ElsterCon 30 in Leipzig (Cover des ConBuchs und Motto-Illustration der Veranstaltung

Bibliophile Phantastik-Fans aus ganz Deutschland und Österreich trafen sich am vergangenen Wochenende in Leipzig auf dem ElsterCon, ausgerichtet vom Freundeskreis SF Leipzig. Sehr passend im Haus des Buches hatten wir ein straffes Programm mit Lesungen und Sachvorträgen, außerdem Bücherstände vom Hirnkost Verlag, dem fliegenden Secondhand-Buchhändler Reinhard Rauscher, der die heiß begehrte Ware direkt aus Bananenkisten verkauft, und viele weitere AutorInnen mit ihren Bücherstapeln.
Bilder gibt es nur wenige, es war kein Con mit Kostümen, sondern “nur” mit Büchern. Darum gibt es auch ein on-Buch, mit Beiträgen der Referenten und weiteren AutorInnen, Hardcover und Softcover, wieder richtig schön gestaltet und mit utopischen Illustrationen.

Das Motto des 30. ElsterCons waren Utopie und Humor in der Fantastik. Neben Lesungen Sachvorträgen und Podiumsdiskussionen wurden auch noch die Kurd Laßwitz-Preise für 2021 erschienene Werke vergeben. Kim Stanley Robinson (KSR) erhielt die Auszeichnung für seinen ClimateFiction-Roman „Das Ministerium für die Zukunft“ in der Kategorie „Bestes ausländisches SF-Werk“. Da der US-amerikanische Autor – einer der berühmtesten SF-Autoren dieses Spiralarms der Galaxis – in diesem Jahr 70 geworden ist und nicht mehr weit reisen mag, durfte ich seine Arbeit mit einem Vortrag vorstellen: „Kim Stanley Robinsons Klimazukünfte“. Mehr dazu im 2. Teil dieses Artikels.

Vor zwei Jahren war ich zum ersten Mal auf dem ElsterCon in Leipzig und traf auf höchstens drei Bekannte. Als ich dieses Mal am Samstag bei meinem Vortrag ins Publikum schaute, kannte ich etwa die Hälfte der Anwesenden. Ich war entspannt, fühlte mich heimisch und freute mich schon auf spannende Gespräche über schon geschriebene und noch zu schreibende Bücher und andere Projekte. Das kreative Potential in dieser Community ist unglaublich hoch.
Da ich auf dieser ganz viele Autorinnen, Herausgeberinnen und sonstige Akteurinnen der SF getroffen habe, habe ich unglaublich viele Gespräche geführt und leider kaum andere Vorträge und Lesungen gehört. Darum kann ich nicht viel von den Inhalten der anderen Panels berichten. Stattdessen habe ich eher Gespräche mit Einzelpersonen und kleinen Gruppen geführt, wir haben über neue Projekte gesprochen, Bücher und Buch-Kapitel geplant, Konzepte ausgeheckt und Vereinbarungen für Events im nächsten Jahr getroffen. Sehr spannend dürfte der MetropolCon in Berlin im Mai werden! Da bin ich natürlich auch dabei, mit einer Performance zum Thema „Future Food – Essen der Zukunft“. Der MetropolCon wird multimedial, das wird sicherlich eine ungewöhnliche Veranstaltung.

