Vor kurzem erst hatten wir hier auf Gesundheits-Check über ADHS und die Berichterstattung dazu in den Medien diskutiert. Gerade geht wieder eine Meldung durch die Welt: „Hamburg ist Spitzenreiter bei Ritalin-Verordnungen“, schreibt das Deutsche Ärzteblatt. Ähnlich auch viele andere Medien: SPIEGEL, STERN, Focus, Bunte, BILD, NDR usw. – alle stimmen ein in den Chor. Ausgangspunkt war eine Meldung des Verbands der Ersatzkassen vdek auf der Grundlage einer Auswertung von Arzneimittelabrechnungsdaten.

Komisch, dass sich keiner daran zu erinnern scheint, dass beim letzten ADHS-Medienhype vor ein paar Monaten Bayern die meisten Ritalinverordnungen hatte. Grundlage waren hier – wie eigenartig – Arzneimittelabrechnungsdaten der Krankenkasse Barmer-GEK, die Mitglied im vdek ist und deren Daten dort sicher keine Randgröße sind. Wie kann das sein? Schon wieder ein Fall hyperaktiver Berichterstattung? Oder ein Datenmissverständnis? Man darf frei spekulieren: Die vdek-Auswertung selbst scheint nicht veröffentlicht zu sein, ich habe sie jedenfalls nicht gefunden. Wie auch immer: Als nächsten Ritalin-Spitzenreiter schlage ich Berlin vor, da herrscht jetzt schon hochgradige Bundestagswahlaufregung.

Kommentare (3)

  1. #1 rolak
    2. August 2013

    Für solche Fälle gehört die DLand-Karte an die Wand und ein Dart griffbereit…

    Die Meldung ist auch merkwürdig formuliert:

    Betäubungsmittel Methylphenidat

    Ja, es fällt unters BTMG, aber muß denn unbedingt diese quicklebendige Assoziation zum Junkie geradezu vorgegeben werden, grundfalsch wie sie ist?

    Einsatz sollte immer eingebettet sein in ein therapeutisches Gesamtkonzept

    Der Einsatz ist vorgeschriebenerweise eingebettet, wer anders therapiert, machts gegen besseres Wissen.

    Dagegen ist der tägliche Brennpunktwechsel wohl eher bei einem Lupenträger mit Parkinson zu verorten.

  2. #2 Joseph Kuhn
    3. August 2013

    @ rolak: Dass das Amphetaminderivat Ritalin, das eigentlich anregend wirkt, als Betäubungsmittel bezeichnet wird, zeugt nicht von Sachverstand, aber wie Du schreibst, das kommt davon, dass es unter das BTMG fällt. Was mich eher irritiert, ist der Schafsherdenjournalismus, bei dem nichts mehr nachrecherchiert wird, bis dahin, dass sogar scienctologyverbandelte Internetseiten unkritisch zitiert werden. Dieser Schafsherdenjournalismus ist gerade bei Medizinthemen keine gute Sache, der Personal- und Qualifikationsverlust in den Redaktionen macht sich auch hier bemerkbar.

  3. #3 rolak
    3. August 2013

    betäuben/anregen

    Es ging mir weniger um die Wirkungsbeschreibung als um die tendenziöse Benennung. Letztlich ist es doch egal, ob das zügigere Abarbeiten einer Aufgabe als Folge einer allgemeinen Anregung oder einer Ablenkungs-Dämpfung verstanden wird.
    Es ist imho ebenso völlig wurst, ob MPH amphetaminähnlich ist oder nicht – es ist ein funktionales Medikament; Name reicht, alles andere ist Agitprop, wirkt auf mich wie eine mehr oder weniger sublime Diffamierung. Wann wurde denn letztmals bzgl Codein-Verschreibung bei Husten (^^Weicheier) quer durch die Presse dunkel geraunt, dies Zeug sei ja im Prinzip dasselbe wie das, was sich die Junkies spritzen?

    Personal- und Qualifikationsverlust

    Ja, das ist der dauerbrennend aufgeführte absurde Einakter, vor dessen Bühne wir alle mit Unverständnis hucken.