Dass die Lebenserwartung auch in den entwickelten Ländern in hohem Maße von der sozialen Lage abhängt, ist eine sozialepidemiologische Binsenweisheit und durch zahlreiche Studien gut belegt. Trotzdem gibt es noch immer interessante Neuigkeiten zu diesem Thema, auf drei davon sei hier kurz hingewiesen:

1. Vor etwa zwei Jahren ging eine Meldung durch die Medien, dass die Lebenserwartung der sozial Benachteiligten in Deutschland sinken würde. Grundlage war eine Auswertung von Rentenversicherungsdaten. Vor dem Hintergrund der Diskussion um das Auseinandergehen der sozialen Schere in Deutschland war das eine ausgesprochen brisante Nachricht. Zwar war ziemlich schnell klar, dass die Daten diese Meldung nicht decken, aber belastbare Auswertungen der Rentenversicherungsdaten zum Trend der Sterblichkeit in verschiedenen sozialen Schichten gab es auch nicht.

Diese Datenlücke haben nun Wissenschaftler/innen des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock geschlossen. Demnach nimmt die Lebenserwartung auch bei den Rentnern mit geringem Einkommen zu. Allerdings wächst die Differenz der Lebenserwartung bei Rentnern mit hohem und niedrigem Einkommen. Nachzulesen online im Infodienst Demografische Forschung 3/2013.

Lebenserwartung_Armut

2. Die Diskussion um den Zusammenhang zwischen sozialen Rahmenbedingungen und Lebenserwartung in den entwickelten Ländern dreht sich meist um Faktoren, die vermittelt über die soziale Lage eher langfristig wirken: das Rauchen, die Ernährung, die Wohn- und Arbeitssituation. Es gibt aber auch kurzfristige Effekte. Die Wirtschaftskrise 2008 ließ z.B. die Suizidraten steigen. Das ist an sich wenig überraschend. Das Ausmaß der zusätzlichen Suizide dagegen vielleicht schon: Eine kürzlich veröffentlichte Studie im British Medical Journal kam zu dem Befund, dass infolge der Krise 2008 im Jahr 2009 in den 54 untersuchten Ländern ca. 5.000 zusätzliche Suizide aufgetreten sind. Auch in Deutschland kam der langjährige Trend zum Rückgang der Suizide damals zum Stillstand.

3. Mehr Suizide infolge von Wirtschaftskrisen wirken sich negativ auf die durchschnittliche Lebenserwartung aus. Umso überraschender sind die Ergebnisse einer Studie im Journal of Epidemiology and Community Health, nach der in Krisenzeiten die Gesamtsterblichkeit sogar abnehme, in Wachstumsphasen dagegen steige. Ausgeschlossen ist eine solche Überlagerung des langfristigen Zusammenhangs von höherem Wohlstand und höherer Lebenserwartung durch kurzfristige Gegentrends nicht, z.B. nehmen in Wachstumsphasen die Arbeitsunfälle zu, aber genauer ansehen sollte man sich diese Sache wohl schon erst einmal.

Wie man sieht, hat die altbekannte Geschichte, dass soziale Kontextfaktoren die Sterblichkeit beeinflussen, immer noch mit ein paar neuen Facetten aufzuwarten. Die Grundregel, dass Armut tödlich ist, wird davon allerdings nicht tangiert.

Kommentare (47)

  1. #1 michael
    12. Oktober 2013

    > Wer früher stirbt, ist arm dran

    Ernsthaft? So mal aus dem Jenseits gefragt : Wären Sie lieber ‘Franz Schubert’ oder irgend ein unbedeutender Musiker, der 95 Jahre alt wurde, gewesen.

  2. #2 Joseph Kuhn
    12. Oktober 2013

    @ michael: Hm. Die Frage, die Sie stellen, ist mit Blick auf das Blogthema tatsächlich ziemlich “aus dem Jenseits gefragt”, oder in Neudeutsch: OT. Davon abgesehen, wäre Franz Schubert vermutlich auch gerne älter geworden, statt mit 31 an Typhus zu sterben. Irgendwie schon arm dran.

  3. #3 Dr. Webbaer
    13. Oktober 2013

    Vor einigen Tagen ging die “schockierende” Nachricht um die Welt, zumindest d-sprachig, dass Reiche durchschnittlich fünf Jahre länger leben als Arme. [1]

    Wie genau nun die Gruppenbildung und die genannte Unterscheidung erarbeitet worden ist, ist dem Schreiber dieser Zeilen nicht bekannt, abär:
    Ist das nicht ein frickin geringer Unterschied, wenn das sogenannte Sterbensalter steigt und steigt?

    Hier mal die Daten der Weltbank, die Welt und D betreffend:
    -> https://www.google.com/publicdata/explore?ds=d5bncppjof8f9_#!ctype=l&strail=false&bcs=d&nselm=h&met_y=sp_dyn_le00_in&scale_y=lin&ind_y=false&rdim=region&idim=country:DEU&ifdim=region&tdim=true&hl=de&dl=de&ind=false (sollte dieser Webverweis nicht funktionieren, bitte beispielsweise beim Google Data Explorer mit Hilfe der Filter “Lebenserwartung”, “Welt” und “D” selbst suchen)

    MFG
    Dr. W (der auch diesen “Totschläger” – ‘Die Grundregel, dass Armut [2] tödlich ist, wird davon allerdings nicht tangiert.’ – goutiert seitens des Mannes aus dem Sozialapparat)

    [1] vielleicht pflegt sich das Individuum die aufgemachten Schichten betreffend ja auch unterschiedlich – es wird jedenfalls nicht nur der medizinische Vorteil sein, der sich wie genannt auswirkt, oder?
    [2] ‘Reichtum’ ginge aber auch

  4. #4 Hobbes
    13. Oktober 2013

    Die provokante Frage, die man sich stellen sollte ist doch: “Ist das nicht gut so?”
    Damit meine ich jetzt nicht das es für die Gesellschaft besser ist etc.. Das wäre wirklich pervers. Aber angenommen Intelligenz, Fleiß und Aufmerksamkeit würden in einer Gesellschaft dazu führen, dass man zu den wohlhabenden zählt. Dann ist diese Differenz der Lebenserwartung ja zwangsläufig solange diese Faktoren auch Einfluss auf die eigene Gesundheit haben.

