Das Deutsche Ärzteblatt meldet heute, dass Kinder aus sozial schwachen Familien kleiner sind als Kinder aus wohlhabenden Familien.
Die Meldung beruht auf einer Studie von Jörg Baten von der Universität Tübingen und Andreas Böhm, zum Zeitpunkt der Studie beim Landesgesundheitsamt Brandenburg, heute arbeitet er im Brandenburger Gesundheitsministerium (Baten J, Böhm A (2010): Trends of Children’s Height and Parental Unemployment: A Large-Scale Anthropometric Study on Eastern Germany, 1994-2006. German Economic Review 11-1: 1-24).
Historiker haben bei Untersuchungen zur sog. Akzeleration, also der Zunahme des Größenwachstums der Menschen von Generation zu Generation, schon länger auf den Zusammenhang von Wohlstand und Körpergröße hingewiesen. Zum Beispiel waren die Menschen im Mittelalter noch deutlich kleiner als heute. Als ein Faktor wird die Ernährung genannt.
Interessant ist, dass dieser Zusammenhang auch in historisch relativ kurzen Zeiträumen wirksam und nachweisbar ist. Baten und Böhm haben Daten der Brandenburger Einschulungskinder aus den Jahren 1994 bis 2006 untersucht und dabei die Körpergröße mit Sozialmerkmalen korreliert. Das Ausbildungsniveau der Mutter und die Arbeitslosigkeit haben demnach einen deutlichen Einfluss auf das Größenwachstum der Kinder, auch wenn andere Einflussfaktoren statistisch kontrolliert werden. Die Studie zeigt außerdem, dass die Schuleingangsuntersuchungen auch wissenschaftlich einiges zu bieten haben – wenn jemand etwas mit den Daten macht und sie nicht nur in die Schublade packt. Allein die Fallzahlen: Hier wurden Daten von über 250.000 Kindern ausgewertet, davon können viele Forscher sonst nur träumen.
Was die Studie vom Design her nicht leisten kann, ist eine kausale Erklärung des festgestellten Zusammenhangs. Da eine Mangelernährung von Kindern in Brandenburg in den Jahren 1994 bis 2006 eher unwahrscheinlich ist, fragt sich, welche biologischen Mechanismen übersetzen die schlechtere soziale Lage der Brandenburger Kinder in eine geringere Körpergröße? Stress behindert das Wachstum. Lässt etwa auch sozial bedingter Stress Kinder kleiner bleiben?
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