Weißer Hai inmitten eines Thunfisch-Schwarms

Ein weißer Hai in einem Schwarm (mutmaßlicher) Tunfische, nahe der mexikanischen Insel Guadalupe; der Hai ist etwa 3,3 bis 3,6 Meter (oder 11 bis 12 Fuß) lang; das Bild wurde in natürlichem Licht mit einer Nikon D70s im Ikelite-Gehäuse[1] abgelichtet (Wikipedia; CC Terry Goss)

Der Schutz großer Knorpelfische wie Weißer Haie und Tigerhaie sowie die Einrichtung von Fischverbotszonen zeigen offenbar Wirkung: In Gewässern vor Hawaii und Polynesien werden jetzt immer größere Exemplare gesichtet.

Große Haie sind bis an den Rand ihrer Ausrottung gejagt worden, bis sie vor einigen Jahrzehnten in vielen Ländern unter Schutz gestellt wurden: Sportfischer suchten Nervenkitzel mit den großen Raubfischen und töteten vor allem große Exemplare. Gerade in US-Gewässern sowohl im Atlantik als auch im Pazifik erholen sich die Bestände von Großen Weißen Haie mittlerweile. Den Haien kommt auch zugute, dass durch Meeresschutzgebiete mit Fangverboten jetzt einst überfischte Areale wieder ein reiches Nahrungsangebot auch für Meeres-Megafauna bieten.

Aktuelle wissenschaftliche Beobachtungen haben jetzt ergeben, dass sich mittlerweile eine offenbar zunehmende Zahl gut genährter sehr großer Haie in den Ozeanen herumtreibt. Ein erwachsenes Weibchen des Weißen Hais (Carcharodon carcharias) erreicht normalerweise eine etwas über fünf Meter Länge (15 bis 16 Fuß), Männchen bleiben mit vier Metern (11 bis 13 Fuß) etwas kleiner. Vor Hawaii sind jetzt mehrere Weiße Haie mit über 20 Fuß, also über sechs Metern Länge, aufgetaucht – die größten je in hawaiianischen Gewässern beobachteten Exemplare. Gleich drei so große Knorpelfische fraßen gemeinsam an einem großen Walkadaver und ließen sich an diesem fetten Buffet gut beobachten und vermessen.
Haie sind extrem erfolgreiche Meeresjäger, die auf der Meerespirsch neuesten Forschungsergebnissen zufolge sogar ihre Farbe ändern können – in verschiedene Grauschattierungen – verschmähen aber auch Walkadaver nicht. Zu verlockend ist die kalorienreiche üppige Mahlzeit.

Wissenschaftler wie der Leiter des US-amerikanischen Shark-Labs, Chris Lowe, erklärte gegenüber dem Guardian, dass drei so große Haie an dem treibenden Wal keine Zufallssichtung sind, sondern auf eine Erholung der Bestände und eine ausgezeichnete Ernährungssituation hinweisen. Außerdem, so erklärt Lowe, müssen diese Tiere gleichzeitig nah genug am Walkadaver gewesen sein, um den Geruch aufzuspüren. Darum hält er es für möglich, dass sie gemeinsam im Ozean unterwegs sind  (“These sharks must have been close enough in the vicinity to detect the odour of that whale; then it also might mean that these sharks are travelling together.”).
Die Fischereiverbotszonen und auch die steigende Anzahl von Walkadavern durch die wieder angewachsenen Walbestände bieten den großen Raubfischen genug Nahrung, die sie auch bequem und sicher erreichen können. So ist auch ihr Bestand vor der kalifornischen Küste wieder gestiegen.

Fischereiverbote machen Haie feist
Nicht nur Längenwachstum sondern auch einen exzellenten Ernährungszustand hat die professionelle Haitaucherin und Meeresbiologin Kori Burkhardt (ehemals Garza) vor Französisch-Polynesien in einem vor 10 Jahren geschaffenen Hai-Schutzgebiet einen Tigerhai-Weibchen ((Galeocerdo cuvier) namens Kamakai beobachtet: Mit über fünf  Metern (16 Fuß) Länge war dieses Tier zwar nicht außergewöhnlich lang, aber mit einem Umfang von sicherlich drei Meter der wohl bestgenährte Hai, den sie je beobachtet hat, erzählte sie im Video „Kori and Kamakai“ gegenüber dem National Geographic.