Der Grüne Planet

Der Stand des Hirnkost Verlags war für mich natürlich besonders anziehend, er ist mir mittlerweile ans Herz (und Hirn) gewachsen
Er bringt nämlich auch das Science Fiction Jahr heraus, für das ich 2021 einen Beitrag über Flooded Futures beigesteuert hatte. Das SF-Jahr vertritt mit Jahresthemen wie Kolonialismus oder Klimakrise gesellschaftspolitisch brandaktuelle Themen und ist damit Science Fiction im ursprünglichen Sinne, die ja vor über 100 Jahren als Gesellschaftskritik angelegt war.  Die SF-Jahr Herausgeber Melanie Wylutzki und Hardy Kettlitz waren in Leipzig natürlich auch dabei. Der politisch aktive ehrenamtliche Verlagschef Klaus Farin hat den Anspruch, die SF als gesellschaftspolitisches Statement weiter zu verbreiten, darum ist die Climate Fiction hier ein wichtiger Teil. Klaus` politisches Engagement bildet sich im Verlags-Portfolio klar ab. Ich habe mir zwei Anthologien mitgenommen „Pandemien“ und “Der grüne Planet“. Zum Lesen bin ich noch nicht viel gekommen, aber Anna Grießers Kurzgeschichte von drei Quallen, die in einem austrocknenden Tümpel sitzen und die Klimakrise und Evolution diskutieren, hat mich herzlich zum Lachen gebracht. Eine der Quallen glaubt übrigens nicht an die Klimakrise, sondern hat nur Angst vor Haien (Anner Grießer: „Quallengeflüster“ in „Der Grüne Planet“). Die Bücher sind fest gebunden und zum Wegträumen schön illustriert.
Eine weitere Reihe hat mein Augenmerk auf sich gezogen: Klaus möchte nach und nach einige Titel der klassischen deutschsprachigen Science-Fiction („Schätze“) herausgeben, mit jeweils einem aktuellen Vor- oder Nachwort. Dafür hat er mich angefragt und ich suche mir gern einen passenden Titel heraus. Als kleiner Verlag mit Nischen-Programm hat auch Hirnkost mit den Auswirkungen der Papier- und Energiekrise zu kämpfen, darum habe ich allein schon aus Solidarität einige Bücher mitgenommen.

Für mein ClimateFiction-Thema und speziell zu KSR war das Hirnkost-Buch „Kim Stanley Robinson – Erzähler des Klimawandels“ von Fritz Heidorn und KSA selbst eine exzellente Grundlage. Es ist eine Hybride zwischen Erzählungen von Robinson und einem sehr guten biographischen Sachteil sowie Interviews von Fritz Heidorn. Die beiden Autoren kennen sich schon sehr lange und haben das gleiche Anliegen: Klimaschutz. Dieses Buch war für mich ein seltener Glücksgriff und lässt sich gerade durch die Hybridisierung aus Science und Fiction sehr gut lesen.
Auf Initiative von Klaus Farin (Hirnkost Verlag), dem Klimahaus Bremerhaven und dem Autoren Fritz Heidorn wurde der Preis „Klimazukünfte 2050“ ins Leben gerufen, ein ClimateFiction-Schreibwettbewerb für junge und ältere Menschen. Heidorn und das Klimahaus zeigen damit, dass sie die ClimateFiction als wichtigen Beitrag zur Kommunikation der Klimakrise verstanden haben.

Auch der Austausch mit Uwe Post war genauso inspirierend, wie erwartet. Sein „Future Fiction Magazin“ mit einer Mischung aus Erzählungen und Sachtexten gefällt mir ausgezeichnet. Es geht um Solarpunk, also die Absage der Dystopie. Dafür werden SF-Geschichten abseits der üblichen Pfade vorgestellt, etwa afrikanische SF oder moderne SF, die über Gendergrenzen hinweg  erzählt. Manche Menschen meines Alters sind mit dem Gendern-Thema heillos überfordert, ich möchte hingegen mehr darüber erfahren, denn es ist für jüngere Generationen ein wichtiges Anliegen – und ich möchte wissen, was jüngere Menschen bewegt.
Ich hatte für die 2. Ausgabe einen Beitrag zu Wal-Kommunikation beigesteuert. Die Mitautorin Aiki Mira ist  in Leipzig mit dem Kurd Laßwitz-Preis 2022 für die beste deutschsprachige SF-Erzählung 2021 ausgezeichnet worden, für ihre Geschichte „Utopie 27“ . Das absolute Zugpferd der zweiten Ausgabe des Future Fiction Magazins ist natürlich Andreas Eschbach in gewohnter erzählerischer Höchstform.

