In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 23.12.2011 wurde der Hirnforscher Wolf Singer gefragt, ob er an einen Gott glaubt.
Wolf Singers Antwort: “Nicht an den, der mir als Kind präsentiert wurde: einer der auf uns alle aufpasst und alles steuert. Ein personifizierter Gott ist für einen Naturwissenschaftler nicht denkbar, glaube ich.” Und auf die Nachfrage der SZ, was denkbar sei: “Dass es über die naturwissenschaftlich erfassbaren Vorgänge hinaus Bereiche und Prinzipien geben muss, die uns nicht vorstellbar sind, und auf denen alles gründet. An dieser Vermutung kommt auch, nein: gerade ein Naturwissenschaftler nicht vorbei. Diesen Bereich will ich aber nicht benennen, weil jedem Begriff etwas Vorstellbares anhaftet.”
Bei dieser Antwort aus Wolf Singers Mund kommt man ins Grübeln. Wolf Singer hat immer wieder verneint, dass bei geistigen Vorgängen etwas anderes als das Gehirn zu Gange ist und begründet das mit den Befunden der Hirnforschung – und dann sagt er, es gibt etwas, was über die naturwissenschaftlich erfassbaren Vorgänge hinaus geht und dass darauf alles gründet. Sind diese Aussagen konsistent, und wenn ja, was mag er meinen? Dass es etwas gibt, was über die naturwissenschaftlich erfassbaren Vorgänge hinausgeht, ist trivial. Die Mathematik ist z.B. so etwas. Aber gründet alles auf Mathematik? Oder meint er so was wie das Kantsche “Ding an sich”, oder das Heideggersche “Sein”? Das würde erklären, warum es etwas “Unvorstellbares” sein soll, nur betritt man damit den Boden der Metaphysik. Und dass Singer dieses “etwas” nicht benennen will, weil damit etwas Vorstellbares einhergehe, erinnert daran, dass man sich von Gott (oder dem, worauf alles gründet) kein Bild machen soll. Aber kann Wolf Singer das so gemeint haben?
Esoterik-Spamprophylaxe: Dieser Blogbeitrag argumentiert nicht für Geistheilung, die Erinnerungsfähigkeit des Wassers oder andere esoterische Erfindungen.
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