Große Haie werden oft mit über Photoidentifikation katalogisiert, so dass ihr Leben und Wachstum wissenschaftlich verfolgbar wird, einzelne Tiere werden auch besendert und machen so ihre langen Wanderungen durch die Ozeane sichtbar. Besonders intensiv ist die Hai-Forschung in US-Gewässern, sowohl im Atlantik als auch im Pazifik (vor Kalifornien und Oregon bzw. um Haiwaii), was zu guten erfolgen des Haischutzes und immer wieder spektakulären Forschungsergebnissen führt, wie dem „White Shark Café“ als Sammelpunkt für Weiße Haie.

Auch wenn der Haischutz jetzt dazu führt, dass es wieder mehr Weiße und andere große Haie gibt, sind diese langlebigen Knorpelfische mit der langsamen Vermehrungsrate immer noch stark bedroht und brauchen dringend weiterhin Schutz. Für die in einigen asiatischen Ländern begehrte Haiflossen-Suppe werden Haie aller Arten – darunter auch streng geschützte – weiterhin rücksichtslos ausgebeutet (Zum Weiterlesen: Meertext: Was Chinas Fisch-Piraterie und Climate Fiction verbindet).

Mehr Haie vor Hawaii, Kalifornien und der US-Ostküste
Weiße Haie ziehen ihre Bahnen im offenen Ozean und in tiefen Gewässern, wo es direkt hinter den Küsten tief wird, gibt es besonders häufige Sichtungen, die oft Hai-Alarm auslösen. Natürlich greifen manche Exemplare ab und zu Menschen an, was zu  Kratzern, zum Verlust einer Extremität und in seltenen Fällen auch zum Tod führen kann. Für 2015 sind insgesamt 98 Hai-Angriffe weltweit für alle Arten dokumentiert, davon waren 6 tödlich. Eine Reihe von spektakulären Hai-Unfällen lieferte den Roman und Film „Jaws“ (Der Weiße Hai).
Besenderte Haie ermöglichen Forschern, ihre Wege per Satellit zu verfolgen und ihre langen Wanderungen und Patrouillengänge am Kontinentalhang zu verfolgen.

Noch mehr Sichtungen und Hai-Unfälle vor Kalifornischen Badestränden führen zu der Bezeichnung Rotes Dreieck für ein besonders haiintensives Gebiet.
Die spektakulären Dronenaufnahmen des Fotografen und Dronenpiloten Carlos Gaura hatten dokumentiert, wie nahe sich Menschen und Haie vor Kalifornien kommen – meist junge Tiere jagen dort unter den Beinen von Badendenden am Meeresboden Rochen.
Im Pazifik haben besenderte Haie ihren geheimen Treffpunkt verraten, das White Shark Cafe. Es scheint ein wichtiger Ort für die Paarung zu sein, allerdings scheinen die großen Knorpelfische dort auch einfach gemeinsam „abzuhängen“, möglicherweise kommunizieren sie dort mit ihren besten Freunden. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass manche auffallend lange gemeinsam schwimmen, was auf individuelle feste Bindungen hinweist. Ob Haie sich individuell erkennen können, ist bis jetzt nicht nachgewiesen. Da Fische sich individuell erkennen, etwa an Mustern im Gesicht, die für uns nur bei UV-Licht sichtbar sind, können die Knorpelfische das vermutlich auch.

Weibliche Haie tauchen nur alle zwei Jahre im Cafe auf, männliche hingegen jedes Jahr. Das passt zu ihrem Fortpflanzungszyklus: Sie haben eine lange Tragzeit von fast zwei Jahren und bringen dann nur wenige lebende Jungtiere zur Welt. Dass Haie seit langer Zeit eine innere Befruchtung haben (Meertext: Die Evolution des Hai-«Penis» – ein uraltes und bewährtes Organ) und Haimütter ihre Jungen über eine Art Plazenta lange versorgen, zeigt ihre starken Unterschiede zu den Knochenfischen, die heut ein viel mehr Arten die Gewässer bevölkern.

Wie geht es weiter?
Mit der steigenden Hai-Population wird es auch mehr Sichtungen geben und durch den besseren Ernährungsstatus mehr sehr große Haie. Ich befürchte, dass es dann häufiger zu Interessenskollisionen zwischen Haien und Menschen kommen wird. Darum ist es wichtig, mit sachlichen Informationen aufzuklären, dass diese Megafauna-Arten keine reißenden Bestien sind, die nur auf menschliche Schwimmer warten. Vielmehr braucht es ein neues Verhältnis und einen respektvollen Umgang mit ihnen. Ein Artikel von mir zu diesem Thema ist gerade in Planung, ich sage beim Erscheinen Bescheid (voraussichtlich Oktober).

