Ob die jetzt entdeckten Delphine aus dem Bestand der ehemaligen Schwarzmeerflotte stammen und im Schwarzen Meer akklimatisiert sind oder aus einer anderen Region kommen, wäre eine wichtige Information über ihre Einsatzfähigkeit. Jedes Gewässer hat seine eigene Temperatur und eigenen Salzgehalt sowie seine eigenen Mikroorganismen. Werden Wale in ein anderes Gewässer gesetzt, müssen sie sich erst akklimatisieren. So sollen im Golfkrieg eingesetzte Delphine der US Navy große Probleme mit Hautkrankheiten gehabt haben – in den warmen Gewässern bekamen sie Pilzinfektionen.

Insgesamt erscheint es mir, als ob Delphine als Geheimwaffe oft überschätzt werden. Ihre quasimystische Aura als unüberwindliche intelligente Geheimwaffe dürfte doch zu einem gewissen Teil aus Propaganda bestehen. Angesichts der Tatsache, dass die glorreiche russische „Moskwa“ nach dem Einschlag von ein bis zwei ukrainischen Raketen offenbar in Brand geriet, es daraufhin zu Explosionen in den Waffenmagazinen kam und der 180 Meter lange Stolz der Marine dann bei nur Windstärke 4 gesunken ist, hat die russische Marine etwas positive Propaganda sicherlich sehr nötig. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der größte Teil der Besatzung dabei höchstwahrscheinlich nicht überlebt hat (zumindest sind die Seeleute und Soldaten seitdem nirgendwo wieder aufgetaucht).

Im Februar dieses Jahres hatte die Hamas ja behauptet, ein israelischer „Killer-Delphin“ habe einen Hamas-Taucher angegriffen. Die israelische Marine hat zwar tatsächlich Delphine, aber die Hamas ist als Quelle wenig glaubwürdig. Ein ägyptischer Politiker hatte 2012 auch behauptet, dass die Israelis Killer-Haie zur Störung des Touristen-Verkehrs einsetzt, dann beschuldigte die Türkei einen israelischen Geier der Spionage. Offenbar trauen Israels Nachbarn den Israelis sehr viel zu, egal, wie hanebüchen es sich anhört. Solche Behauptungen fügen sich jedenfalls nahtlos in die üblichen antisemitischen und antizionistischen Verschwörungsmythen ein, die über Israelis und Menschen jüdischen Glaubens verbreitet werden (Hier mehr zu den „zionistischen Killerdelphinen“).

Der Beluga Hvaldimir, der im Mai 2019 mit einem Brustharnisch aus russischer Produktion bekleidet vor der norwegischen Küste auftauchte und dort Anschluß suchte, war kein Marine-Wal, sondern stammte aus einem russischen Freizeitpark. Dort war er verletzt aufgenommen worden und nach seiner Gesundung u. a. für Kinderprogramme eingesetzt worden, dort hieß er Semjon.
Er hatte sich vor Hammerfest an Fischer „angelehnt“, und war offenbar dringend auf der Suche nach menschlicher Gesellschaft. Die Fischer und der Fischereiinspektor Jörgen Wiig hatten ihn von dem Brustgeschirr befreit und er war ihnen dann in den Hafen von Hammerfest gefolgt. Ich hatte dazu einige der beteiligten Norweger interviewt, meine Infos waren also aus erster Hand.
Von russischer Seite kam zu diesem Wal allerdings nie ein offizielles Statement.
Meine Hvaldimir-Artikel findet ihr hier.

Dass Hvaldimir jetzt wieder von H I Sutton und anderen Medien als Marinewal bezeichnet wird, entspricht nicht der Faktenlage. Darum bin ich nicht sicher, wie belastbar seine Recherche im vorliegenden Fall ist.
Falls jemand eine zweite Quelle für den Einsatz russischer Marine-Delphine gefunden hat, würde ich mich über eine Zuschrift freuen. Soweit ich gesehen habe, beziehen sich alle Medienberichte auf Suttons Bericht in den USNI News (U.S. Naval Institute).

