Merseburger Dom und Zaubersprüche

Zwischen Schloß und Dom

Zwischen Schloß und Dom

Merseburg ist Teil der „Straße der Romanik“, der 1000 Jahre alte Merseburger Dom St. Johannes und St. Laurentius war eine Kaiserpfalz. Das heutige Dom-Schloß-Ensemble auf einer Insel in der Saale (der Dom ist der vierte Schlossflügel) ist beeindruckend groß und überragt immer noch die Altstadt, in früheren Jahrhunderten muss die Wirkung atemberaubend gewesen sein.
1015 legte Bischof Thietmar von Merseburg im Auftrag Kaiser Heinrich I. den Grundstein für zunächst eine Kathedrale, bald folgte die Krypta. Dieser sakrale Ort wurde immer weiter ausgebaut, unterbrochen von gelegentlichen Einstürzen. Die erste Weihe erfolgte unter Heinrich II. und Kunigunde, diese Pfalz soll einer der liebsten Aufenthaltsorte gewesen sein. Heinrich IV. und seine Auseinandersetzung mit seinem Gegenkönig Rudolf ist durch Rudolfs mumifizierte abgeschlagene Hand im Dom verewigt. Der vierte Heinrich war übrigens derjenige, der nach Canossa ging.
Alle Heinriche und Kunigunde, Bischof Thietmar und die Heiligen Johannes und Laurentius (letzter leicht erkennbar am Bratrost, auf dem er von Ungläubigen gefoltert worden war) tauchen überall im Dom immer wieder auf. Ich fand das Gebäude von innen sehr hell und lichtdurchdrungen, mit seinen hellen Gemäuern und den transparenten Fenstern. Das mag einst anders gewesen sein, von der farbenprächtigen Ausmalung sind nur Fragmente erhalten und die einst prachtvollen bunten Fenster sind den Bomben des 2. Weltkriegs zum Opfer gefallen, so dass heute überwiegend farbloses Glas viel Licht einlässt. Die Krypta war für mich ein wenig enttäuschend leer, da bin ich aus dem Kaiserdom zu Speyer eine größere Belegschaft, mehr Kaisernähe und viel mehr Düsternis gewohnt : )

Was mich persönlich auch gefreut hat, ist die Gegenwart der Markgräfin Uta zumindest im Shop des Doms. „Uta von Naumburg“ ist eine Statue aus dem 13. Jahrhundert im Naumburger Dom. Sie soll wahrscheinlich die Stifterin Uta von Ballenstedt (1000?–1046) abbilden, die Ehefrau des Markgrafen Ekkehard II. von Meißen. Die „schönste Frau des Mittelalters“ ist eine der 12 Stifterfiguren und mit Abstand die bekannteste – ihre ebenmäßigen Gesichtszüge sind zeitlos und wirken zumindest auf mich beeindruckend. Ihre ausdrucksvolle Gestik, wie sie mit den Händen den Mantel um sich zieht, lädt die Figur mit Spannung und Dramatik auf. Da die Statue erst 200 Jahre nach ihrem Tod erschaffen wurde, weiß niemand, wie ähnlich sie der echten Uta wirklich ist. Aber das ist unerheblich, sie ist eine Ikone.

Der Garten vor dem Kreuzgang

Der Garten vor dem Kreuzgang

Zum Dom gehören auch die umliegenden Gebäude wie ein erhaltener Kreuzgang mit einem im November verwunschen-verlassenen Garten und eine Ausstellung, in deren Keller die Merseburger Zaubersprüche zu finden sind.
Diese Zaubersprüche wurden erst 1841 von dem Historiker Georg Waitz in einer theologischen Handschrift des 9./10. Jahrhunderts in der Bibliothek des Domkapitels zu Merseburg entdeckt und 1842 von Jacob Grimm erstmals kommentiert und herausgegeben. Grimm war ein bedeutender Sprachwissenschaftler, der weit mehr als „nur“ Märchen sammelte, er suchte vor allem nach alten Texten und mündlichen Erzählungen, die Aufschluss über die Lebewelt und das Denken der einfachen Menschen früherer Zeiten gaben. Die beiden heidnischen Zauberformeln gehören zu den wenigen auf Althochdeutsch überlieferten Texten, die Themen und Figuren der vorchristlichen germanischen Mythologie nennen. n. Interessant ist, dass solche Zaubersprüche mit der Nennung heidnischer Götter wie Wotan in einem Sacramentum, einer Sammlung christlicher Gebete, notiert waren.  Der Grund dafür ist genauso wenig geklärt wie ihr genaues Entstehungsdatum, das heute aufgrund der Reimform und Wortwahl um 750 vermutet wird.

Der Erste Merseburger Zauberspruch wird als ein Lösezauber von Fesseln gefangener Krieger interpretiert, der Zweite Merseburger Zauberspruch ist ein Heilungszauber eines verletzten beziehungsweise verrenkten Pferdefußes.