Kommentare (15)

  1. #1 RPGNo1
    27. Juli 2022

    Nachdem es zuletzt eine schlechte Nachricht für die großen Haie gab (Orcas jagen sie vor Südafrika), ist es zur Abwechslung schön festzustellen, dass es auch gute Entwicklungen gibt.

  2. #2 Bettina Wurche
    27. Juli 2022

    @RPGNo1: Das fand ich. Hoffentlich kommen jetzt nicht noch mehr Orca-Populationen auf den Geschmack : )

  3. #3 Spritkopf
    27. Juli 2022

    Wo wir gerade beim Thema sind: Da gibt es dieses frische Video.

    Im Englischen nennt man sowas wohl einen “brown trousers moment”.

  4. #4 Bettina Wurche
    27. Juli 2022

    @Spritkopf: Uups. Was für ein Trumm. Ich glaube nicht, dass ich in dem Fall in diesem Plexiglaskästchen sitzengelblieben wäre.
    Ich frage mich allerdings, ob dieses Video alles zeigt. Der Hai schwimmt inmitten von Fischen, war also offensichtlich nicht hungrig. Warum greift er dann den Taucher an? Die Unterwasseraufnahme lässt vermuten, dass noch weitere Taucher im Wasser waren. Warum greift der HAi dann scheinbar aus dem Nichts den TAucher im Plexiglaskästchen an?
    Ist der vielleicht irgendwie angeködert worden, um spektakuläre Aufnahmen zu bekommen?

  5. #5 Spritkopf
    27. Juli 2022

    @Bettina Wurche

    Der Verdacht liegt nahe. Die Sendung heißt Shark Week und sie zeigen wohl regelmäßig eigenes Filmmaterial mit Haien. Heißt, sie müssen immer sensationelleres Material zeigen, damit die Zuschauer auch schön bei der Stange bleiben.

    Sie haben zu diesem Haiangriff den Regisseur der Serie bei CNN interviewt und der sagte, dass Haie normalerweise auf Haikäfige so reagieren, dass, wenn sie ihn berühren, das für sie ein unnormales Gefühl ist und sie daraufhin wegschwimmen. Und wenn die Macher dieser Sendung damit rechnen und die Haikontakte immer mehr ausreizen und dann mal ein Hai nicht wie erwartet reagiert, tja, dann kann es wie hier zu einem Oh-Shit-Moment kommen.

    Seien wir froh, dass dem Taucher nichts passiert ist. Hat schon was Surreales, wenn er an die Wände seiner Polycarbonat-Box klopft, als wolle er sagen: “Hey, Hai, beachte mich!” Und der: “Ganz wie du möchtest.”

  6. #6 Aginor
    27. Juli 2022

    @RPGNo1 und Bettina

    An die Orcas musste ich auch sofort denken. Lecker fette Haileber im Angebot, würde mich nicht wundern wenn die Orcas woanders auf die gleiche Idee kommen wenn da so viele Haie sind.

    Gruß
    Aginor

  7. #7 Trottelreiner
    28. Juli 2022

    Stehen die haifressenden Orcas eigentlich den meeressäugerjagenden oder der (knochen-)fischjagenden Populationen näher?
    Ja, meine Orca-Kenntnisse sind nicht ganz auf dem Neuesten.

    Ansonsten, James “Gaia” Lovelock ist mit 103 Jahren gestorben. Vielleicht erinnert sich noch wer…

    Etwas abgedreht, aber nicht so weit wie John Lilly oder Rupert Sheldrake. Vergleiche zu Lynn Margulies kann ich jetzt nicht ziehen…

  8. #8 Bettina Wurche
    28. Juli 2022

    @Trottelreiner: Ich meine mich zu erinnern, dass es ein Orca-Pärchen war, das erst seit Kurzem dort aktiv war. Über ihre Population war noch gar nicht mehr bekannt. Meine Vermutung: Durch Überfischung oder Meereserwärmung/Veränderung der ozeanographischen Verhältnisse haben die beiden sich neue Jagdgründe gesucht.
    Soweit ich gesehen habe, ist dort auch noch keine Zahnanalyse der Orcas gemacht worden, dann könnte man das ja am Zahnabrieb sehen.
    Von denen werden wir noch hören, ich bin sehr gespannt!

  9. #9 BBr
    Niedersachsen
    28. Juli 2022

    Auf mich wirkt es bald so, als ob der Hai die ganze Zeit überlegt, wie er den Käfig knacken kann. Was ihm dann auch gleich im ersten Versuch gelingt. Ich weiß, man sollte Tiere nicht vermenschlichen. Andererseits haben wir Tiere schon oft unterschätzt, besonders Fische.

