Heutige Baumwollkulturen brauchen viel Wasser und sind empfindlich gegen zu hohe Temperaturen. Darum besteht ein großes Interesse an stressresistenten Züchtungen, die Hitze- und Dürre-Streß besser vertragen. (Dass damit immer noch nicht geklärt ist, wer bei über 50 °C auf den Feldern die dann klimakrisenfeste Baumwolle zu ernten, ist nicht Teil des Projekts. Wäre aber eine mittlerweile wichtige Fragestellung).

 

A false-color image of South Florida as generated by data from Landsat 5. Green represents the reflected near infrared light indicative of healthy vegetation. (NASA)

Die Suche nach außerirdischen Pflanzen

Wesentlich weniger bekannt ist die Rolle der Pflanzen in der Astrobiologie bei der Suche nach außerirdischem Leben. Der sowjetische Astronom Gavriil Adrianovich Tichow (1875 – 1960) war ein Pionier der Astrobiologie war und gilt als „Vater“ der Astrobotanik. Er arbeitete von 1906 am Pulkovo-Observatorium bei St. Petersburg und analysierte dabei u. a. die Spektren ferner Sterne. Er untersuchte u. a. Sonnen und Planeten, die blaue Farbe und Polarisation des Himmels, das Erdlicht sowie die interstellare Absorption. Dafür konstruierte er neue Instrumente und schrieb über 230 wissenschaftliche Publikationen. Auf der Basis von Beobachtungen des Erdscheins schloss er, dass die Erde vom Weltraum aus gesehen blassblau sein müsste – Jahrzehnte später beschrieben Astronomen wie Carl Sagan und Astronauten wie Alexander Gerst die Erde vom Weltraum aus als blassen kleinen blauen Punkt (Sagan: „pale blue dot“, Gerst: „Mission Blue Dot“).
Tichow suchte ab 1906 nach Spuren von Leben auf dem Mars. Zu dieser Zeit wogte noch die Diskussion, ob die Marskanäle künstliche Strukturen und von Marsbewohnern gebaut worden seien. Tichow schaute also im Mars-Spektrum nach den charakteristischen Farbbändern, die auf Photosynthese hinweisen könnten. Zunächst suchte er nach Chlorophyll, dem grünen und häufigsten Photosynthese-Pigment der irdischen Pflanzen. Später suchte er auch nach anderen Spektren, wie etwa manche Algen mit roten Photosynthese-Pigmenten sie aufweisen. Auch das war vergeblich.
Tichow war einer der ersten Astronomen, die nach Biomarkern wie Chlorophyll in den Spektren ferner Himmelskörper suchten und hat damit die astrobiologische Fernerkundung bis heute beeinflusst.
Heute suchen AstronomInnen mit Teleskopen nach der sogenannten „Red Edge“ – dem roten Rand. Der „Rote Rand“ bezeichnet „die schnelle Änderung des Reflexionsvermögens der Vegetation im nahen Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums. Das in der Vegetation enthaltene Chlorophyll absorbiert das meiste Licht im sichtbaren Teil des Spektrums, wird jedoch bei Wellenlängen über 700 nm fast transparent. Die Zellstruktur der Vegetation bewirkt dann, dass dieses Infrarotlicht reflektiert wird, denn jede Zelle wirkt so etwas wie ein elementarer Winkelreflektor“. Damit läuft die Suche nach Exoplaneten etwa auf der Europäischen Südsternwarte ESO. Das dort montierte 3,6-Meter-Teleskop auf La Silla mit dem High Accuracy Radial velocity Planet Searcher (HARPS) ist ein besonders präziser Spektrograph der (zumindest 2019) weltweit führende Exoplaneten-Jäger.
Nach Tichows Tod 1945 geriet die Astrobotanik in Vergessenheit, in den 1960-er Jahren wurde die Astrobiologie im Kontext mit dem Apollo-Programm zu einer NASA-Domäne.

