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Christmas tree worms come in a variety of bright colors (NOAA)

Alle Jahre wieder, erlangt zu Weihnachten ein Meereswurm ungeheure Popularität: Weihnachtsbaumwurm (vom englischen „Christmas Tree Worm“).
Spiralig aufgedrehte fiedrige Strukturen sind scheinbar auf den Meeresgrund gepflanzt. Die fiedrige Krone ist an der Basis breit und läuft dann nach oben spitz zu – wie ein perfekter Weihnachtsbaum. Gelb-orange-rot-blau wiegen sie sich sanft in den Wasserbewegungen. Ein Tier ist dahinter nicht zu erkennen.
Form und Farbe wirken extravagant – sie sind so auffällig, dass sie zum Gefressenwerden einladen. Bei der Annäherung passiert es dann – auf einmal sind sie weg! Blitzartig ziehen sich die bunten Püschel zurück.
Bei genauerem Hinschauen ist dann die Kalkröhre des Tieres zu erkennen: Die bunte Tentakelkrone gehört einem Kalkröhrenwurm. Diese Kalkröhren sind meist in Steinkorallen gebaut, der Wurm braucht nämlich einen festen Untergrund, um seine Behausung zu bauen.

Der Weihnachtsbaumwurm oder Bunte Spiralröhrenwurm (Spirobranchus giganteus) ist ein sessiler Borstenwurm (Polychaet), also fest sitzend. Die erwachsenen Tiere lassen sich nieder, bauen ihre Wohnröhre und ziehen dann als Erwachsene nicht noch einmal um. Aus der geschützten Röhre streckt das Tier seine Tentakelkrone in die Strömung und filtriert damit Plankton aus dem Wasser. Die gefiederten Strukturen sind mit Schleim bedeckt, in dem Nahrungspartikel stecken bleiben und mit Cilien besetzt, winzigen Dornen, die beim Festhalten und Weiterleiten der Beute helfen. Durch winzige Bewegungen gelangen die Nahrungspartikel dann wie auf einem Förderband zur Mundöffnung des Wurms.

Yellow and blue Christmas tree worms (Spirobranchus giganteus) from East Timor (Wikipedia; Nhobgood Nick Hobgood)

Die Krone besteht aus jeweils zwei spiralig gewunden Fortsätzen und dient gleichzeitig der Atmung.
Die Sinnesorgane sind an die sitzende Lebensweise perfekt angepasst: Extrem empfindliche Strömungsmesser an den Tentakeln messen feinste Wasserbewegungen, die die Annäherung eines anderen Tieres ankündigen.  Registrieren diese eine Bewegung im Wasser, zieht der Röhrenwurm die gefiederte bunte Krone in Sekundenbruchteilen in den Wurmbunker zurück, den er sogar noch mit einem kalkigen Deckel verschließt. Röhrenwürmer haben als Erwachsene zwar keine Augen mehr, aber noch lichtempfindliche Organe – auch ein Schattenwurf könnte die Annäherung eines potentiellen Fressfeindes ankündigen.

Einzelne Spirobranchus-Exemplare können bis zu 40 Jahre alt werden! Eine Methode zur direkten Altersbestimmung von Ringelwürmern ist bisher nicht bekannt, so haben Eijiroh Nishi und Moritaka Nishihira die Korallen zur Hilfe genommen. Korallen zeigen Wachstumsschichten, dunkle und helle Bänder wechseln sich wie die Jahresringe von Bäumen auch in den Kalkskeletten der Meerestiere ab. Nishi und Nishiwara haban also 11 Exemplare von S. giganteus aus 10 Polypenkolonien gesammelt und von den Korallenskeletten Dünnschnitte angefertigt. Dann haben sie die Altersschichten der Korallen im Röntgenbild sichtbar gemacht. So sind sie zu einer Schätzung des Wurmalters gekommen. (Nishi, Eijiroh; Nishihira, Moritaka (1996): “Age-estimation of the Christmas Tree Worm Spirobranchus giganteus (Polychaeta, Serpulidae) Living Buried in the Coral Skeleton from the Coral-growth Band of the Host Coral”).
Stephanie E. Petitjean und Amy E. Myers kamen bei ihren Untersuchungen auf „nur“ 26 Jahre Lebensalter der Kalkröhrenwürmer („Age, Characterization, and Distribution of Spirobranchus giganteus on Paraiso Reef“).

Familie Röhrenwurm – Mama, Papa, Trochophora

Ungewöhnlich für sessile Organismen ist, dass es weibliche und männliche Röhrenwürmer gibt und nicht etwa Hermaphroditen. Zur Paarung geben beide Geschlechter synchron ihre Fortpflanzungsprodukte ins Meer ab – diese Synchronität ist durch Licht gesteuert.

 

Ähnliches Foto

Aus einer befruchteten Eizelle wird dann innerhalb eines einzigen Tages eine frei schwebende Larve, die im Plankton von den Meeresströmungen verdriftet wird – eine Trochophora. Die Trochophora ist die typische Larve von Ringel- und Igelwürmern (Echiurida): die Halbkugel ist das Vorderende mit Licht- und anderen Sinnesorganen, es ist durch einen Wimpernkranz vom Hinterende getrennt. Der Wimpernkranz dient der Fortbewegung. Das Hinterende streckt sich im Laufe der Larvalentwicklung mit zunehmender Segmentierung, das Wurmbaby ähnelt dann immer mehr einem Wurm. Der junge Wurm lässt sich schließlich auf einem festen Substrat nieder – wie er seinen Wohnort auswählt, ist noch nicht bekannt.

