In der Alternativmedizin stehen einerseits „Energien“ und „Schwingungen“ in hohem Kurs, sogar ganz unbekannte Energien, die angeblich von ebenso angeblichen prähistorischen Pyramiden in Bosnien abgegeben werden oder in kleinen Zuckerkugeln umgehen. Andererseits ist wie bei vielen Menschen auch im alternativen Milieu die Angst vor „Strahlung“ weit verbreitet. Man sieht sie nicht, man riecht sie nicht, man schmeckt sie nicht, das ist eben unheimlich.
Dass Strahlung die Gesundheit gefährden kann, ist natürlich nicht falsch. Ionisierende elektromagnetische Strahlung kann Krebs verursachen, UV-Strahlung genauso wie Röntgenstrahlen, ebenso kann radioaktive Teilchen-Strahlung Krebs verursachen. Auch niederfrequente elektromagnetische Felder, z.B. in der Nähe von Hochspannungsleitungen, sind nicht per se harmlos. Die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation, die IARC, hat aufgrund von Beobachtungstudien zu Leukämien bei Kindern niederfrequente Felder der Klasse 2B (“möglicherweise kanzerogen”) zugeordnet.
Seit durch unsere Wohnungen Strom fließt – dabei entstehen immer elektromagnetische Felder – und erst recht, seit es Mobilfunk gibt, sind Befürchtungen hinzugekommen, dass auch damit Gesundheitsgefahren verbunden sein könnten. Beim Mobilfunk ist das Thema sogar in den großen Streit um konkurrierende Risiken zum Tabakkonsum geraten, nachdem sich ausgerechnet Tabaklobbyisten mit der Erforschung von Mobilfunkrisiken beschäftigt hatten.
Wenn es um die Interessen mächtiger Lobbys geht, ist es oft schwer, den wissenschaftlichen Sachstand neutral herauszufiltern. Das zeichnet sich auch bei der Einführung des 5-G-Netzes ab. Sicher sind hier viele Fragen offen, die Studienlage ist, soweit ich auf die Schnelle sehen konnte, vergleichsweise dünn. Die Frage ist, ob man deswegen die Panikkeule herausholen darf. Das macht gerade Harald Walach, der seinerzeit, siehe meine Eingangsbemerkung, keine Bedenken hatte, die angeblich erstaunlichen Energien des „Kozyrev-Spiegels“ von Studierenden empirisch erforschen zu lassen. Da es diese Energien nicht gibt, können sie natürlich auch nicht Krebs auslösen, aber das weiß nur, wer nicht an den Hokuspokus glaubt.
Die dünne Studienlage zu den gesundheitlichen Folgen des 5-G-Ausbaus ist für Walach nicht nur berechtigter Anlass, mehr Forschung zu fordern, sondern auch Anlass, den Teufel an die Wand zu malen:
„Vermutlich ist die Gefahr, die davon ausgeht, um Hausnummern größer als die Gefahr, die vom Rauchen ausgeht, auch wenn wir das im Moment nicht so wahrnehmen.“
Nur zur Erinnerung: An den Folgen des Rauchens sterben in Deutschland jährlich schätzungsweise 120.000 Menschen vorzeitig. Langjährige Raucher/innen verlieren im Schnitt 10 Jahre ihres Lebens durch ihr Laster, oder ihr Vergnügen, je nachdem. Ich weiß nicht genau, was eine „um Hausnummern“ größere Gefahr numerisch bedeutet, aber ich bin ziemlich sicher, ein solch monströses Risiko wäre auch jetzt schon augenfällig. So ganz anders als die bisherigen Mobilfunkfrequenzen sind die 5-G-Frequenzen ja nicht, sie bewegen sich durchaus im Bereich haushaltsüblicher WLAN-Frequenzen. Walach untermauert seine Befürchtungen daher durch viele Konjunktive und Annahmen, angefangen damit, was sich in Langzeitstudien noch zeigen könnte, bis hin zur Hypothese möglicher „Resonanzphänomene“ im menschlichen Körper. Fast schon manipulativ ist sein Verweis auf Studien zum Zusammenhang von elektronischen Medien und Suizidalität, denn in diesen Studien geht es um die Korrelation zwischen Mediengebrauch und psychischer Gesundheit, nicht um die Effekte von Strahlung.
Ich bin kein Physiker, kann also beim Thema Strahlenbelastung durch 5 G nicht mitreden, ich bin auch kein Strahlenbiologe, insofern fehlt mir zur Diskussion des Themas schlicht die Fachkompetenz. Aber der gesunde Menschenverstand sagt mir doch so viel, dass man die Kirche im Dorf lassen sollte. 5 G muss gut beforscht werden, gerade auch, was Gesundheitsrisiken angeht, damit man ihnen angemessen begegnen kann. Neue Großtechnologien könnten beispielsweise durch spezielle Versicherungslösungen begleitet werden, wenn sie trotz erkennbarer Risiken genutzt werden sollen. Aber apokalyptische Weltuntergangsvisionen helfen dabei nicht. Die darf man eher bei den neuen Machtspielen zwischen USA, Russland und China, beim Artenschwund oder beim Klimawandel haben.
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