Update:
Ich habe mit H I Sutton eben gechattet und dann auf Google Earth selbst gesucht – ich finde keine Delphingehege:

Hafenmole in Sewastopol, vor der vor wenigen Tagen Delphingehege beobachtet wurden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Diese Aufnahme ist ein Screenshot der Hafenmole in Sewastopol und zeigt den gleichen Bildausschnitt wie H I Suttons Aufnahme.
Das Nichtvorhandensein der schwimmenden Delphingehege lässt verschiedene Schlußfolgerungen zu.
Sie könnten verlegt worden sein, ich habe sie allerdings nicht gefunden.
Vielleicht findet jemand anders sie wieder?

Update 2:
Meertext war heute Nachmittag für mehrere Stunden verschwunden, mittlerweile ist das technische Problem behoben.

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Kommentare (22)

  1. #1 Sascha
    29. April 2022

    Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich statt “pens” “penis” gelesen habe und absolut verwirrt war.

  2. #2 Bettina Wurche
    29. April 2022

    @Sascha: Ja, das fände ich auch irritierend. So gut sind die Satellitenbilder dann doch nicht : )

  3. #3 tomtoo
    29. April 2022

    Russische Delphine? Haben die auch ne echte Staatsbürgerschaft? 😉

  4. #4 Bettina Wurche
    29. April 2022

    @tomtoo: Das ist eine gute Frage. Tiere könnten die Staatsangehörigkeit ihrer Eigentümer haben. Dann wären sie wohl noch ukrainisch. Haben sie hingegen die Staatsangehörigkeit ihrer Besitzer, wären sie russisch. Keine Ahnung, wie das geregelt ist ; )

  5. #5 Joachim
    29. April 2022

    Zum Thema hatte ich auch schon anderswo gelesen. Freilich ohne so qualifizierte Zusatzinformationen. Ich dachte schon daran, hier Bescheid zu geben. Doch das hat sich ja erledigt.

    Was war heute eigentlich mit dem Blog hier los? Der war eine Zeit gar nicht erreichbar. Ich habe schon einen „Schreck“ bekommen.

  6. #6 rolak
    29. April 2022

    Na endlich wieder erreichbar^^ man ahnte schon Schlimmliches…

    Zu meiner Schande

    Ha! Das ist mir nicht passiert – allerdings muß ich zu meiner Schande einräumen, daß alternativ ‘pens’ nachgeschlagen werden mußte, das Denken zu sehr SchreibOrientiert. Immerhin durfte ich dadurch eine Übersetzung für ‘Laufställchen’ lernen 😉

    Propaganda sicherlich sehr nötig

    Viel mehr bleibt der einst so flotten Flotte ja auch nicht: der Bosporus ist dicht, da ist jeder materielle Verlust unersetzbar.
    Die Gehege sind allerdings nicht zwangsläufig ortstabil, eher zwangsläufig mobil – da überrascht es kaum, daß nach zwei Tagen an derselben Stelle anderes zu sehen ist. Obgleich das Andere eher fiktiv scheint, widerlegt wirds durch das neue Bild nicht.

  7. #7 Bettina Wurche
    29. April 2022

    @Joachim: Gerade als ich die Abbildung einfügen wollte, war ich auf einmal komplett ausgesperrt. Ich wendete mich dann an unseren Admin, der meine Meldung schließlich an den technischen Admin weiterleitete. Ich bin sehr froh, dass die beiden sich nicht Freitag nachmittag ins Wochenende verabschiedet haben und Meertext heute überhaupt noch wieder erreichbar ist.
    Mein persönlicher Verschwörungsmythos: Ich bin wahrscheinlich von russischen Spionagebots gehackt worden.