    Eine Gesellschaft in der es diese Diskrepanz nicht gibt muss also entweder:
    a) Für die armen so bevormundend sein, dass man nichts machen kann was das Leben verkürzt. Bzw. jegliche Vorsoge zur Pflicht erhebt.
    Oder b) Einkommen komplett unabhängig von solchen Eigenschaften generieren.
    oder c) Eine komplett dekadente Reichenschicht welche nur im extrem lebt und entweder nur arbeitet oder neben der Arbeit nur in Völlerei lebt.

    Meiner Meinung nach ist diese Diskrepanz also bei weitem nicht so schlimm wie sie gerne vermittelt wird. Aufpassen muss man lediglich das die Lebenserwartung für eine Gruppe nicht sinkt, bzw. das die Diskrepanz nicht durch Faktoren wie medizinischer Zugang oder so Verstärkt wird.

    Wie groß der Unterschied in einer perfekten Gesellschaft wäre, wage ich nicht zu tippen. Vermutlich kleiner als er es ist. Aber Null wäre er auf keinen Fall.

  5. #5 Dr. Webbaer
    13. Oktober 2013

    Die provokante Frage, die man sich stellen sollte ist doch: “Ist das nicht gut so?”

    Nun, es wäre einerseits antizipierbar, dass sich Vermögende, alleine schon um ihr Vermögen zu wahren, in einer gewissen körperlichen Form zu befinden haben, was sich dann auch auf die geistige Form und die Lebenserwartung niederschlagen könnte, andererseits aber gibt es soziologische Konzepte, die den Schuldgedanken pflegen und vom Vermögenden zumindest einen erhöhten Vermögenstransfer in die Sozialsysteme erwarten, andererseits aber auch -wegen zumindest behaupteter Schuld- eine generelle Demut.
    Damit sie im sozialen Verbund genehm sind, existieren können.

    Ohne hier Leitgedanken wie Eifersucht, Missgunst oder Neid bemühen zu wollen, sondern eben sozialwissenschaftlich.
    Ein beträchtlicher Teil der real existierenden Soziologie kommt nicht umhin, im neomarxistischen Sinne, mit Begrifflichkeiten wie dem ‘Privileg’ und ähnlichem zu arbeiten, um zumindest den Sozialapparat zu stärken.

    Diese Veranstaltung, die Artikel wie diese mit Schlusssätzen wie diese (s.o.), hmm, evoziert, könnte jedem Liberalen klar sein.

    MFG
    Dr. W

  6. #6 Joseph Kuhn
    13. Oktober 2013

    @ Dr. Webbär:

    Falls sich Ihre Meldung zur 5-Jahres-Differenz ebenfalls auf die Studie mit den Rentenversicherungsdaten bezieht: Die Bildung der Vergleichsgruppen können Sie in der im Blogbeitrag verlinkten Quelle nachlesen und wenn Sie es ganz genau wissen wollen, in der dort angegebenen wissenschaftlichen Publikation.

    Zu den 5 Jahren: Mit den Daten des “Sozioökonomischen Panels”, einer großen repräsentativen Bevölkerungsstichprobe, wurden vor einiger Zeit ebenfalls soziale Unterschiede bei der Lebenserwartung berechnet, mit einer Gruppeneinteilung, die sich auf die prozentuale Abweichung vom Durchschnittseinkommen bezog. Für die Lebenserwartung ab 65 Jahren kam man zu einer ähnlichen Größenordnung wie bei den jetzt über die Rentenversicherungsdaten ermittelten Unterschieden, für die Lebenserwartung ab Geburt sind es bei den Frauen sogar 8, bei den Männern 11 Jahre Unterschied zwischen “arm” und “reich”: Robert Koch-Institut: GBE-kompakt 5/2010.

    Ob Reichtum auch tödlich sein kann? Sicher. Aber hier geht es nicht um unglückliche Millionärskinder, die sich den Drogen ergeben, sondern um statistische Durchschnittswerte. Da hängen eindeutig arm und krank zusammen.

    @ Hobbes:

    Ihre provokante Frage lässt sich nur mit “Nein” beantworten. “Intelligenz, Fleiß und Aufmerksamkeit” spielen natürlich eine Rolle. Aber erstens sind wir nicht in Gänze unseres Glückes (und unserer Lebenserwartung) Schmied, zweitens hängen auch “Intelligenz, Fleiß und Aufmerksamkeit” in nicht unerheblichem Maße von den sozialen Bedingungen ab, unter denen man aufwächst und lebt. Daher ist übrigens auch eine gute Förderung aller Kinder wichtig, egal was der “angeborene Anteil” ihrer Fähigkeiten sein mag. Wenn jemand mit geringen Talenten nicht gefördert wird, wird er eben noch weniger daraus machen können. Und mit guten Privatschulen wird umgekehrt aus manchem “durchschnittlich begabten” Kind doch noch ein Besserverdiener.

  7. #7 Dr. Webbaer
    13. Oktober 2013

    Nun, Herr Dr. Kuhn, eine sich perpetuierende ähnliche Lebenserwartung quer durch alle Schichten wäre ‘beunruhigend’.

    Allerdings dürfte das in einem derart beschaffenen Biotop wohl nicht mehr ausgesagt werden.
    Insofern stimmt’s wieder.

    MFG
    Dr. W (der sich nun ausklinkt)

  8. #8 rolak
    13. Oktober 2013

    hängen auch “Intelligenz, Fleiß und Aufmerksamkeit” in nicht unerheblichem Maße von den sozialen Bedingungen ab

    Eigentlich ist es doch egal, wie die Verteilung genau ist, Joseph: Was auch immer vom Umfeld beeinflußbar ist, es sollte immer ins Positive geschoben werden. Wird es aber nicht.