Merseburg, Domstiftsbibliothek, Cod. 136, fol. 85r mit den Merseburger Zaubersprüchen im oberen Teil (Zeilen 1–12). Digital colorierter Scan eines Photodrucks aus dem 19. Jahrhundert (Verlag v. F. Enneccerus, Frankfurt am Main 1897), der nicht den heutigen Zustand des Originals wiedergibt. (Wikipedia)

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Kommentare (16)

  1. #1 Sascha
    1. Dezember 2022

    Schön, dass es dir hier gefallen hat.

    “BUNA leitet sich aus dem Verfahren zur Herstellung von Synthesekautschuk, die Polymerisation von Butadien mit Natrium – auch Buna genannt – ab.”

  2. #2 RPGNo1
    1. Dezember 2022

    Danke schön für den informativen Reisebericht.

    Was Mittelalter(rock)musik angeht, habe ich übrigens vor kurzem Feuerschwanz entdeckt, die diese Genre mit einem sehr großen Augenzwinkern interpretieren.

  3. #3 Bettina Wurche
    1. Dezember 2022

    @Sascha: War super und wir kommen wieder : )

  4. #4 Bettina Wurche
    1. Dezember 2022

    @RPGNo1: Danke für den Feuerschwanz-Tip, da höre ich gern mal `rein. Der Reisebericht geht natürlich noch weiter, ich habe in 2,5 Tagen so viel Tolles erlebt!

  5. #5 RPGNo1
    2. Dezember 2022

    Bevor SB dicht macht, muss ich noch einmal (off-topic) eine Dinostory verlinken. 🙂

    https://www.sciencenews.org/article/dinosaur-fossil-body-like-duck

  6. #6 Bianca
    Nürnberg
    3. Dezember 2022

    Interessanter Artikel, hat Freude gemacht, ihn zu lesen 🙂 Danke dafür

    Lg, Bianca

  7. #7 Bettina Wurche
    4. Dezember 2022

    @RPGNo1: Danke! Ich hoffe doch, dass zumindest wir uns bei den SciLogs wiedersehen? Mein Umzug ist beschlossen. Du und ein paar andere hier gehören zu meiner persönlichen fetsen digitalen Community, ich würde Dich und die anderen Stimmen sehr vermissen.
    Wie es mit den Scienceblogs jetzt konkret weitergeht, ist immer noch unsicher. Diese unklare Situation gefällt mir nicht, ich plane ganz gern etwas langfristiger und strukturiert.

  8. #8 Bettina Wurche
    4. Dezember 2022

    @Bianca: Gern : ) Solche tollen Erlebnisse muss man doch teilen : )

  9. #9 RPGNo1
    4. Dezember 2022

    @Bettina Wurche

    Ich hoffe doch, dass zumindest wir uns bei den SciLogs wiedersehen? Mein Umzug ist beschlossen.

    Da habe ich gleich Fragen: Wann zieht denn “Meertext” um? Oder erhält das Blog einen neuen Titel?

    Ich würde mich auf weiteren Gedankenaustausch suf SciLogs freuen. Bei Florians jetzt unabhängiger Page “Astrodicticum Simplex” habe ich auch bereits kurz reingeschnuppert, auch wenn Astronomie nicht unbedingt mein präferiertes Interessengebiet ist.

  10. #10 Bettina Wurche
    5. Dezember 2022

    @RPGNo1: Ab 01.01.2022 will ich drüben weiterbloggen, wir werden das jetzt in die Wege leiten. Und “Meertext” ist und bleibt mein Name, meine Textagentuer heisst ja so. Gut, dann werden wir uns wiedersehen/wiederschreiben!

  11. #11 RPGNo1
    5. Dezember 2022

    @Bettina Wurche

    Danke

  12. #12 rolak
    5. Dezember 2022

    Ab 01.01.2022

    Unfassbar^^ noch nicht angefangen und schon ein Jahr zu spät – Level DeutscheBahn!


    Erfolgreichen Umzug – die Einladungskarte wird hier mit dem für dort seit Jahren etablierten Artikel-rss eintrudeln.

  13. #13 Dampier
    6. Dezember 2022

    Ich finde, was Mittelaltermusik angeht, sind Ougenweide immer noch unerreicht.

    https://youtu.be/emQDgoKOxog

    Merseburger Zaubersprüche, 1974

  14. #14 Bettina Wurche
    6. Dezember 2022

    @Dampier: Danke – das ist traumhaft schön! Es gibt eine Diskussion, ob diese Zaubersprüche ursprünglich vertont waren. Diese Zaubersprüche sind ein ganzes Thema für sich : )

  15. #15 rolak
    6. Dezember 2022

    ¿ursprünglich vertont?

    Aufgrund einer hoffentlich nicht allzu tragischen Einschränkung kann ich mir gute Zaubersprüche ausschließlich intoniert vorstellen; Rhythmus und Betonung sind da mindestens vorgegeben…

  16. #16 RPGNo1
    31. Dezember 2022

    Ich wünsche einen guten Rutsch ins neue Jahr! 🙂

    Auf ein Neues dann ab dem 01.01.23 bei SciLogs.