist pentasymmetrisch (typisch für Stachelhäuter wie Seesterne, Seeigel und Seegurken) und erinnert an eine Blüte. Seelilien waren im Erdaltertum und Erdmittelalter sehr erfolgreiche Meeresbewohner, im Baden-Württembergischen Posidonienschiefer von Holzmaden und Dotternhausen sind besonders große Exemplare und Kolonien erhalten.
Heute sind sie eher Relikte ihrer vergangenen Größe und leben vor allem in Tiefsee-Ökosystemen.

Zum Abschluß krabbelte dann sogar noch eine Krabbe durchs Bild. Das ist für Biologen sehr aufregend, weil es wahrscheinlich eine Yeti-Krabbe (Munopsis) und überhaupt die erste Krabbensichtung im Weddellmeer ist.

Ein herzliches Dankeschön an Huw Griffiths und den British Antarctic Survey für die spannende Analyse!
Die in den Tweets zitierte Zoologin des BSA Kathrin Linse ist Expertin für antarktische Krebse und war auch schon auf Meertext zu Gast: Mit dem ersten Whalefall des Südpolarmeeres, an dem sie eine neue Art sehr gefräßiger Asseln entdeckt hatte.

 

Kommentare (11)

  1. #1 jotemel
    10. März 2022

    Sehr spannend!
    Bei
    https://www.gutenberg.org/ebooks/5199
    gibt es die von Shackleton selbst verfasste Beschreibung der Reise namens: “South: The Story of Shackleton’s Last Expedition” als kostenlosen Download, sogar mit allen Illustrationen als ebook in diversen Formaten!

  2. #2 Bettina Wurche
    10. März 2022

    @jotemel: Danke für diese Ergänzung! Wir können hier gern noch eine Liste von empfehlenswerten Büchern und Websites zur Expedition sammeln! So ein kleiner Ausflug ist ja gerade jetzt ein kleiner Eskapismus, um Geist und Seele zu beruhigen.

  3. #3 RPGNo1
    10. März 2022

    Ich finde die Überleitung sehr elegant. Scheinbar geht es erst um die Entdeckung der Endurance, um aber dann das Augenmerk auf die Meerestiere zu lenken, die das Wrack als Lebensraum erschlossen haben. 🙂

    PS: Ein Hinweis noch. Im Einführungssatz steht:

    Die Expedition Endurance22 hat Sir Ernest #Shackletons # in 3.008 Metern Tiefe im Weddellmeer gefunden.

    Da fehlt doch sicher ein “Schiff” nach “Shackletons”? Die Doppelkreuze wirken irgendwie auch fehl am Platz.

  4. #4 Bettina Wurche
    10. März 2022

    @RPGNo1: Danke, ja, natürlich fehlte da noch was. Die Hastags setze ich ab und an, weil ich mit der besseren Auffindbarkeit der Texte experimentiere.
    Ja, das Viehzeug kam in fast allen Berichten zu kurz. Und ich fand Huws Bemerkungen, es sähe aus, als ob eine Seeanemone am Ruder steht, amüsant, es war auch mein erster Gedanke. Dazu musste ich einfach etwas bringen.

  5. #5 JW
    11. März 2022

    Ich möchte dann noch an das tolle Buch “Erebus” von Michael Palin erinnern. Dort wird die gesamte Geschichte dieses fatal geendeten Schiffes beschriebn, mit tollen Einblicken in den Alltag an Bord. Sehr empfehlenswert!

  6. #6 jotemel
    11. März 2022

    Die beiden Schiffe “Erebus” und “Terror” haben zwar eine nicht minder spannende Geschichte, gehörten jedoch zur Expedition von John Franklin, der 1845 die N/W-Passage finden sollte. Das geschah am anderen “Ende” der Welt und hat nichts mit Shackletons Expedition am Südpol zu tun.

  7. #7 JW
    11. März 2022

    Ich weiß, aber zum einen waren sie auch im Südpolarmeer unterwegs und wurden zum anderen auch in einem guten Erhaltungszustand gefunden. Ferner ist die Leidensgeschichte, allerdings ohne Happy End, auch eine faszinierende Parallele.

  8. #8 Bettina Wurche
    11. März 2022

    @JW: definitv auch superinteressant!

  9. #9 Bettina Wurche
    11. März 2022

    @jotemel: Danke, korrekt!

  10. #10 RPGNo1
    12. März 2022

    @Bettina Wurche

    Das ist witzig. Der Spiegel hat in Bezug auf die Entdeckung der Endurance den gleichen Gedanken wie du gehabt und sich in einem kurzen Artikel ihren neuen Bewohnern gewidmet.

    https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/karnevalswelle-krieg-um-akws-wrackfund-die-lese-empfehlungen-der-woche-a-48edf40d-c075-4534-8107-eaa9b1b34498

  11. #11 Bettina Wurche
    12. März 2022

    @RPGNo1: Danke, da habe ich gerade mal reingeschaut. Die Landratte (nur solche schreiben “Steuerruder”) hat beim AWI nachgefragt und dort die gleiche Info bekommen, die von den BiologInnen vom British Antarctic Survey stammt. Die Zitate “Seeanemone am (Steuer)Ruder” und “gelbe Seelilie” sind von Huw.