Da hat man sich jahrelang über die statistischen Betrügereien der Griechen empört, mit denen sie sich in den Euro geschummelt hatten – ein untrügliches Zeichen für den Unterschied der griechischen und deutschen Wirtschaftsmoral. Diese Griechen. Und nun der VW-Skandal. VW und vielleicht auch andere Konzerne haben sich, wie inzwischen hinreichend in den Medien ausgebreitet, die Zulassung ihrer Autos durch Datenmanipulationen bei den Abgaswerten erschlichen wie seinerzeit die Griechen die Zulassung zum Euro. Hier wie dort waren die Dinge im Prinzip schon lange bekannt, mehr oder weniger. Über die Grundsatzproblematik wurde vor mehr als 10 Jahren sogar schon im Bundestag debattiert (Drucksache Drucksache 15/913). Aber dass die Autoindustrie Abgasmessungen in Kenntnis der Rechtswidrigkeit absichtlich manipuliert, nein, wer hätte sich das vorstellen können? Dass die Phantasie der Bundesregierung so weit reichen könnte, hat Verkehrsminister Dobrindt gerade vehement zurückgewiesen: “Die Vorwürfe sind falsch und unanständig”. Und: „Ich hab’s am Wochenende aus der Zeitung erfahren, wie alle anderen auch.“ Ich glaube ihm das. Aber ob er vor dem Wochenende je nachgefragt hatte, je mehr wissen wollte als alle anderen auch? Um Schaden vom deutschen Volke – oder seinem Wagen – abzuwenden? Na gut, lassen wir das, Sarkasmus hilft hier auch nicht weiter.
Dummerweise können wir uns nicht einmal damit trösten, dass die VW-Dieselautos im Unterschied zur griechischen Wirtschaft wenigstens ordentlich funktionieren, das tun sie ja gerade nicht. Sie jagen im Normalbetrieb deutlich zu viel Dreck in die Luft und verursachen somit auch mehr Krankheitslast als unter Einhaltung der Grenzwerte gesellschaftlich akzeptiert war. Vielleicht rechnet ja mal ein Umweltepidemiologe aus, wie viele vorzeitige Sterbefälle zusammen mit den wahren Abgaswerten unterschlagen wurden, in Deutschland, in den USA, weltweit. Ausgehend von Daten der amerikanischen Environmental Protection Agency zu stickoxidbedingten Sterbefällen gibt es erste Schätzungen, die mit erheblichen Spannbreiten auf bis zu 30 Fälle in den USA und bis zu 400 Fälle weltweit kommen – jährlich. Verglichen mit vielen anderen Risikofaktoren ist das nicht viel, aber dennoch: Diese Sterbefälle hätte VW durch Einhaltung der Abgasgrenzwerte vermeiden können. Darüber hatte Herr Winterkorn bei seinen diversen Entschuldigungen übrigens kein Wort verloren, vermutlich, weil der finanzielle Verlust systemrelevanter ist als der Verlust an Menschenleben.
Kommentare (16)