  8. #8 Bettina Wurche
    29. April 2022

    @rolak: Ja, die Schwimmgehege sind auf jeden Fall mobil, ich habe sie leider auch an anderer Stelle nicht gefunden. Aber ich bin nicht ortskundig und weiß nicht, wie groß der Marinehafen ist. Nicht-Vorhandensein ist jedenfalls keine Evidenz. Vielleicht findet ja jemand Spaß an einer ausgedehnten Suche?
    Ja, diesen ironischen Seitenhieb konnte ich mir nicht verkneifen. Das Sinken der Moskwa hat mich fassungslos gemacht. Entweder hatten die Ukrainer mit ihren Raketen unsagbares Glück, ein 180 m Schiff so perfekt zu treffen. Oder die Russen haben mal wieder durch Schlamperei und Schlendrian einen Brand nicht löschen können. Auf einem Kriegsschiff ist genau dieses Szenario zu erwarten, darum gibt es regelmäßige Drills zu “Feuer im Schiff”. Zusätzlich hat so ein Schiff normalerweise verschiedene Strukturen und Funktionen zum Feuerschutz. Das scheint hier alles nicht geklappt zu haben. Die meisten Seeleute und Soldaten sind wohl umgekommen. Es tut mir leid für jeden Menschen, der in diesem Krieg stirbt : (

  9. #9 Joachim
    29. April 2022

    Jo, das mit den Spionagebots kam mir so ähnlich auch in den Sinn. Deshalb ja mein Schreck. Einen netten Gruß an den “heldenhaften” Admin.

    Siehe es mir nach, dass ich nun nichts inhaltlich zum Artikel sage. Du kannst dir sicher vorstellen, wie ich die Idee finde, Dephine zu Waffen mutieren zu wollen.

    Aber ich darf doch sagen: Wieder mal ein kompetenter an Fakten orientierter Artikel. Du machst mich schlauer.

  10. #10 Bettina Wurche
    29. April 2022

    @Joachim: Vielen Dank, das freut mich! Ich bin sicher, dass die Delphine bald durch Drohnen ersetzt werden. Dann ist zumindest mit ihrem Einsatz Schluß.

  11. #11 Joachim
    29. April 2022

    O weh, ich fürchte da könntest du Recht behalten.

    Wenn sich wenigstens die Drohnen gegenseitig bekämpfen würden, so wäre das vielleicht ein Fortschritt – gäbe es nicht so viele echte Probleme auf dieser Welt…

  12. #12 manni66
    30. April 2022

    Google Earth liefert keine aktuellen Bilder. Was da auch immer zu sehen ist, stammt aus der Vergangenheit.

  13. #13 gedankenknick
    30. April 2022

    …dann beschuldigte die Türkei einen israelischen Geier der Spionage…

    Naja, im Ersten Weltkrieg wurden Brieftauben mit Kameras ausgestattet, welche wiederum einen pneumatischen Auslösemechanismus hatten, und so wurde die erste “autonome Luftaufklärung” der Welt betrieben. Nachzulesen bei Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Brieftaubenfotografie Wenn man sich überlegt, wieviel größer und schwerer 110 Jahre später Kameras geworden sind (meine EOS6D wiegt ca. 750g; mein 150-600mm-Tele wiegt knapp 2kg), ist der Einsatz von Geiern durchaus plausibel… ^^

    Selbst wenn Delphine in der Marie eingesetzt werden sollten, werden sie weder etwas gegen Seezielflugkörper, Drohnen, Artillerie, Torpedos (incl. Hochgeschwindigkeitstorpedos mit Kavitationstechnik) oder U-Boote unternehmen können.

    Wenn man schon Delphine einsetzen muss und will, sollte man sie wenigstens sinnvoll einsetzen. Minensuche, um diese dann anderweitig entschärfen zu können, würde mir so einfallen. Aber ich hab da vermutlich – zumindest aus der Sicht fraglicher Admiräle – sowieso eine völlig falsche Weltsicht.

  14. #14 Bettina Wurche
    30. April 2022

    @manni66: Wie könnte man denn an aktuelle Bilder kommen? Über Sentinel 2?
    https://sentinel.esa.int/web/sentinel/sentinel-data-access
    Ich kenne mich leider überhaupt nicht damit aus.

  15. #15 manni66
    30. April 2022

    @Bettina Wurche Als Privatperson ohne eigene Spionagesateliten ist das nicht einfach. Ich kenne da auch nur das Copernicus Programm der EU, zu dem auch die Sentinelsateliten gehören. Jeder erhält Zugriff auf die Rohdaten der Satelliten. Die müssen aber erst aufbereitet werden. Für Daten über Deutschland gibt es https://code-de.org/de/, das einem da hilft. Aber Sewastopol wird man sich da nicht ansehen können.

    Viel mehr als du weiß ich also leider auch nicht.

