Vor ein paar Tagen ging in Singapur die “15. World Conference on Tobacco or Health” zuende. Vom 20. bis zum 24. März tagte hier sozusagen die Hauptversammlung der internationalen Tabakkontrollbewegung mit mehr als 2.500 Aktivisten. Auch Prominenz war da, z.B. die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation, Margaret Chan, und die Gesundheitsminister einiger Länder, wie Johannes Spatz, einer der deutschen Teilnehmer, in einem Kongressbericht schreibt.
Die Teilnehmer haben sich dort darauf verständigt, bei ihren Aktivitäten künftig stärker als bisher die Tabakindustrie ins Visier zu nehmen. Das ist im Hinblick auf die Rolle, die die Tabakindustrie jahrzehntelang bei der Verschleierung der wissenschaftlichen Evidenz zu den gesundheitlichen Folgen des Tabakkonsums und der Hintertreibung eines wirksamen Nichtraucherschutzes gespielt hat, konsequent. Nicht die Raucher und Raucherinnen gilt es zu bekämpfen, sondern eine Industrie, die im wahrsten Sinn des Wortes über Leichen geht.
Der amerikanische Historiker Robert Proctor hat in einem Artikel, auf den ich vor kurzem schon einmal hingewiesen habe, eine Rechnung aufgemacht, die einzelnen Tabakfabriken entsprechend ihrer Produktion an Zigaretten die daraus resultierende Produktion an Leichen zuteilt. Er geht dabei davon aus, dass auf ca. 1 Mio. gerauchte Zigaretten ein tabakbedingter Sterbefall kommt. Das Ergebnis sieht dann für die von ihm betrachteten Fabriken so aus:
Wenn man will, kann man das auf die Tabakunternehmen hochrechnen. Die größten Unternehmen sind Philip Morris International (Weltmarktanteil 2010: 24,4 %, 899,9 Mrd. Zigaretten, Philip Morris USA mit 140,8 Mrd. Zigaretten nicht mitgerechnet), British American Tobacco (20,5 %, 708 Mrd. Zigaretten), Japan Tobacco/Japan Tobacco International (16,2 %, 563 Mrd. Zigaretten) und Imperial Tobacco (8,6 %, 308,7 Mrd. Zigaretten). Die Daten sind aus einem aktuellen Artikel von Stella Aguinaga Bialous und Silvy Peeters. Allein für diese vier Unternehmen ergeben sich, wenn man das Rechenmodell von Proctor zugrunde legt, etwa 2,5 Mio. tabakbedingte Sterbefälle im Jahr 2010. Dass man angesichts solcher Zahlen auf der Konferenz in Singapur die Zielrichtung der Tabakkontrollbemühungen neu justiert hat, ist nachvollziehbar. Man steht etwas fassungslos vor diesen Zahlen.
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