Seekühe sind behäbige Vegetarier, die in Flüssen, Flussmündungen und flachen Küstengewässern des Meeres Seegras und andere Pflanzen weiden. So groß ist ihr Appetit, dass sie dadurch Gewässer für die Schifffahrt freihalten, etwa von tropischen Wasserhyazinthen. Da der Nährstoffgehalt der vegetarischen Nahrung nicht sehr hoch ist, müssen sie wie andere Pflanzenfresser einen großen Teil ihrer Zeit mit Grasen verbringen. Der Name „Seekuh“ ist also sehr zutreffend, auch wenn sie keine Wiederkäuer sind. Dafür haben sie ein staubsaugerartig breites und weiches Maul mit einigen Zähnen zum Zermalmen der Stängel und Blätter. Manatis haben nur noch sechs Vorbacken- und Backenzähne jeweils im Ober- und Unterkiefer, Dugongs haben außerdem noch zwei Schneidezähne im Ober- und drei Schneidezähne im Unterkiefer.
Als aquatische Säuger sind Seekühe auf die Akustik angewiesen, da ihre Augen nur klein und in den trüben Küstengewässern und Flüssen wenig nützen. Stimmbänder haben sie nicht, sondern produzieren ihre Laute mit den Stimmlippen im Hals.
Anders als Wale sind sie sehr leise Wasserbewohner mit einem geringeren Lautrepertoire aus Quietschen und Seufzen. Damit werden sie ihrem Namen Sirenia nicht gerecht – Seeleute der Antike hatten sie mit den Fabelwesen verglichen, die halb Mensch, halb Vogel oder Fisch mit ihrem betörenden Gesang Seefahrer ins Verderben lockten. Unsere heutigen akustischen Warngeräte mit ihrem durchdringenden Geheul heißen auch Sirenen, auch wenn sie nur laut und keinesfalls betörend sind.
Die US-Biologin Beth Brady und ein Team haben in siebenjähriger Arbeit genügend Lautäußerungen der scheuen Tiere vor Florida gesammelt, um ihre Kommunikation zu analysieren. Dort leben Manatis, die mit ihrem großen runden Schwanz zu den Rundschwanzseekühe gehören (Sirenia, Trichechus manatus latirostris). Brady ist den Tieren per Kajak hinterhergepaddelt, über Seegraswiesen und in Flussmündungen. Für den Seekuh-Lauschangriff hängte sie dann ein Hydrophon über die Bootsseite ins Wasser und beobachtete das Verhalten der Seekühe während ihrer Lautäußerungen.
Das Team hat alle Aufnahmen mit einer Computersoftware für bioakustische Forschung analysiert, wie etwa die Dauer und Frequenz der Rufe. 99% der Lautäußerungen gehören zu folgenden drei Typen von Lauten: „Squeals“ sind die häufigsten Laute während des Herumtollens und der sozialen Interaktionen (Socializing). Gestresste Manatis hingegen geben „Squeaks“ von sich. Dann gibt es noch „High Sqeaks“, besonders hohe Quietscher, die meist zwischen Mutter und Kalb ausgetauscht werden (Beth Brady, Jon Moore, Kim Love: „Behavior related vocalizations of the Florida manatee (Trichechus manatus latirostris)”, December 2021, Marine Mammal Science).
Ein „Squeal“ ist ein Squeal ein hohes Quietschen, wie der Schrei eines Kindes, oder laute, abgenutzte Bremsbeläge. Ein Squeak hingegen beschreibt ein kurzes, hohes Geräusch, wie wenn zwei Gegenstände aneinander reiben. Als Verb bedeutet „squeal“ soviel wie schreien mit einem schrillen, anhaltenden Ton, während „squeak“ einen kurzen, hohen Ton beschreibt. Die hohen „High Squeaks“ sind typische hohe Stimmlagen für die Mutter-Kind-Kommunikation bei Säugetieren.
In Florida sind Manatis wie alle Meeressäuger streng geschützt. Als sogenannte Schlüsselarten (Keystone species) verraten sie den WissenschaftlerInnen eine Menge über die Gesundheit der Küsten-Ökosysteme. So geht etwa in der Indian River-Lagune Floridas der Sirenen-Bestand so stark zurück, dass die NAturschutzbehörden 2021 Alarm schlugen und einen UME (Unusual Mortality Event) ausgerufen haben. Die warme Lagune ist ein wichtiges Winterquartier für die Seekühe, aber durch das schwindende Seegras verhungern sie. Selbst die Zufütterung von Salatköpfen hat nur wenig Erfolg gebracht. Da die Seegrasbetten der Lagune auch für viele andere Arten ein wichtiger Lebensraum sind, etwa als Kinderstuben für viele auch kommerziell wichtige Fische, ist das Verschwinden der Seekühe ein wichtiger ökologischer Indikator für den nicht guten Zustand des Ökosystems, ein unübersehbares Frühwarnsystem. Gerade in Zeiten des Klimawandels, der ja auch die marinen Ökosysteme rasend schnell verändert, wird ein besseres Verständnis der Seekühe noch wichtiger. Außerdem kann das Wissen über die Florida-Seekühe auch helfen, wissenschaftlich weniger untersuchte Manati Gruppen in anderen Gewässern der Welt – etwa in Südamerika – besser zu verstehen und vielleicht auch besser zu schützen. Hinter den quietschenden und quäkenden Lauten mehr als nur Geschnatter steht.
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