    Wer früher stirbt, ist arm dran

    Eigentlich doch ‘war ärmer dran’, oder?. Sonst ließe sich nach erfolgreicher vervollständigender Induktion über einen Klassiker erschreckend folgern ‘einmal arm, immer arm’. Das würde die meisten Kirchensprengel sprengen…

  9. #9 Joseph Kuhn
    13. Oktober 2013

    @ Dr. Webbär:

    “eine sich perpetuierende ähnliche Lebenserwartung quer durch alle Schichten wäre ‘beunruhigend’”

    Zumindest seltsam.

    @ rolak:

    “einmal arm, immer arm”

    Schwieriges Thema. Jedenfalls gilt, einmal tot, immer tot – nach bisherigem Kenntnisstand.

  10. #10 Hobbes
    13. Oktober 2013

    @Joseph Kuhn #6:

    Wenn man so argumentiert geht es meiner Meinung nach in eine Richtung in der das Individuum keinerlei Verantwortung mehr besitzt.
    Denn es ist ja komplett durch äußere Zwänge gesteuert. Es kann weder etwas dafür mit welchen Voraussetzungen es startet noch dafür wie es gefördert wird.

    Wenn jedoch niemand etwas für sein Handeln kann, so müsste man eigentlich entweder den Weg extremer Abschreckung gehen oder den extremer Gleichheit. Beides halte ich aber für falsch.

    Zumal der Weg extremer Abschreckung dann sogar noch der bessere wäre da er in der Summe mehr Zufriedenheit erzeugt als der Weg der Gleichheit.

    Ich gehe lieber davon aus, dass wir noch eine individuelle Verantwortung haben und nur dafür Sorge zu tragen haben, dass jeder die Chance hat das aus seinem Leben zu machen was er will (Viele Menschen sind auch mit sehr wenig zufrieden. Diese sollen auch weniger machen müssen, als die die viel haben wollen.)

    Wenn wir davon ausgehen, dass die ärmeren also kürzer leben, weil sie weniger vorausschauend leben und wenn wir das als schlecht bewerten, weil diese ja nichts für ihren Charakter können, was folgt dann daraus?
    Haben Diejenigen mit genug Weitblick das Recht den anderen vor zu schreiben wie diese zu leben haben?
    Oder müssen die welche mehr auf ihre Gesundheit achten der Fairness halber einen Weg finden früher ab zu treten?
    Zum Teil kann man natürlich Verbote oder Erschwernisse erlassen. Wie bei (illegalen) Drogen, dem Rauchen oder dem Alkohol. Aber um einen gleichen Lebensstiel bei Menschen mit unterschiedlichen Charakterzügen zu erreichen (nur so könnte man ja die gleiche Lebenserwartung sichern) muss ein gewaltiger Zwang ausgeübt werden. Ist dieser Zwang wirklich das geringere Übel? Oder geht es einfach darum das die Eigenschaften die für langes Leben und wirtschaftlicher Nutzen verantwortlich sind zwar die selben sind, aber die Gesellschaft solche Eigenschaften nicht belohnen darf. Sprich: Reichtum verbieten.

  11. #11 Joseph Kuhn
    13. Oktober 2013

    @ Hobbes:

    “Reichtum verbieten.”

    Wenn schon, dann Armut verbieten, und das schlechte Wetter am besten gleich dazu. Ansonsten verstehe ich nicht, was Sie aus meinem Kommentar herausgelesen haben und worauf Sie hinauswollen.

  12. #12 awmrkl
    13. Oktober 2013

    @Hobbes

    “Wenn wir davon ausgehen, dass die ärmeren also kürzer leben, weil sie weniger vorauschauend leben und wenn wir das als schlecht bewerten, weil diese ja nichts für ihren Charakter können, was folgt dann daraus?”

    Der Shit ist, auf welcher Seite auch immer man “endet”, es werden immer sog. Schlüsse daraus gezogen (unzulässige zwar, aber wen kümmerts)

  13. #13 Hobbes
    14. Oktober 2013

    “Wenn schon, dann Armut verbieten”
    Da wir hier von Relativwerten reden ist es das selbe Das eine klingt nur besser.

    Da mein Beitrag wohl etwas unübersichtlich/verständlich war versuche ich die Kernaussage noch einmal hervor zu heben.

    Mir ging es (in #4) darum, dass wir in einer Gesellschaft leben in der vorausschauendes Handeln und Fleiß damit belohnt werden das man, in diesem konkreten Fall, im statistischen Mittel eine höhere Rente haben wird.
    Zudem sind diese Eigenschaften aber auch Faktoren welche, im Schnitt, ein längeres Leben zur Folge haben.

    Die Antwort in #6 war das dieser Zustand nicht wünschenswert ist, da die Eigenschaften nur äußeren zwängen unterliegen und somit keiner persönlichen Verantwortung unterliegen.

    Meine Antwort in #10 ging dann in die Richtung was die Konsequenzen der alternative wären (Bei wiederholten durchlesen muss ich gestehen, dass da viele Sprünge drin gibt. Was mir beim schreiben so nicht aufgefallen ist)
    Es geht erst darum das wenn man individuelle Verantwortung negiert, man schnell auf die extremen Positionen beschränkt wird. Ähnliches gibt es ja in der Diskussion zum Strafvollzug. Dort gibt es auch Leute die dem Individuum jegliche Verantwortung absprechen und deshalb Straffreiheit oder Abschreckung fordern. Ist eher allgemein gehalten, da es mit der Sache ja auch nur am Rand zu tun hat.