  16. #16 Bettina Wurche
    30. April 2022

    manni66: Doch, Sewastopol ist auf Sentinel 2 gut zu sehen. Als kürzlich die Ölpest vor Israel war, kamen die Daten auch vom Copernicus-Programm:
    https://scienceblogs.de/meertext/2021/02/22/oelpest-an-israels-mittelmeer-straenden/

    Auch Fischpiraten vor Afrika werden mit den Sentinels überführt:
    https://scienceblogs.de/meertext/2020/01/31/smarte-albatrosse-spueren-piratenfischer-auf/

    Aber die Auflösung ist zu schlecht, ich habe gerade auf Twitter die Bilder zugeschickt bekommen.

  17. #17 Matthias
    SC, USA
    2. Mai 2022

    Bin erst jetzt dazu gekommen, das hier zu lesen… und finde das so elendig traurig, was Menschen den Tieren (und sich gegenseitig) antun, es ist eine erbaermliche Schande der “Krone der Schoepfung”.
    Zu #8 wollte ich noch sagen, dass sowas aehnliches damals im Falklandkrieg passiert ist: Die HMS Sheffield ist auch von einer Rakete getroffen worden, deren Gefechtskopf nicht explodiert ist und die trotzdem das Schiff versenkt hat.

  18. #18 herb
    Heidelberg
    2. Mai 2022

    Glaub ich schon, dass die Russen Delphine zum Kampf unter Wasser einsetzen. Sie haben ja schliesslich auch einen Pavian zum Aussenminister gemacht….

  19. #19 Bettina Wurche
    3. Mai 2022

    @Matthias: Ja, daran musste ich auch denken. HMS Sheffield und ATLANTIC CONVEYOR brannten nach argentinischen Exocet-Treffern aus
    http://naval-history.net/F62-Falklands-British_ships_lost.htm
    https://de.wikipedia.org/wiki/HMS_Sheffield_(D80)
    Eine bittere Lehrstunde für die Royal Navy. Seitdem sind die Navy-Schiffe mit einer speziellen Abwehr für Raketenbeschuß wie etwa Exocet und neuere Typen ausgestatt. Außerdem tragen seitdem die Besatzungen bei Gefechtsbereitschaft einen weißen Feuerschutz-Anzug inkl Kapuze. Die Exocet hatte den Computerraum/elektronische Steuerungszentrale der HMS Sheffield getroffen, der schnell ausbrannte. Soweit ich weiß, ist da nur ein Mann mit schweren Verbrennungen überhaupt rausgekommen. (Eine entsetzliche Vorstellung). Bei meinem Besuch auf der im sicheren Heimathafen liegenden HMS ENTERPRISE hatten wir ja durch den Kommandanten eine Sonderführung bekommen – wir stiegen durch jede Menge Schotten. Beim Durchqueren jedes einzelnen kleinen runden Schotts mussten wir den schweren Deckel entriegeln und öffnen und direkt hinter uns wieder schließen. Das hat bei mir Kopfkino veranstaltet, welche entsetzlichen Ereignisse zu diesem Verhalten geführt haben.

    Wie es zu meiner Einladung zur Cocktailparty und Sonderführung auf der ENTERPRISE kam:
    https://scienceblogs.de/meertext/2017/03/31/south-georgia-hms-enterprises-walk-on-the-wild-side-bericht-aus-der-antarktis/
    https://scienceblogs.de/meertext/2017/04/20/auf-wal-survey-mit-hms-enterprise-im-suedatlantik/

  20. #20 Matthias
    SC, USA
    3. Mai 2022

    #19, sehr interessant, vielen Dank fuer die Links!

  21. #21 Tomtoo
    11. Mai 2022

    OT (mehr webb spaceig)
    Hey meine lieblings Meeresbiologin.
    Du hast die Bilder bestimmt schon gesehen, aber sind die nicht hammer?
    https://m.youtube.com/watch?v=KPJGk0TGFTo

  22. #22 Bettina Wurche
    12. Mai 2022

    @Tomtoo: Ja, die Bilder sind einfach unfaßbar. Hubble hat ja schon unser Bild vom Universum so stark verändert, James Webb wird noch um ein paar Dimensionen heftiger : )