Die Spirobranchus-Würmer leben weltweit in tropischen Gewässern, oft in Korallenriff-Communities – die Kalkskelette von riffbildenden Korallen sind das ideale Fundament für Kalkröhrenwürmer. Zu Beginn bohrt er ein kleines Loch in die Koralle, danach baut er weiter in Lücken des Polypenskeletts. Der Wurm sondert Kalk ab und baut daraus seine Röhre. Die Tentakelkrone des erwachsenen Wurms soll für die Korallen sogar nützlich sein, denn sie fächelt auch den Korallenpolypen Nahrungspartikel und Sauerstoff zu.
Voll ausgewachsen kann ein Spirobranchus bis zu 10,2 Zentimeter lang werden, mit einem Röhren-Durchmesser von bis zu 10 Millimetern. Dann Der Körper ist dann aus bis zu 200 Segmenten aufgebaut.

Ohne seine Röhre sieht der Wurm so aus:

Spirobranchus giganteus from videodoris on Vimeo.

5 Minuten Berühmtheit wenigstens zu Weihnachten

Würmer treten den Menschen oft als eher unscheinbare, schleimige, kriechende Kreaturen gegenüber, sich windende Körper ohne Auge und Fuß. Sie sind überall, aber Hominiden beschäftigen sich mit ihnen eher nicht, oder bestenfalls als „gut für den Garten“. Jeder weiß, dass Regenwürmer nützlich sind, aber Wurm-watching ist einfach nicht en vogue. Mit Süßwasserwürmern sind vor allem Besitzer von Aquarien oder Terrarien vertraut, die ihren nicht bepelzten Haustieren wie Molchen oder Fischen gern Tubifexe anbieten – ein ebenfalls unbepelzter Wurm, der in Seen und Bächen vorkommt. Würmer lassen sich leicht übersehen, sie bleiben zu oder unter unseren Füßen und sind harmlos – die meisten terrestrisch lebenden Würmer sind Oligochaeta, Wenigborster oder Nematoda, Fadenwürmer.
Meereswürmer sind eine andere Nummer – hier gibt es viele beborstete Ringelwürmer, die Polychaeten. Manche von ihnen leben verborgen in Röhren und dem Meeresboden, andere sind frei schwimmend im dreidimensionalen Raum.
Sie sind borstiger, bunter, oft größer und schneller als ihre terrestrischen Vettern. Dazu haben sie sichtbare Sinnesorgane und oft große Kiefer – sie sind Jäger!
Diese Tiere sind vor allem TaucherInnen und AquarienliebhaberInnen bekannt, immerhin sind sie recht auffällig. Meertext-LeserInnen haben schon den Bobbit-Wurm Eunice kennengelernt, der ganze Aquarien leer fressen kann.

Wenigstens zu Weihnachten hat die große Gruppe der Meeresringelwürmer, die allzu oft übersehen wird, dann eine großen Auftritt. Die von Andy Warhol beschworenen 15 Minuten Berühmtheit gelten auch für Wirbellose – alle Jahre wieder.
Frohe Weihnachten, entspannte Feiertage und einen guten Neustart in 2018 wünsche ich Euch/Ihnen allen!

 

 

 

Kommentare (11)

  1. #1 Dampier
    24. Dezember 2017

    Liebe Bettina, dir auch alles gute und entspannte Feiertage und danke für ein spannendes Blogjahr!

    Grüße
    Dampier

  2. #2 Bettina Wurche
    24. Dezember 2017

    Dir auch, lieber @Dampier – gleich zu Beginn des neuen Jahres ist ja unser Blog-Jubiläum! Herzliche Grüße, Bettina

  3. #3 tomtoo
    24. Dezember 2017

    Was es alles gibt : )
    @Bettina Dir auch drohe Tage und vielen Dank für deinen Blog !

  4. #4 tomtoo
    24. Dezember 2017

    frohe sry !

  5. #5 Bettina Wurche
    24. Dezember 2017

    Danke, @tomtoo, Dir auch ein paar schöne Tage! Herzliche Grüße, Bettina

  6. #6 rolak
    24. Dezember 2017

    Stellt euch nur die wiiiinzigen Kerzlein vor, die zu diesen Bäumchen gehören^^
    Allerniedlichst.

    Fröhliche Feiertage allerseits!

  7. #7 tomtoo
    24. Dezember 2017

    @rolak

    Mensch @rolak, Kerzen unter Wasser. Du bist ja ne Nummer ! ; )

  8. #8 rolak
    24. Dezember 2017

    ne Nummer !

    Wieso, tomtoo? Erstens wären Baum mit Seesternen aber ohne Kerzen irgendwie unsinnig und außerdem ist das mit dem Feuer unter Wasser längst bewiesen!

  9. #9 Bettina Wurche
    24. Dezember 2017

    @rolak: Sponge-Bob, klasse : ))) Man könnte den Weihnachtsbaum ja mit kalten Licht illuminieren – im Meer blinkt und gittert so viel, von Noctiluca über Medusen bis zu Tintenfischen und Fischen. Die größere Herausforderung dürfte sein, dass der Wurm nicht so lange still hält.

  10. #10 tomtoo
    24. Dezember 2017

    Naja , evtl könnte man da mit Gentechnik nachhelfen. ; )
    https://m.phys.org/news/2017-12-rudolph-nose-bright-scientists-johns.html

  11. #11 RPGNo1
    24. Dezember 2017

    Der Wurm muss ein US-Amerikaner sein, so kitischig bunt wie er ist. 🙂

    Frohe Weihnachten, einen leckeren Braten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!