    Danach geht es darum, das wenn die Korrelation zwischen vorausschauenden Denken, hoher Rente und langem Leben als Richtig angenommen wird, was man machen müsste um den Unterschied zu beseitigen.
    Da sehe ich nur 2 Möglichkeiten.
    Nr. 1) Die Gruppe der “weniger Vorausschauenden” bevormunden und ihr jegliches Handeln zu erschweren/verbieten welches einem langen Leben abträglich ist. Also ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel etc, Zudem auch Routineuntersuchungen Verpflichtend machen.
    Nr. 2) Die Gruppe der “weniger Vorausschauenden” das gleiche Einkommen beziehen lassen, wie die der anderen Seite. Was bei unterschiedlichen Fähigkeiten ja auch notwendig macht Sachen wie Vertragsfreiheit (aus der jemand der vorausschauend Plant ja mehr herausholen kann, als jemand der das nicht macht) abschaffen. Also praktisch gesehen “Reichtum verbieten”

    Natürlich würden die Sachen auch anders herum Funktionieren. Aber ich sehe eines davon schon als Notwendigkeit an wenn man wirklich eine komplett gleiche Lebenserwartung bei unterschiedlichen Einkommen haben will (oder umgekehrt). Wohlgemerkt unter der Voraussetzung “vorausschauendes Handeln” (so wie Fleiß etc.) würde das Leben verlängern und die Wahrscheinlichkeit auf Wohlstand erhöhen. Was ich von meiner Seite aus jedoch als gegeben annehme.

  14. #14 Dr. Webbaer
    14. Oktober 2013

    Armut ist übrigens in D schon verboten, einerseits durch die Sozialgesetzgebung, die die Wohnkosten wie die Gesundheitskosten abdeckt, ein sozusagen bedingtes Grundgehalt gewährt, wenn Arbeitsfähigkeit vorliegt, und ein bedingungsloses, wenn sie nicht vorliegt.
    Die Höhe des “Grundgehalts” ist vergleichsweise gar nicht so schlecht, wenn bspw. mit Nachbarländern wie der Tschechei und Polen verglichen wird.

    Insofern gibt es in D nur noch eine sozialwissenschaftlich konstruierte sogenannte relative Armut:
    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Relative_Armut (‘Würden die 17 reichsten Niedersachsen das Land verlassen, dann hätten wir 100.000 Arme weniger.’ (Christian Wulff))

    Zudem gibt es in D nun eine Krankenversicherungspflicht, die für alle gilt, es ist z.B. unmöglich in D ohne Leistungsempfang aus den bekannten Systemen legal zu leben ohne krankenversichert zu sein.
    Es setzt bei Nichtfügung dann für den Einzelnen Ordnungsgelder und die sogenannte Ordnungshaft.

    Das nur ganz nebenbei, weil es viele nicht wissen…

    MFG
    Dr. W

  15. #15 Dr. Webbaer
    14. Oktober 2013

    @Hobbes
    Sie werden mit bestimmten Argumentationsführungen zusammen mit dem werten hiesigen Inhaltegeber nicht auf einen Nenner kommen, selbst wenn Sie noch so oft erklären, warum konsequente Gleichmacherei in Verhausschweinung enden muss.

    Denn der in D real existierende Sozialapparat ist marxistisch/neomarxistisch [1] grundiert.

    MFG
    Dr. W

    [1] der Neomarxismus lässt sich idR daran ablesen, dass “nur” der sogenannte demokratische Sozialismus gewollt ist – und rein WebLog-praktisch, dass Gegenrede unzensiert bleibt

  16. #16 Joseph Kuhn
    14. Oktober 2013

    @ Dr. Webbär:

    Es ist sehr wohl möglich, in Deutschland ohne Krankenversicherungsschutz zu leben. Im Jahr 2011 waren es nach Angaben des Stat. Bundesamtes 137.000 Menschen. Die tatsächliche Zahl dürfte sogar noch höher liegen, da im Mikrozensus z.B. Wohnungslose nicht erreicht werden.

    Und ersparen Sie uns doch bitte künftig das ideologische Gerede von der “marxistischen Grundierung” des Sozialapparats, lesen Sie die Geschichte der Sozialversicherung in Deutschland einfach einmal nach. Gleiches gilt für den biologistischen Unsinn von der “Verhausschweinung” durch eine angebliche Gleichmacherei. Damit hätten Sie vielleicht vor 70 Jahren reüssieren können. Zumal hier niemand einer “Gleichmacherei” das Wort redet, was “Hobbes” aus meinem Kommentar herausliest, steht dort schlicht nicht. Sie hatten schon sachlichere Phasen.

  17. #17 Dr. Webbaer
    14. Oktober 2013

    Die Rechtsgebung ist bzgl. der Krankenversicherungspflicht sehr klar, Ihr Kommentatorenfreund kann auch aus Erfahrung anderer berichten, dass diese zurzeit “knallhart” durchgesetzt wird, auch wenn der in D Lebende nichts will vom Staat.
    KA, vielleicht sind die 137.000 Nicht-KV-Versicherten sozusagen Altlasten, die Versicherungspflicht besteht jedenfalls und wird durchgesetzt – sofern eine Erreichbarkeit besteht. [1]

    MFG
    Dr. W

    [1] was natürlich unter den o.g. Umständen dazu führen kann, dass ein EU-Bürger oder ein Deutscher “offiziell” im Ausland wohnt, wenn er in D unversichert bleibt, aber in D wohnt – denn ansonsten drohten die o.g. Zwangsmaßnahmen

  18. #18 Dr. Webbaer
    14. Oktober 2013

    @Hobbes
    Uuh, überlesen: ‘Damit hätten Sie vielleicht vor 70 Jahren reüssieren können.’,
    q.e.d.

    MFG + bis demnächst,
    Dr. W (der sich nun auszuklinken hat, danke, Herr Köhn, es war wieder schön)

  19. #19 Joseph Kuhn
    14. Oktober 2013

    @ Dr. Webbär:

    Danke für’s Ausklinken. Ein Thread, der vor allem aus Hobbes, Toni und Ihnen besteht – womit habe ich das verdient?

  20. #20 Hobbes
    14. Oktober 2013

    auch wenn er sich ausgeklingt hat:
    @Webbär. Die relative Armut berechnet sich über den Median. Der Satz von Wulff ist also Blödsinn.

    Ansonsten:
    Wenn ich etwas falsch raus gelesen habe dann verstehe ich nicht, wo ich den Fehler mache.
    Sie behaupten das es immer schlecht ist wenn es einen Unterschied in der Lebenserwartung gibt welcher vom Einkommen abhängt. Soweit korrekt?
    Meine Überlegung war das man wenn man diesen Unterschied komplett abschaffen will, das nicht schaffen kann ohne einen der Beiden Punkte zu benutzen welche ich in Beitrag #13 erwähnt habe.