Leo Lukas im Abendprogramm

Auf einer deutschsprachigen BuchCon darf natürlich das Perry Rhodan-Segment nicht fehlen, das mit gleich mehreren AutorInnen vertreten war: Robert Corvus, Leo Lukas und Lucy Guth. Ich muss zugeben, noch nie einen Perry Rhodan-Roman gelesen zu haben, die sehr spezielle Sprache und die umfangreiche Story haben mich nach einer halben Seite aufgeben lassen. Den Perry Rhodan-AutorInnen höre ich allerdings immer gerne zu, da sie mit viel Selbstironie über ihre Werke erzählen.

Zum 30. ElsterCon waren als Ehrengäste zwei Autoren aus England eingeladen, Martha Wells, Jasper Fforde, Ben Aaronovitch und anderen. Beim Rückblick auf 30 Jahre ElsterCon wurden dann die in den letzten 30 Jahren eingeladenen AutorInnen gezeigt, darunter Persönlichkeiten wie R. R.  Martin und Jack McDevitt, letzterer ist mein absoluter Lieblings-SF-schriftsteller. Eine ganz schön illustre Reihe!
Am Sonntag wurde dann noch ein besonderer Mensch geehrt: Reinhard Rauscher, der fliegende SF-Händler, der auf keiner Con fehlt. Er ist am Sonntag 75 geworden! Ein Urgestein der Szene, klein und bescheiden, doch mit großer Wirkung: Nach der Wende brachte er günstige Second Hand-SF-Romane zu den neugierigen Lesenden im Osten der Republik, die so großen Nachholbedarf hatten.
Einige haben mir ihre Erstkontakte mit westlicher Zukunftsliteratur geschildert und ihre Begeisterung, auf einmal ein anderes Universum entdecken zu können. Diese Geschichten waren mal wieder ein schlagender Beweis für die Kraft von Büchern und gemeinsamen Interessen.
In mehreren Gesprächen erzählten mir Gleichaltrige, dass ihre Kinder jetzt teilweise in Klima-Depressionen versunken sind und daraus nur schwer wieder herausfinden. Eine konstruktive Auseinandersetzung damit könnte beim Schreiben geschehen. ClimateFiction kann auf jeden Fall ein Weg zur Krisenbewältigung gerade auch für Jugendliche und Kinder dienen.

Was mir auf dem ElsterCon durchweg sehr gut gefallen hat: Die meisten Gespräche waren eine Mischung aus sehr ernsten Inhalten wie der Klima- und sozialen Krise, Überlegung zur besseren Kommunikation von wissenschaftlichen Fakten und humorvollen sowie schönen Geschichten, aus denen man dann wieder Kraft schöpfen konnte.
Insgesamt besteht ein ungeheurer Gesprächsbedarf, gerade auch wieder mit echten lebenden Menschen. Das wurde auch in der Podiusmdiskussion zum Thema “Utopien” sehr deutlich: Dietmar Dath moderierte ein Gespräch mit Emma Braslavsky, Theresa Hannig, Isabella Hermann, Martha Wells und mir. Gern hätten wir wesentlich länger miteinander gesprochen und auch viel mehr mit dem Forum interagiert, aber in einer Stunde schafft man nicht mehr. Die Gespräche wurden dann in Grüppchen fortgesetzt – überall standen gestikulierende und zuhörende Menschen.

Genau dieses Fazit zog der ElsterCon-Chef Thomas Braatz auch am Ende der Veranstaltung: Wir brauchen Utopien als positive Erzählungen, um Wege aus der derzeitigen multiplen Krisensituation von Klima- und Ökokrise, sozialer Krise, Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg sowie Energiekrise zu finden. Und Humor hilft dabei ganz bestimmt. Ich persönlich fand es interessant, dass gerade hier im Kreis der Science-Fiction Fans und Bücherwürmer der Mut besteht, sich mit diesen so bedrückenden Krisen aktiv und konstruktiv zu befassen, um Lösungen zu finden. Diesen Mut haben noch nicht alle Menschen gefunden.

Über meinen Vortrag „Kim Stanley Robinsons Klimazukünfte“ erzähle ich im nächsten Teil mehr:  ElsterCon 2022: Kim Stanley Robinson, Climate Fiction und Utopien

Kommentare (1)

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