Der Antarktische Seehechte und Schwarze Seehecht sind große Fische der antarktischen Gewässer. Sie jagen kleinere Fische und sind selbst begehrte Speisefische – für Orcas und Menschen. Und andere Fischophile.
Ihr festes weißes Fleisch bringt auf den Fischmärkten hohe Preise. Sie haben keine Schwimmblase, sondern haben als Auftriebskörper viel Fett im Körper. Dadurch sind sie besonders nahrreich. Außerdem gehören sie zu den Notothenioiden, und haben mit Glykoproteinen ein Frostschutzmittel im Blut.

Dmawsoni Head shot.jpgBeide Seehechte – „Toothfish“ – sind die Top-Prädatoren unter den antarktischen Fischen.
Bis zu 2 Meter lang und bis zu 150 Kilogramm schwer, werden sie erst mit 13 bis 17 Jahren geschlechtsreif und bis zu 50 Jahre alt. Das Alter eines Fisches kann man übrigens an seinen Otolithen, den „Ohrsteinen“, Kalkstrukturen im Ohr ablesen. Die Seehechte überragen die anderen antarktischen Fische, die kaum mehr als 60 Zentimeter Länge erreichen, bei Weitem. Sie jagen andere Fische und natürlich Tintenfische. Als ordentliche Portion werden sie selbst verspeist von Orca, Pottwal, Weddell-Robbe und Koloß-Kalmar.
Nicht alle Orcas fressen gern Seehecht. In antarktischen Gewässern gibt es verschiedene Orca-Populationen mit sehr unterschiedlichem Verhalten und Speiseplänen.

Killer whale underwater with large fish in its mouth

Typ-C-Orcas mit Seehecht-Hunger

Die Typ-C-Orcas (Type C Killer Wahles – TCKW) sind eine von vier Orca-Ökotypen im Südpolarmeer, sie leben im Ross-Meer. Daten aus dem sowjetischen Walfang, wo die Mageninhalte der Tiere mit untersucht wurden, weisen darauf hin, dass diese Gruppe eine spezielle Fisch-Diät hat, antarktischer Seehecht spielt eine große Rolle. Diese Daten werden gestützt durch vereinzelte Beobachtungen von Typ-C-Orcas beim Jagen.
Das US-amerikanische GEMM Lab hat dazu jetzt erstmals und gemeinsam mit neuseeländischen Biologen gezielt ökologische Daten erhoben.
Im Januar 2014 fand in McMurdo Sound im Ross-Meer ein Pilot-Projekt statt: Ein Team hat dreimal beobachtet, gefilmt und dokumentiert, wie TCKW-Orcas tatsächlichen Antarktischen Seehecht erbeutet haben. Zumindest im Sommer essen TCKW-Orcas also gern Seehecht. Und wie sieht es mit dem restlichen Jahr aus? Dazu haben die Biologen Hautproben gesammelt: Anhand einer Isotopen-Analyse können sie dann feststellen, in welchem trophischen Level sich die Orcas bewegen. Daran kann man dann erkennen, von welcher Stufe der Nahrungskette ihre Beute stammt.
Der Seehecht ist zumindest während einer gewissen Zeit des Jahres eine große und nahrhafte Beute, die sich für die Orcas lohnt. Der Fettgehalt der Nahrung ist ein ausschlaggebender Faktor für die Fortpflanzung und Aufzucht der Jungtiere. Es dürfte für die Orcas nicht einfach sein, Ersatz für die großen, fetten Fische zu finden. Andere Fische haben nach Forschungsergebnissen von CCAMLR eine weitaus weniger weniger gute Energiebilanz.

Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass der Bestand der TCKW in den letzten Jahren mit dem Wachstum der Seehecht-Fischerei abgenommen hat.

Strenge Regeln für Seehecht-Fischerei in der Antarktis

Der Antarktische und Schwarze Seehecht werden sehr alt und pflanzen sich erst spät fort.
Ein solcher Organismus kann nicht nachhaltig befischt werden.
Darum ist die restriktive Vergabe von Fangquoten sehr wichtig, dementsprechend streng regelt CCAMLR die antarktische Seehecht-Fischerei.
Leider ist der Piraten-Fischfang in der Antarktis sehr einfach: Ein großes Seegebiet, fern großer Häfen von Staaten mit funktionierender Fischereiaufsicht. Und die Fische bringen einen phantastischen Marktpreis, damit sind sie eine große Versuchung!
Nur gelegentlich fahren einige Staaten für einige Wochen Fischereiaufsicht, wie gerade erst kürzlich ein Kooperations-Projekt von England und Neuseeland. Viel zu oft können die Fischpiraten dort ungestört ihr Unwesen treiben.