    Ich bin ja auch der Meinung, dass es unser Ziel seien muss die unterschiedliche Lebenserwartung an zu gleichen. Nur bin ich der Meinung das diese Differenz niemals 0 erreichen kann, sofern man nicht massiv in Menschenrechte eingreift. (Oder der Hedonismus bei allen Wohlhabenden einzug hält)

  21. #21 Joseph Kuhn
    15. Oktober 2013

    @ Hobbes: In Kommentar #6 steht nicht, dass alle Menschen gleich leben und sich gleich verhalten sollen, sondern dort steht, dass nicht alle gleiche Startchancen haben und es nicht allein in der Hand der Einzelnen liegt, was aus ihnen wird. Und nochmal am Beispiel von Kindern: Zuzusehen, wie die soziale Herkunft die Bildungs- und Arbeitsmarktchancen prägt und dann sagen, was daraus an Unterschieden der Lebenserwartung folgt, sei eben das, was die Leute aus ihrem Leben gemacht haben, mag liberal klingen, schützt aber nur vorhandene Privilegien. Historisch war der Liberalismus einmal genau dagegen angetreten. Soziale Herkunft sollte auch aus liberaler Sicht keine legitime Determinante der Lebensperspektiven und der Gesundheit sein, ein eigener Verdienst ist sie ja nicht.

    Weiter: Wenn man sogar schon bei Kindern sozial bedingte Unterschiede der Gesundheit sieht, dann ist das nichts, was die Kinder selbst aus ihrem Leben gemacht haben. Sie dafür verantwortlich zu machen, ist zynisch.

    Wenn man versucht, durch ein gutes Bildungssystem dazu beizutragen, dass alle Kinder ihre Fähigkeiten besser entwickeln können, werden sie später immer noch unterschiedlich sein, es sind ja keine in der Konstruktion identischen Fabrikerzeugnisse. Darin, wie Sie, Gleichmacherei, oder wie der Webbär, Sozialismus und Marxismus zu sehen, ist schon etwas abwegig.

    Ergo: Es geht nicht darum, dass alle Menschen genau gleich alt werden, es geht darum, dass Unterschiede der Lebenswartung infolge von sozialen Determinanten, die sie nicht selbst zu vertreten haben, möglichst reduziert werden. Oder ganz provokativ: Es geht darum, dass möglichst jeder so gut es geht seines eigenen Glückes Schmied sein kann – das setzt gesellschaftliche Solidarität voraus, macht sie nicht überflüssig. Andernfalls landet man bei einem Sozialdarwinismus, gerne legitimiert mit biologistisch erklärten sozialen Unterschieden, dem selbst der Altvater der Soziobiologie Wilson inzwischen widersprechen würde.

  22. #22 Hobbes
    15. Oktober 2013

    Dann stimmt Ihre Antwort auf meine Frage aber nicht. Beziehungsweise hat die Begründung nichts damit zu tun.

    “…es geht darum, dass Unterschiede der Lebenswartung infolge von sozialen Determinanten, die sie nicht selbst zu vertreten haben…”
    Eben. Wenn wir jetzt davon ausgehen, das wir ein System hätten welches gleiche Chancen (oder besser gesagt eine reelle Chance) für alle bietet, dann müsste sich doch genau das selbe Bild ergeben. (Nicht zwangsläufig mit den selben Werten, aber immerhin mit dem selben Trend)

    Das die soziale Herkunft in Deutschland eine zu große Rolle für das spätere Berufsleben spielt steht außer Frage. Auch Solidarität muss gegeben sein. Es darf keiner sterben, nur weil er nicht reich genug ist sich eine Operation zu leisten (von Ausnahmen, wie nicht als wirksam erwiesene Behandlungen, mal ab gesehen)

    Aber das war ja nicht meine Frage, die sie verneint haben.

    Es geht hier nicht um Kinder sondern um Rentner. Es geht ja gerade nicht um die Startchancen, sondern darum was man aus dem Blatt gemacht hat, welches einem ausgeteilt wurde. Natürlich ist es für den Millionärssohn mit Privatlehrer einfacher später oben zu sein als für den Waisenjungen. Aber um dies zu ändern müsste man entweder Leuten verbieten das eigene Geld und die Zeit in die Bildung ihrer Kinder zu investieren oder das maximal mögliche als Grundanspruch für jeden geltend machen.
    Da beides jegliche Freiheit vernichten würde muss die Antwort hier heißen: Jeder muss das Recht auf eine reelle Chance haben, aber nicht auf die Gleiche.

    Nur wie gesagt war das alles nicht Teil meiner Frage.

    Darum stelle ich die Frage einmal anders. Wie groß ist der Anteil aller “Determinanten im leben die man selber zu vertreten hat”? Wie stark würde sich das dann im Mittel auf Lebenserwartung und oder Vermögen auswirken?

    Die bisherige Antwort auf die Frage kann ich nur so interpretieren, dass Der Anteil oder die Auswirkungen dessen irgendwo gegen Null gehen würden.

  23. #23 Joseph Kuhn
    15. Oktober 2013

    @ Hobbes: Die Frage, wie groß der Anteil am eigenen Schicksal ist, den man selbst zu vertreten hat, kann Ihnen sicher niemand beantworten. Sie verstehen mich aber falsch, falls Sie meinen, ich halte Menschen für unfähig, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen, indem ich auf die Bedeutung von sozialen Determinanten verweise (vielleicht sollte man den in der Sozialepidemiologie gebräuchlichen, in statistischen Analysen sinnvollen Begriff “Determinanten” hier ohnehin vermeiden, weil er unter dem Gesichtspunkt von individuellen Handlungsspielräumen missverständlich ist, solche Handlungsspielräume zu negieren scheint). Im Gegenteil: Autonomie ist in den Gesundheitswissenschaften ein wichtiger Aspekt, vielleicht googeln sie einmal nach dem Konzept der Salutogenese nach Antonovsky. Menschen werden nicht im strengen Sinne durch ihre Lebensumstände determiniert, sie haben immer eine Wahl, aber man sollte es sich auch nicht so leicht machen, den sozial weniger gut Gestellten ihre höheren Raucherraten oder ihr Übergewicht einfach moralisch zum Vorwurf zu machen – nach dem Motto, lebt gefälligst gesünder, oder alternativ darüber hinwegzusehen und zu sagen, die sind eben selber schuld, die wollten es ja nicht anders. In dieser absoluten Weise “frei” sind wir eben auch nicht von den Verhältnissen, in denen wir leben.

