Eine Sendung …
Gestern wurde in der Sendung „Maischberger“ über Alternativmedizin diskutiert. Zu Gast waren Oxana Giesbrecht, Mutter eines an SSPE verstorbenen Kindes, Jaqueline Klaus, deren Vater starb, weil er Hamers völlig abgedrehten Versprechen vertraut hat, Karl Lauterbach, der sich neuerdings zusammen mit Gesundheitsminister Spahn für eine Impfpflicht einsetzt, Ursula Hilpert-Mühlig, Präsidentin des Fachverbands Deutscher Heilpraktiker, die Wettermoderatorin Claudia Kleinert, die auch auf Alternativmedizin vertraut und Natalie Grams, die abtrünnige Homöopathin, die vor ein paar Jahren zu den Skeptikern übergelaufen ist und den meisten Leser/innen hier bekannt sein dürfte.
Im Prinzip hätte man aus der Sendung etwas machen können. Die beiden Angehörigen haben instruktive Fallbeispiele berichtet, die man nicht auf die betroffen machende Veranschaulichung von Leid hätte reduzieren müssen.
Ausgehend von der tragischen Geschichte des Sohnes von Frau Giesbrecht hätte man z.B. mehr über die Notwendigkeit des Herdenschutzes für Menschen diskutieren können, die nicht oder noch nicht geimpft werden können, über die Fortschritte, die man bei der Impfung kleiner Kinder gemacht hat, die Versäumnisse, die es beim Impfmanagement bis heute gibt, z.B. die Impflücken bei jungen Erwachsenen, die mit einer Impfpflicht für Kinder nicht zu schließen sind, und man hätte auch darüber sprechen können, inwiefern das Impfmanagement bei den Masern eine Art „Modellfall“ für andere impfpräventable Krankheiten ist oder eben nicht. Manches davon klang an, aber eher zufällig, beiläufig, ohne Zielrichtung.
Gleiches gilt für den Tod des Vaters von Jaqueline Klaus. Das Entsetzen über den Fall war der Moderatorin offensichtlich genug. Sie hat nicht nachgefragt, wie viele Heilpraktiker den Vorstellungen Hamers anhängen oder vergleichbaren Ideen, wie viele Ärzte obskure Dinge über Krebs und Krebsbehandlungen verbreiten, warum dagegen so wenig unternommen wird, obwohl Lauterbach noch lapidar bemerkte, man könne eben wenig tun. Gerade hat Spahn im Bundestag verkündet, er wolle nichts grundlegend am Heilpraktikerwesen ändern, es fände schließlich „hohe Akzeptanz in verschiedenen Bevölkerungsgruppen“. Von Lauterbach dazu nichts, von Maischberger auch nicht.
Frau Hilpert-Mühlig, die sich betont seriös gab, wurde nicht gefragt, was je in ihrem Verband gegen Scharlatane unternommen wurde, ob sie überhaupt weiß, was ihre Verbandsmitglieder so treiben, oder was genau sie mit ihrem Hinweis darauf meint, dass die heutige Wissenschaft für die Erklärung der Homöopathie nicht ausreicht und man in der Physik weiter sei. Da lag die Quantenschwurbelei einen Moment in der Luft. Von Maischberger – wieder nichts.
Lauterbach gab den aufreizend arroganten Medizinprofessor, mit teilweise schlicht falschen Behauptungen, etwa was die angebliche Erfolglosigkeit der bisherigen Bemühungen zur Steigerung der Impfquoten angeht. Von Maischberger auch dazu – nichts. Ob sie die Datenlage überhaupt kennt? Gut war Lauterbach nur an einer Stelle, als er Hilpert-Mühligs Geschwätz, Heilpraktiker würden kranke Menschen behandeln und nicht nur Krankheiten, mit der Bemerkung zurückwies, auch Ärzte würden Menschen behandeln. Leider hat er nicht zurückgefragt, ob der oft formulierte Anspruch der Alternativmedizin, den „ganzen Menschen“ zu behandeln, nicht das Einfallstor in sektenartige Abhängigkeiten im Heilermilieu ist. Der Fall des Vaters von Frau Klaus hätte schließlich dazu gepasst. Natalie Grams hat sich gewohnt tapfer geschlagen, konnte aber ihr kommunikatives Talent in diesem Moderationsirrgarten nicht wirklich ausspielen.
… und ihre Kommentierung in den Medien
So weit meine Nachlese der Sendung, die ich schlaflos durch eine akute Erkältung bis zum bitteren Ende angeschaut habe. Mit Globuli hätte die Sendung genauso lange gedauert. Aber zielloses Dahergerede in der Öffentlichkeit ist heutzutage bekanntlich nicht mehr das Privileg von Talk Shows, das kann inzwischen jeder. Aus den Leserkommentaren des WELT-Beitrags zur Sendung will ich ein paar Bruchstücke aufgreifen:
Oft gibt es einfach Wissenslücken, z.B. zur Spätkomplikation SSPE:
“Was ich nicht verstehe ist folgendes. Mit 6 Monaten infiziert sich das Baby mit Masern. Über 5 Jahre später erkrankt das Kind dann an einer Gehirnhautentzündung. Wie passt das zusammen?“
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