Ein Knochenfisch ist zwar nicht wirklich einfach auszurotten. Aber der Bestand kann schon schwer dezimiert werden. Schlechte Nachrichten für Tiere, die ihn als Nahrung brauchen. Orcas und auch Pottwale haben meist über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg Jagdstrategien für bestimmte Beute in bestimmten Seegebieten entwickelt. Fällt jetzt diese Beute weg, müssen die Wale sich entweder woanders nach der gleichen Beute umsehen oder auf andere Beute ausweichen.

Die Frage ist, ob sie schnell genug andere Nahrung finden, und sich schnell genug andere Jagdstrategien zurechtlegen. Sonst könnten ihnen hungrige Jahre bevorstehen. Und eine weniger energiehaltige Nahrung könnte sich sehr schnell auf die Reproduktion auswirken: es würden weniger Kälber geboren.
DASS sie sich an veränderliche Situationen manchmal sehr gut anpassen können, zeigen die Erfahrungen der Seehecht-Fischer. Seehechte werden mit Langleinen gefangen. Und Orcas und Pottwale haben – nicht nur – in der Antarktis gelernt, den fetten Fisch, der hilflos an der Leine hängt, einfach abzupflücken.

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Kommentare (7)

  1. #1 Anderer Michael
    6. Februar 2016

    Sehr geehrte Frau Wurche

    zu den Typ-C-Orcas respektive Orca Ökotypen bitte eine Frage.
    Vor Jahren habe ich einen Bericht gesehen, in dem es um die Verhaltensunterschieden von Orca -Schulen zu Jagdverhalten, Lautäußerungen usw. ging Damals konnte man sich dieses noch nicht so richtig erklären, und vermutete so etwas wie verschiedene Orca”kulturen”. Jetzt habe ich Ihren Beitrag zum Anlass genommen nachzulesen.
    In der Zeitschrift News Science war folgender Artikel:
    One ocean, four (or more) killer whale species
    New genetic analysis splits killer whales into at least four taxa
    by Tina Hesman Saey
    1:47pm, May 4, 2010

    Wie ist aus Ihrer Sicht der aktuelle Wissenstand. Gibt es mehrere Species von Orcas? Wenn ja, wie werden diese genannt ?
    Ökotyp ist doch kein taxonomischer Begriff, oder ?

  2. #2 Meeresakrobaten
    7. Februar 2016

    Sehr informativ und detailliert dargestellt. Ein großes Dankeschön für diesen tollen Beitrag, Bettina!

  3. #3 Bettina Wurche
    8. Februar 2016

    @Anderer Michael: Exzellente Frage : )! Biologen betrachten Organismen heute weniger aus der Sammlungs- als eher aus der Management-/Schutz-Perspektive. Und da hilft das alte Artkonzept nicht mehr weiter. “Ökomorphotyp” ist kein taxonomischer Begriff. Wenn eine Gruppe von Organismen aber eine eine Ökomorphotype sind, müssen Taxonomen sehr genau hinsehen. Im Fall (nicht nur) der Wale müssen wir uns dann auch ihr Verhalten, die Kommunikation etc ansehen. Und dann geht es oft in Richtung “eigener Bestand”, Population, oder gar Unterart. Bei den Orcas gibt es de facto so unterschiedliche Kulturen, dass die einzelnen Kulturgruppen (z. B. Residents, Transients, Off-shore Transients) nicht fortpflanzungswillig miteinander sind. Die Orcas fallen gerade auseinander , in Populationen/Ökomorphotypen und Subspezies. Die von Ihnen genannte Publikation ist Stand der Wissenschaft. NOAA-Biologen haben sich die Orcas der Südlichen Hemisphere genauer angesehen und kommen dabei auf vier Unterarten:
    https://swfsc.noaa.gov/mmtd-killerwhale/
    Dieses Poster zeigt, wie unterschiedlich die Tiere aussehen:
    https://www.ukogorter.com/portfolio/projects/killer-whale-poster.html