    Kinder sind übrigens, wenn man über nicht zu verantwortende Schicksalsanteile nachdenkt, noch am besten als Beispiele geeignet. Sie sind nicht dafür verantwortlich, in welchen Umständen sie aufwachsen. Die sozial bedingten Unterschiede ihrer Gesundheit müsste man wohl vollständig als gesellschaftlich vermeidbar ansehen (im Sinne einer Zielrichtung, erreichen wird man es nicht).

  24. #24 WolfgangM
    16. Oktober 2013

    Ist doch eigentlich eine alte Geschichte – schon vor 100 Jahren war beispielsweie die Kindersterblichkeit in gutbürgerlichen Haushalten geringer als in Arbeiterhaushalten.

    Lieber reich und gesund als arm und krank ist ja auch so ein alter Spruch.

  25. #25 WolfgangM
    16. Oktober 2013

    Da kann man ja auch eine Quelle nachliefern de Rudder die akuten Zivilisationsseuchen 1934 Thieme Verlag,
    S 184/5
    Da sind unterschiedliche m
    Masernsterblichkeitsraten aufgelistet in DE: In der Großstadt 950 Maserntote Kinder pro Mio Kinder < 15 Jhr. Land ca 490 Tote. Untersuchungszeitraum 1899-1902

    In Wien wohlhabende Bezirke 8-32 Masertote pro 10000 Lebende. Sozial schlechte Bezirke 60-75 MaserntoteUntersuchungszeitraum 1891-1900.

    Die Sterblichkeit ist natürlich stark gesunken. Aber arm und krank hat immer noch eine schlechte Prognose..

  26. #26 Dr. Webbaer
    16. Oktober 2013

    Herr Dr. Kuhn,
    es sind halt Gags wie diese – ‘Die Grundregel, dass Armut tödlich ist, wird davon allerdings nicht tangiert.’ -, die diejenigen, die sich ‘nun ‘ oder zeitweilig ‘auszuklinken haben’ zurückkehren lassen, um Nachricht zu tun.

    Klar, es ist ungeil, wenn bspw. ein Franke einen Ausländer an dessen NS-Vergangenheit zu erinnern versucht, nichtsdestotrotz bleiben Sie weiterhin als verständige und nicht humorlose Kraft des Sozialapparats willkommen.

    Hierzu noch kurz:

    Oder ganz provokativ: Es geht darum, dass möglichst jeder so gut es geht seines eigenen Glückes Schmied sein kann – das setzt gesellschaftliche Solidarität voraus, macht sie nicht überflüssig.

    Dieses ‘ganz Provokative’ leisten eben die modernen gesellschaftlichen Systeme, aber ohne das zu leisten, was teilweise ebenfalls gewünscht wird: Erfolgsgleichheit oder völlige Chancengleichheit.

    BTW, ist es richtig, dass Sie jahrelang als Alfred-Biolek-Double in dessen Kochsendungen gearbeitet haben, und immer dann, in der Hinterkopfansicht, tätig geworden sind, wenn das angebotene Essen Bio zu verdächtig schien? [1]

    MFG
    Dr. W

    [1] der u.a. auch an eine Kochsendung mit Bio und Dirk Bach erinnert, die bei Bedarf aus dem Web hervorgeholt werden kann

  27. #27 Joseph Kuhn
    16. Oktober 2013

    @ Wolfgang M:

    “Ist doch eigentlich eine alte Geschichte”

    Ja, mindestens seit Johann Peter Franks Rede vom Volkselend als der Mutter aller Krankheiten 1790. Und bis heute lesenswert: das vor 100 Jahren veröffentlichte Buch von Mosse/Tugendreich “Krankheit und soziale Lage”. Darin gibt es übrigens auch ein Kapitel “Einfluss der sozialen Lage auf Infektionskrankheiten” von Fritz Reiche, damals Oberarzt in Hamburg-Eppendorf. Der Tuberkulose war ein eigenes Kapitel gewidmet (“Einfluss der sozialen Lage auf die Tuberkulose”), von Max Mosse geschrieben.

    @ Dr. Webbär:

    “ist es richtig, dass Sie jahrelang als Alfred-Biolek-Double in dessen Kochsendungen gearbeitet haben”

    Umgekehrt, Biolek hat mich gedoubelt, aber behalten Sie’s für sich, das weiß sonst keiner.

  28. #28 Spritkopf
    17. Oktober 2013

    Dr. W (der sich nun ausklinkt)

    Wie oft haben Sie diese Phrase eigentlich schon benutzt? Und wie oft handelte es sich nur um ein leeres Versprechen, welches in Wirklichkeit ankündigte, dass Sie mal wieder den ganz feinmaschigen Kescher durch die Abwasserkanäle Ihrer Weltanschauung ziehen und die unansehnlichen Funde den anderen Diskutanten auf den Tisch klatschen würden?

  29. #29 Dr. Webbaer
    17. Oktober 2013

    Umso überraschender sind die Ergebnisse einer Studie im Journal of Epidemiology and Community Health, nach der in Krisenzeiten die Gesamtsterblichkeit sogar abnehme, in Wachstumsphasen dagegen steige. Ausgeschlossen ist eine solche Überlagerung des langfristigen Zusammenhangs von höherem Wohlstand und höherer Lebenserwartung durch kurzfristige Gegentrends nicht, z.B. nehmen in Wachstumsphasen die Arbeitsunfälle zu, aber genauer ansehen sollte man sich diese Sache wohl schon erst einmal.