Nach Tichow sind heute einige Krater benannt, und ein fiktives Raumschiff: In der Star Trek Discovery-Episode 5, Staffel 3, ist ein Botanik-Schiff nach ihm benannt: Die USS Tichow.

Dieser Astrobotanik-Beitrag ist im Kontext mit einem Interview für einen DLR-Podcast zum Thema „Tieren und Pflanzen im Weltraum“ entstanden. Den Link dazu reiche ich noch nach.

 

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Kommentare (6)

  1. #1 wereatheist
    7. April 2022

    Es ist natürlich nicht fernliegend, anzunehmen, dass Molekülkomplexe wie Chlorophyll oder Bacteriorhodopsin besonders “leicht” entstehen unter Bedingungen, die die hiesige Welt begünstigt hatten.
    Aber sind nicht beide im Prinzip ‘abstimmbar’, d.h. kleinere Änderungen an den entscheidenden Stellen führen zu ganz anderen Absorptionsspektren?
    Also sollte man wohl nach irgendeiner Roten Kante in planetaren Emissionsspektren suchen.
    Ich nehme mal an, das passiert bereits.

  2. #2 Bettina Wurche
    8. April 2022

    @wereatheist: Davon dürfen wir ausgehen. Im ESO-Exoplaneten-Programm sind mehr als ein Instrument für verschiedene Spektren im Einsatz. Das geht auch hieraus hervor:
    https://eso.org/public/teles-instr/lasilla/36/nirps/

  3. #3 Dampier
    8. April 2022

    Ein geschlossenes System sorgt dabei für die Zirkulation der eingesetzten Ressourcen wie Luft, Wasser und Nährstoffen

    Ich hab mich immer gefragt, warum die das in der Antarktis machen. Wenn es ein geschlossenes System ist, könnte man das doch überall ausprobieren. (Ich setze voraus, dass es vor extremer Hitze und Kälte ausreichend geschützt ist, hier gehts ja um die Pflanzen.)

  4. #4 Bettina Wurche
    10. April 2022

    @Dampier: Ob ein geschlossenes System funktioniert, zeigt sich in einer lebensfeindlichen Umwelt sehr schnell. Wenn es irgendwo undicht gewesen wäre, hätten die Pflanzen in der Antarktis nicht überlebt. Kälte, Trockenheit und Nährstoffmangel sind in der Antarktis schon nahe dran am Weltall. In Mitteldeutschland hätte man es vielleicht erst bemerkt, wenn eine Ameisentrasse quer durchs vermeintlich geschlossene System läuft : )

  5. #5 Reinhard Sacher
    Schwechat
    12. April 2022

    CELSS (closed ecological life support systems) mit natürlichem Sonnenlicht im Low Earth Orbit (für zb ISSartige Stationen..
    Haben wir in den 80ern an der Uni Wien probiert…
    60 min Licht, 30 min Dunkelheit.. Salat, Soja ist fast überhaupt nicht gediehen… Die Spaltöffnungen waren zu langsam beim Öffnen. Gramineentyp (zb Hirse) war da wesentlich schneller und wenig betroffen durch die orbitalen HellDunkel Zyklen

  6. #6 Bettina Wurche
    12. April 2022

    @Reinhard Sacher: Das wundert mich jetzt gar nicht. Pflanzen sind ja an die Tageslichtlänge der Erde angepaßt, manche von ihnen sind da recht empfindlich. Passt ihnen der Licht-Dunkelheit-Länge nicht, können sie nicht wachsen. 60 min Licht, 30 min Dunkelheit als Lichtwechsel dürften als physiologischer Streß die meisten Pflanzen völlig überfordern. Wahrscheinlich wäre Kunstlicht eine bessere Idee. In Algenreaktoren wird oft Kunstlicht eingesetzt. Nur damit gelingt ein optimales Wachstum und die beabsichtigte Produktion der Nährstoffmenge und -zusammensetzung. Gestresste Pflanzen können als Streßreaktionen andere als die gewünschten Ergebnisse produzieren, sie wachsen nicht nur schlechter, sondern könnten auch andere biochemische Verbindungen produzieren.