  4. #4 Anderer Michael
    9. Februar 2016

    Danke für die Antwort
    Zum Ökomorphotyp noch kurz nachgehackt.
    Dieser Begriff war mir vollkommen unbekannt. In der deutschsprachigen Literatur ist er kaum zu finden.
    Ist er identisch mit dem US-Amerikanischen Begriff “evolutionary significant unit”?
    LITERATUR:
    What Really is an Evolutionarily Significant Unit? July 29, 2002 Nature By Sarah DeWeerdt
    Auf dem von Ihnen verlinkten ´Poster steht wiederum “Ecotypes”. Wahrscheinlich verkompliziere ich etwas.

    Übrigens beim gefleckten Adlerrochen,Aetobatus narinari, gibt es ähnliche Erkenntnisse. Ist mir deswegen im Gedächtnis, weil das Verhalten dieser Rochen regional unterschiedlich ist und man früher meinte, wir könnten aktuell beobachten, wie sich dieLebensweise dieses Knorpelfisches vom Küsten/Schelf zu Schelf/Hochseebewohner ändere( cave: meine Interpretation, ich bin keinBiologe),dabei sind es wohl Ökomorphotypen.
    Ich verstehe viel zu wenig von Molekularbiologie und Genetik, weil ich mich gerade frage, ab welchem Grad der genetischen Änderung man von einer species spricht. Und wieso das nicht auch beim Menschen so funktioniert. Wir scheinen eine besondere Art zu sein (die letzte andere Art soll auf Flores vor 14 000 Jahren ausgestorben sein, vorher gab Dutzende von Menschenarten). Trotz Isolation und komplett anderer Lebensweisen bleiben wir eine Art. Vor kurzem hatte ich folgenden Artikel gelesen in der Zeitschrift “Genetics” May 2007 , Titel “Similarities within and between human populations”.
    Ich zitiere den ersten Satz des Abstracts.
    “The proportion of human genetic variation due to differences between populations is modest, and individuals from different populations can be genetically more similar than individuals from the same population…”

  5. […] Dank an Bettina Wurche für diesen äußerst interessanten Beitrag! Bettina betreibt den ScienceBlog Meertext, auf dem ihr noch viele andere Artikel von ihr lesen […]

  6. #6 Bettina Wurche
    13. Februar 2016

    @Anderer Michael: Sorry für die späte Antwort. Es ist nicht absolut festgelegt, wie abweichend genetische Muster sein müssen, um von einer neuen Art zu sprechen. Darum gibt es darüber viele Diskussionen. Ökomorphotyp: Eine Mischung aus Ökotyp und Morphotyp (äußeres Erscheinungsbild). Die Orcas sind Ökomorphotypen, weil ihre äußere Erscheinung (Morphologie) klar unterscheidbar ist. Experten sehen die Größenverhältnisse, Form u Größe der Augen- und Sattelflecken und weiße oder gelbliche Färbung sofort. Wenn durch unterschiedliche Ökologie/Verhaltensweisen keine gemeinsame Fortpflanzung mehr möglich ist, wird der Unterschied evolutiv signifikant. Bsp: Orcas haben verschiedene Sprachen. Residents und Transients bzw. andere Ökomorphotypen wie i d Antarktis mischen sich nicht und haben keine gemeinsame Fortpflanzung. Heringe in der Nordsee, die zwar im gleichen Areal leben, bilden dennoch unterschiedliche Populationen /Stocks/Bestände: Die eine Population pflanzt sich im Sommer, die andere im Winter fort.
    Zum Menschen habe ich gerade von Friedemann Schrenck einen aktuellen Forschungsbericht gehört: Die anderen Menschengruppen in Europa, Asien udn Afrika sind mit Teilen des Genoms noch im modernen Menschen vertreten, sie haben sich also vermischt. In Europäern ist noch ein ordentlicher Schuß vom Neanderthaler. Dazu kann ich nicht mehr sagen, ist nicht meine Baustelle : ). Unter Friedemanns Namen ist da mehr Aktuelles zu finden.

  7. #7 Bettina Wurche
    13. Februar 2016

    In der ersten Version des Beitrags stand “Piraten-Walfang”. Es muss natürlich “Piraten-Fischfang” heißen.