    Wenn Sie mal auf das von Ihnen Webverwiesene schauen – https://jech.bmj.com/content/early/2013/09/19/jech-2013-202544.abstract -, ist die hauptsächliche Beobachtung, dass es nicht der Stress durch Mehrarbeit ist, sondern die mögliche Vernachlässigung der Alten und Schwachen, die in wirtschaftlichen Boomzeiten zum Rückgang der durchschnittlichen Lebenszeit führen könnte.
    Wobei diese Vermutung nach Ausschluss anderer Möglichkeit nahegelegt wird, unsubstanziiert bleibt.

    MFG
    Dr. W (der natürlich u.a. auch SK grüßt)

  30. #30 Joseph Kuhn
    17. Oktober 2013

    @ Dr. Webbär:

    “dass es nicht der Stress durch Mehrarbeit ist”

    Wenn schon, dann genau lesen: “Work-stress is found to be a contributing factor to this association, but cannot explain the association for the older, retired Population.”

    Das passt zu den Daten der Studie. Nur, falls die Studie nicht mehr enthält als die Beobachtung, dass sowohl im mittleren als auch im höheren Lebensalter die Sterblichkeit mit der Konjunktur steigt oder zurückgeht, bleibt die Erklärung dafür völlig offen. Zur “Vernachlässigungs-Hypothese” schreiben die Autoren ja auch selbst: “this remains to be formally investigated”.

    Aber eigentlich müsste man sich auch die Studie selbst einmal ansehen. Welches Modell lässt den konstatierten Zusammenhang sichtbar werden und ist dieser Zusammenhang damit wirklich gesichert? Ich vermute einmal, wenn man ohne statistische Modellierung den zeitlichen Verlauf der Sterberaten in Deutschland über den der Konjunktur legen würde, sähe man nichts. Das könnten Sie übrigens selbst ohne größeren Aufwand nachschauen, die Daten sind ja beim Statistischen Bundesamt abrufbar.

    Nachtrag: Mal ganz schnell für die Sterberate aller Altersgruppen geschaut (die von den Älteren dominiert wird): Für Deutschland 1991 bis 2011 sähe der Zusammenhang sogar anders herum aus, je geringer das BIP wächst, desto geringer nimmt die Sterblichkeit ab, auch bei einem time-lag für die Sterblichkeit. Aber wie gesagt, das war ein ganz schneller Blick. Man könnte auch einmal googeln, ob es zu dem Thema nicht schon eine ausgefeilte Diskussion unter Demografen gibt.

  31. #31 Dr. Webbaer
    18. Oktober 2013

    It has counter-intuitively been found that mortality rates at all ages are higher during short-term increases in economic growth.

    Sie haben recht, Herr Dr. Kuhn, diese Aussage hat den Schreiber dieser Zeilen durcheinander gebracht: ‘It has counter-intuitively been found that mortality rates at all ages are higher during short-term increases in economic growth.’

    So richtig antiintuitiv ist der Sachverhalt nämlich nicht, den Alte und Schwache müssen ja oft gepflegt werden, was Zeit kostet, die in Boomphasen weniger da ist.

    Arbeit tötet. – Vielleicht kann diesbezüglich Konsens hergestellt werden.

    MFG
    Dr. W

  32. #32 WolfgangM
    18. Oktober 2013

    Da schreibt einer “Arbeit tötet. – Vielleicht kann diesbezüglich Konsens hergestellt werden.”

    Und woher kommen dann die erhöhtern Suicidversuche in Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit?

  33. #33 Joseph Kuhn
    18. Oktober 2013

    @ Wolfgang M:

    “Da schreibt einer ‘Arbeit tötet’

    Da der Webbär dem argumentativen Minimalismus frönt, manchmal bis zur inhaltlichen Entkernung, bleibt offen, was er uns damit sagen will. Vielleicht, warum er gegen das Recht auf Arbeit ist 😉

    @ Dr. Webbär:

    “Alte und Schwache müssen ja oft gepflegt werden”

    Das stimmt schon, aber die Altersgruppen, die untersucht wurden, sind einmal die 40-44-Jährigen und einmal die 70-74-Jährigen. Das sind eigentlich keine pflegebedürftigen Jahrgänge.

    Noch einmal: Man müsste sich die Studie selbst ansehen. Vielleicht wollen Sie sie ja besorgen, dann könnten wir daran mit etwas mehr Substanz weiterdiskutieren.

    Wenn ich sehe, dass Daten aus 19 Ländern zusammengeführt wurden, wird mir schon etwas unheimlich. So etwas ist immer gewagt. Dann: “Regressions were performed on the de-trended data, accounting for autocorrelation and aggregated using random effects models” – also statistische Modellierungen, die im Idealfall Zusammenhänge sichtbar machen, manchmal aber auch Artefakte liefern. Dann: “Most countries show pro-cyclical associations between the economy and mortality”: Da wäre z.B. interessant, welche Erwerbsstrukturen die Länder haben, welche Rentenzugangswege, ob die abweichenden Länder auch andere Pflegestrukturen haben etc. – vielleicht haben die Autoren das diskutiert, man weiß es nicht, wenn man nur das Abstract kennt. Der Satz aus dem Abstract geht so weiter: “especially with regard to male mortality rates”. Auch das ist nicht selbsterklärend. Man weiß auch nicht, welche Zeitintervalle untersucht wurden (Jahresmittelwerte oder kleinere Zeitintervalle), ob die konstatierten Zusammenhänge in den “most countries” zeitlich stabil waren oder nicht, falls nicht, ob es dazu Erklärungen gibt usw. usw.

    Im schlimmsten Fall könnte es sein, dass die vorgenommenen statistischen Prozeduren in einigen Ländern in einigen Altersgruppen bei einem Geschlecht den konstatierten Zusammenhang hervorbringen, in anderen Ländern, anderen Altersgruppen und dem anderen Geschlecht nicht, oder dass das Ergebnis nicht robust gegenüber einem Wechsel der Modellierung ist. Das wäre dann eine Ergebnisselektion. Ich will das keinesfalls unterstellen, nur andeuten, wie wenig das Abstract allein hilft, die Studie jenseits von Vermutungen zu diskutieren.

  34. #34 Test-Operator
    21. Oktober 2013

    Dies ist nur ein Test.

