Die japanische Regierung will 2019 aus der Internationalen Walfangkommission (IWC) austreten: “From July 2019, after the withdrawal comes into effect on June 30, Japan will conduct commercial whaling within Japan’s territorial sea and its exclusive economic zone, and will cease the take of whales in the Antarctic Ocean/the Southern Hemisphere,” wird Chief Cabinet Secretary Yoshihide Suga von Reuters zitiert.
Die IWC hatte seit der Walfangsaison 1985/86 ein Walfangmoratorium verhängt, das für die Mitgliedsstaaten ein fast vollständiges Verbot des kommerziellen Walfangs auf Großwale bedeutete. Von einer Organisation zum Wal- und Ressourcen-Management hatte sich die IWC seit den 70-er Jahren zunehmend zu einer Walschutzorganisation entwickelt – Walfang war in den meisten westlichen Industrienationen nicht mehr akzeptiert. (Mehr Hintergrundinformation zur Bedeutung des Walfang-Moratoriums bietet dieser ABC-Beitrag).
Seit Beginn des Moratoriums war der Fang von Barten- und Pottwalen nur noch in drei Ausnahmen erlaubt:
– als Eingeborenen-Walfang (Aboriginal whaling)
– als Wissenschaftlicher Walfang
– Kommerzieller Walfang unter strenger Beachtung der Revised Management Procedure (RMP), also in kleinem und kontrolliertem Umfang.
Die Walfänge erfasst die IWC statistisch, seit 1985/86 sind die Fänge natürlich signifikant zurückgegangen: Blauwale sind aufgrund ihrer immer noch sehr geringen Anzahl und der starken Gefährdung vollständig tabu. Im kommerziellen und sogenannten wissenschaftlichen Walfang werden derzeit vor allem Zwergwale geschossen, nur Island tötet auch regelmäßig Finnwale.
Im Eingeborenenwalfang werden verschiedene Walarten gejagt, darunter auch die stark bedrohten Glattwale.
Norwegen betreibt auch als IWC-Mitglied weiterhin kommerziellen Walfang, entsprechend der Revised Management Procedure müssen die Norweger dazu ihre Fänge sorgfältig dokumentieren und Wal-Inspektoren auf den Fangschiffen haben sowie in Forschungsprojekten nachweisen, dass die Bestände nicht bedroht sind.
Die Jagd auf kleinere Wale wie Schnabelwale oder alle Delphinartigen ist nicht durch die IWC reguliert. In Ländern der EU sowie den USA und vielen anderen Ländern sind das Töten von Walen und der Handel mit Teilen von Meeressäugern vollständig illegal. Für Island und Norwegen ist dies ein Grund, kein EU-Mitglied zu werden.
In Japan und anderen Staaten werden diese Wale regelmäßig für den Verzehr geschossen.
Japan hat bisher seinen Bedarf an Walfleisch von Bartenwalen (vor allem Zwergwal) durch einen pseudowissenschaftlichen Walfang gedeckt. Aufgrund des bedrohten Status fast aller Großwale, deren Populationen heute nur noch einen Bruchteil der Walbevölkerung in den Meeren vor dem industriellen Walfang umfasst, ist letale, also tödliche, Walforschung für fast alle Wissenschaftler heute weltweit tabu, der Forschungswalfang gilt als Farce. 2014 hat der Internationale Gerichtshof Japans Forschungswalfang in antarktischen Gewässern, die mittlerweile ein großes Walschutzgebiet sind (Southern Ocean Whale Sanctuary), für unrechtmäßig erklärt.
So war Japan zuletzt immer stärker in die Kritik geraten
Nun will der Inselstaat sich von den IWC-Statuten lösen und den kommerziellen Walfang wieder aufnehmen, und zwar in den eigenen Hoheitsgewässern und der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ; engl. Exclusive Economic Zone (EEZ)). „Küstenmeer und AWZ dürfen zusammen bis zu 200 Seemeilen (sm) (370,4 km) ab der Basislinie betragen (daher auch 200-Meilen-Zone). Darin kann der angrenzende Küstenstaat in begrenztem Umfang souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse wahrnehmen, insbesondere das alleinige Recht zur wirtschaftlichen Ausbeutung einschließlich des Fischfangs (vgl. im Einzelnen Art. 55 bis 75 SRÜ).“
Als extrem langgezogener Inselstaat hat Japan eine sehr ausgedehnte Küstenlinie, die Hoheitsgewässer sind die 6-größten Hoheitsgewässer weltweit. Durch die Lage im pazifischen Feuerring, einem vulkanisch aktiven Gebiet, tauchen sogar regelmäßig neue Inseln auf.
Anfang Oktober meldete die japanische Zeitung Asahi, dass die Regierung gerade einen Survey durchführe, um 99 der kleinen Inseln an den Außengrenzen zu kartieren und zu überprüfen. Offenbar war bis dahin nicht in jedem Fall bekannt, wem die Inseln und Inselchen gehören, wie groß sie sind und wo sie genau liegen: „Japan has the world’s sixth largest EEZ, including its territorial waters, with 525 islands and islets around its borders, 465 of which are uninhabited. However, the owners of many land plots on 99 isles – 60 inhabited and 39 uninhabited–have not been identified, and the use of the private land is unclear.”(Asahi: „Japan surveying border isles to protect maritime interest, security”).
Der Artikel in der Asahi bietet auch eine ausgezeichnete Karte der japanischen AWZ, die ich hier leider nicht zeigen darf.