  10. #10 Spritkopf
    1. August 2022

    @Bbr

    Auf mich wirkt es bald so, als ob der Hai die ganze Zeit überlegt, wie er den Käfig knacken kann.

    Habe mal vor seeehr langer Zeit in einem Haibuch gelesen, dass das Anrempeln durch einen Hai, wie wir das bei der Polycarbonatbox gesehen haben, deswegen geschieht, weil sie angeblich auch Geschmacksnerven auf ihrer Haut sitzen haben. Also fast sowas wie ein Test der Art “hey, wie schmeckst du?”.

    Ob das stimmt, weiß ich nicht. Bettina kann sicherlich mehr dazu sagen.

  11. #11 Bettina Wurche
    1. August 2022

    @Trottelreiner: Exzellente Frage! Vor Südafrika gibt es mittlerweile zwei verschiedene Orca-Ökomorphotypen. Eine Gruppe lebt dort schon lange: sie fressen Fische, Tintenfische und Seevögel. Dazu gab es immer mal wieder einzelne Strandungen oder Beobachtungen eines zweiten Typus, der wesentlich kleiner ist und stark abgenutzte Zähne hat, was auf das Fressen von Beute mit abrasiver Wirkung hinweist – wie Haie! Allerdings gibt es über diesen 2. Typus noch zu wenig Info, die Mägen waren meist leer. Diese 2. Gruppe lässt sich bis jetzt nicht einordnen. Das haijagende Pärchen in der Gaansbai lässt sich aufgrund zu weniger Infos noch nicht zuordnen. Könnte aber gut sein, dass sie zum 2. TYpus gehören.

  12. #12 Thomas Z.
    Thüringen
    3. August 2022

    @Spritkopf Das Video ist wirklich Sensationsgeheische nach aller übelster Manier!
    Ich denke auch, daß der Hai angefüttert wurde. Das Umkreisen und Anrempeln (Reiben) ist m.E. typisch, um festzustellen ob die potentielle Beute eine Gefährdung darstellt und der Protagonist ähnelt in seinem Neopren und den abgehackten Bewegungen (zumal als er klopft) einer Robbe….

    Übrigens wurde in China gerade eine “Influenzerin” wegen des Grillens eines 2m langen Weißen Haies belangt. Das läßt hoffen….

  13. #13 Bettina Wurche
    3. August 2022

    @Thomas Z.: Die Frage ist, warum sie belangt wurde: Ob wegen des Hais oder des offenen Feuers. Eigentlich setzen die Chinesen Artenschutz nicht durch, vielmehr sagt die Regierung, dass sie keine Kenntnis von CITES-Verstößen chinesischer Firmen habe. Ich boykottiere mittlerweile chinesische Produkte, wo es nur möglich ist.

  14. #14 Thomas Z.
    3. August 2022

    Hallo Bettina,

    ersteinmal Danke für Deinen interessanten und unaufgeregten Blog!!!
    Die Meldung hatte ich auf Spiegel online gelesen… Es geht in diesem Falle erstaunlicherweise wirklich um den Artenschutz. Wobei es sich bei diesem System möglicherweise eher um medial wirksame Augenwischerei handeln kann, bei der ein “Exempel” statuiert werden soll…
    https://www.spiegel.de/netzwelt/web/chinesische-influencerin-grillt-weissen-hai-nun-droht-ihr-eine-freiheitsstrafe-a-1e7e08ee-d895-451d-80fa-309a82de5d87

    Liebe Grüße
    Thomas

  15. #15 Dampier
    9. Dezember 2022

    Hier hat wohl jemand ein antikes Shark Café gefunden:

    Scientists discover shark graveyard at the bottom of the ocean

    (…) one of the more unsual finds on the previous voyage to Cocos (Keeling) Islands was the discovery of a shark graveyard on the seafloor. Scientists (…) made the surprising discovery (…) at a depth of 5400 m. The trawl brought up more than 750 mineralised (fossilised) shark teeth representing a range of predatory species.

    Curator of Fishes at the Western Australian Museum, Glenn Moore is on the underway voyage and said the shark teeth came from an interesting mix of modern and ancient sharks.

    “The teeth look to come from modern sharks, such as mako and white sharks, but also from ancient sharks including the immediate ancestor of the giant megalodon shark,” said Dr Moore.

    https://www.csiro.au/en/news/News-releases/2022/Scientists-discover-shark-graveyard-at-the-bottom-of-the-ocean