    Na, dann wollen wir doch mal sehen, ob das wirklich wahr ist:

    https://tamino.wordpress.com/2013/09/11/seasonal-nino/

    Pro Posting wird nur ein Link akzeptiert. Das “Problem” sollte sich doch auf einfache Weise lösen lassen

    Gelogen

    https://tamino.wordpress.com/2013/09/02/el-nino-and-the-non-spherical-cow/

  35. #35 Basilius
    Monogatari
    22. Oktober 2013

    @Test-Operator

    Pro Posting wird nur ein Link akzeptiert.

    Wer behauptet denn so was?
    Ich würde die Tests noch erweitern. Dann würde man auch eine Chance haben die tatsächliche Grenze zu finden…
    ^_^

  36. #36 Joseph Kuhn
    22. Oktober 2013

    … bevor hier wirklich weiter getestet wird: Auf diesem Blog sind die Einstellungen derzeit so, dass drei Links akzeptiert werden. Andere Scienceblogger haben andere Einstellungen vorgenommen.

  37. #37 Joseph Kuhn
    22. Oktober 2013

    Jetzt habe ich doch einmal in die Studie zum Zusammenhang von Konjunktur und Mortalität geschaut, um nicht nur am Abstract hängen zu bleiben: Deutschland gehört nicht zu den untersuchten Ländern. Die Studie bringt nur BIP und Mortalität in Zusammenhang, andere Daten werden nicht herangezogen, d.h. Erklärungsansätze für die Befunde sind nicht datengestützt. Die Befunde scheinen im Einklang mit einigen früheren Studien zum gleichen Thema zu stehen. Daten zu anderen als den beiden beschriebenen Altersgruppen gibt es leider nicht – das ist schade. Insgesamt macht die Studie aber (so weit ich es beurteilen kann) einen soliden Eindruck, die Autoren stellen ihren Erklärungsansatz mit der sozialen Unterstützung/Fürsorge auch recht vorsichtig in den Raum. Wie gut die Ausgangsdaten sind und welche Rolle die Länderauswahl oder die Auswahl der beiden Altersgruppen spielen, kann ich nicht beurteilen, ebenso wenig die Feinheiten der verwendeten statistischen Methoden.

  38. #38 Basilius
    Monogatari
    23. Oktober 2013

    @Joseph Kuhn

    … bevor hier wirklich weiter getestet wird:

    Wie jetzt Josef? Man hätte einfach bei Dir nachfragen können?
    Revolutionär!
    Das nimmt den selbsternannten Forschern vermutlich jeglichen Erkundungsspaß
    ^__^

  39. #39 Wilhelm Leonhard Schuster
    23. Oktober 2013

    …weil wer nix derheiret und nix ierbt a armer Hund bleibt bis daß er stirbt.. so sagt das( einst?) absolut gültige Sprichwort!

  40. #40 Dr. Webbaer
    23. Oktober 2013

    Jetzt habe ich doch einmal in die Studie zum Zusammenhang von Konjunktur und Mortalität geschaut, um nicht nur am Abstract hängen zu bleiben: Deutschland gehört nicht zu den untersuchten Ländern. Die Studie bringt nur BIP und Mortalität in Zusammenhang, andere Daten werden nicht herangezogen, d.h. Erklärungsansätze für die Befunde sind nicht datengestützt.

    Es mag so sein, dass die Konjunktur zu gewissen Dellen führt, die Lebenserwartung oder Mortalität betreffend, wer aber fein BIP und Lebenserwartung auf einer langfristigen Zeitlichkeit gegenüberstellt, wird womöglich herausfinden, dass eine gute laufende Wirtschaft eben nicht tötet.

    Insofern können besten- oder schlimmstenfalls auf einer Kurzzeitigkeit beruhend bestimmte Erklärungsansätze nahegelegt werden.

    MFG
    Dr. W (der sich natürlich darüber im Klaren ist, dass Sie, Herr Dr. Kuhn, das auch so sehen könnten, das “Empört-Euch!”, das Leute aus dem Sozialapparat umgibt, oft eher Chic ist)

  41. #41 Joseph Kuhn
    24. Oktober 2013

    Mensch Webbär, dass langfristig eine gute Wirtschaft “nicht tötet”, steht doch oben, es steht auch in dem diskutierten Artikel, natürlich geht es um kurzfristig wirkende Faktoren. Wenn Sie Ihre Ideologiebrille mal ablegen würden, könnten Sie vielleicht besser lesen und würden weniger überflüssige Kommentare schreiben.

  42. #42 michael
    24. Oktober 2013

    Mensch Webbär ist ein Oxymoron und WB ohne Ideologiescheuklappen eine Denkunmöglichkeit.

  43. #43 Dr. Webbaer
    25. Oktober 2013

    Dann war’s doch korrekt angemerkt, nur warum dann noch das “Empört Euch!” als Therapieziel?

    Wobei sich die obigen Anmerkungen zum Sich-Empören-Sollen natürlich nicht nur auf diesen Artikel und diesen WebLog-Autor bezogen…

    MFG
    Dr. W (der sich also fragt, wie relevant kleinere “Dellen” der hier behandelten Art sind, wenn es allgemein in die richtige Richtung geht)

  44. #44 michael
    25. Oktober 2013

    @WB

    > (der sich also fragt, wie relevant kleinere “Dellen” der hier behandelten Art sind, wenn es allgemein in die richtige Richtung geht)

    Meinen Herr Bär, warum man nicht den Mantel des nachsichtigen Schweigens über “solch kleine Dellen” deckt?

    Stört den Bären,dass andere auf die Idee kommen könnnten, solche kleineren Dellen auszubügeln, womöglich auf Bärchens Kosten ?

  45. #45 Dr. Webbaer
    26. Oktober 2013

    Stört den Bären,dass andere auf die Idee kommen könnnten, solche kleineren Dellen auszubügeln, womöglich auf Bärchens Kosten ?

    Die Idee und die Vorhaben, Konjunkturdellen gezielt begradigen zu wollen, stören in der Tat “ein wenig”.

    MFG
    Dr. W

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