Japanische Gewässer: ein riesiges Areal voller Wale
Die 200-Meilen Zone um einen tief im Meer gelegenen Inselstaat herum ist schon ein sehr großes Seegebiet. Die japanischen Inseln sind vulkanischen Ursprungs, die Vulkane haben im Ozean Festland geschaffen. Darum reicht die 200-Meilen-Zone bis in Tiefwassergebiete hinein. Vor der ostjapanischen Küste, zum offenen Pazifik hin, liegt das Japanische Meer.
Es erstreckt sich über 978.000 km² hinweg, und ist durchschnittlich 1.752 Meter tief, durchzogen von Tiefseegräben von bis zu 3.742 Metern Tiefe. Und das ist nur ein Teil der japanischen AWZ, die sich natürlich auch noch auf der westlichen Seite ins Chinesische Meer und weit nach Norden und Süden erstreckt. Im Norden geht das Hoheitsgebiet bis dicht an die Subarktischen Gewässer heran, wo das gute Nahrungsangebot viele Wale anlockt.
Ein sehr großes Seegebiet mit Tiefwasserhabitaten, direkt auf dem Weg der vieler großer und mittelgroßer Walarten. Alle Großwale – Blau-, Finn-, Sei-, Buckel- und Pottwale sowie Zwergwale kommen in diesen Gewässern vor, die meisten von ihnen ziehen östlich der Inselkette dahin, einige sogar östlich und westlich.
Im Norden reicht das Gebiet fast bis in die Subarktis, wo der Nahrungsreichtum besonders viele Wale anlockt.
Dazu kommen noch zahlreiche kleinere Walarten, die gar nicht unter die IWC-Regeln fallen, etwa Baird-Schnabelwale (Berardius bairdii und Berardius n. sp.), Grindwale sowie mehrere kleinere Delphinarten, die ja auch bisher schon regelmäßig „befischt“ werden. In der Bucht von Taiji unter regelmäßigen vehementen Protesten von Tierschutz- und Walschutzorganisationen, an anderen Orten unbeachtet von der Öffentlichkeit.
Was bedeutet der Austritt aus der IWC konkret?
Bislang war es Japan als IWC-Mitgliedsstaat erlaubt, aus Walbeständen, die nicht (mehr) akut bedroht sind, Tiere zu jagen, sei es kommerziell oder unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaft. Der sogenannte japanische wissenschaftliche Walfang war zuletzt nicht nur international sondern auch zunehmend von japanischen Wissenschaftlern kritisiert worden. Die Japaner werden ihre Jagd in antarktischen Gewässern aufgeben und entziehen sich in ihren eigenen Gewässern jeglicher äußeren Kontrolle.
Walfänger, die außerhalb der IWC-Regeln jagen, entziehen sich ohnehin den Kontrollmechanismen und tauchen in den IWC-Statistiken nicht (mehr) auf.
Der Wegfall der Kontrolle und der Daten ist gleichermaßen kritisch zu sehen.
Angesichts der ausgedehnten walreichen Gewässer um Japan befürchte ich, dass die Jagd nun auf mehr Arten ausgedehnt werden könnte. Über die Höhe der Fangzahlen ist zurzeit noch nichts bekannt.
Es gibt keine bindenden internationalen Gesetze zum Verbot des Walfangs, lediglich die vage Absichtserklärung des Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ; englisch United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS) zur Nutzung der Meere. Die UNCLOS verpflichtet die einzelnen Staaten, beim Walschutz zu kooperieren “through the appropriate international organisations for their conservation, management and study” – eine schwammige Formulierung.
Japan könnte nun einfach im nordpazifischen Raum eine eigene Organisation zum Management der marinen Ressourcen gründen, etwa nach dem Vorbild der nordatlantischen Pro-Walfang-Staaten Norwegen, Island, Grönland und den Färöern, die die North Atlantic Marine Mammal Commission (NAMMCO) als Alternative zur IWC gegründet haben.
Mögliche Kooperationspartner dabei wären Süd-Korea, wo Walfleisch ebenfalls ein nicht ungewöhnliches Nahrungsmittel ist oder ehemalige Sowjetrepubliken. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR ist ja bekannt geworden, dass der Walfang dort u. a. zur billigen Versorgung der Nerzfarmen wesentlich ausgedehnter betrieben wurde, als nach außen bekannt war; u. a. waren die hochgradig bedrohten Grönlandwale stark bejagt worden.
Warum möchten (einige) Japaner Wale fangen und essen?
Vorgeschützt wird gern die identitätsstiftende Bedeutung des traditionellen Walfangs.
Diese Tradition gibt es so nicht. Die Jagd auf Großwale begann erst nach dem 2. Weltkrieg und diente dem unmittelbaren Überleben der japanischen Bevölkerung. Diese Situation einer Hungersnot besteht längst nicht mehr.
In Japan möchten viele Menschen kein Walfleisch (mehr) essen. Vor allem ältere, erzkonservative Politiker beharren auf der Durchführung dieser vermeintlichen Tradition als Ausdruck ihrer nationalen Unabhängigkeit und Souveränität.
Wegen der geringen Nachfrage auf dem freien Markt wird Walfleisch u. a. bei Schulspeisungen ausgegeben – wegen der hohen Schadstoffbelastung ist das eine besonders schlechte Idee.
Eine ausführliche Diskussion um den Sinn und Unsinn des japanischen Walfangs ist in diesem BBC-Beitrag zu sehen und zu hören.
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