Auf 300.437.000.000 Euro beliefen sich die Gesundheitsausgaben im Jahr 2012, das hat das Statistische Bundesamt am vergangenen Montag mitgeteilt. Wer sich mit den vielen Nullen schwer tut: Es geht um etwas mehr als 300 Milliarden Euro.

Das ist viel Geld. Vor 20 Jahren, 1992, waren es noch knapp 160 Milliarden Euro. Seitdem sind die Gesundheitsausgaben um 90 % gewachsen. Ist das die befürchtete Kostenexplosion im Gesundheitswesen? Dazu sollte man sich ansehen, wie sich die Wirtschaft insgesamt entwickelt hat. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP), das gewöhnlich dafür herangezogene Maß für die Leistung unserer Volkswirtschaft, ist in dieser Zeit fast genauso stark gewachsen. 2013 betrug es 2,7 Billionen Euro. Der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP lag 1992 bei 9,6 %, 2012 bei 11,3%. Die Gesellschaft wendet also mehr für die Gesundheit auf, aber die Entwicklung ist nicht so dramatisch, wie man angesichts des Anstiegs der absoluten Ausgaben vielleicht befürchten könnte. Ganz davon abgesehen, dass der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP alleine noch nicht viel darüber aussagt, was das wirtschaftlich bedeutet, aber darüber mögen sich Gesundheitsökonomen auslassen, die verstehen mehr davon als ich.

In der folgenden Grafik bildet die blaue Linie den prozentualen Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP ab, den linearen Trend habe ich als rote Linie eingezeichnet.

Gesundheitsausgaben_2012_1

Was auch ganz interessant ist: Der Anteil der Prävention an den Gesundheitsausgaben ist in den letzten 20 Jahren praktisch unverändert geblieben, er lag 2012 bei 3,6 %. In der nächsten Grafik sieht man die Präventionsausgaben neben den hohen Säulen der Gesamtausgaben fast gar nicht, erst recht nicht sieht man, dass sie in absoluten Zahlen in etwa gleich stark mitgewachsen sind. Dafür sieht man umso besser, dass die Prävention noch nicht die vielzitierte „dritte Säule“ des Gesundheitswesens ist. Eher handelt es sich um ein präventives Stummelchen.

Gesundheitsausgaben_2012_2

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Nachtrag 12.4.2012 – zwei Anmerkungen noch:
1. Hätte es für die Gesundheitsausgaben von 1992 bis 2012 nur einen Inflationsausgleich gegeben, so wären die Gesundheitsausgaben bis 2012 allein dadurch um ca. 73 Mrd. auf ca. 232 Mrd. Euro gestiegen.
2. Bei den privaten Krankenkassen haben die Ausgaben seit 1992 um ca. 140 % zugenommen, bei den gesetzlichen Krankenkassen um ca. 75 %, bei den öffentlichen Haushalten haben sie um ca. 20 % abgenommen. Auch nachdenkenswert.

Kommentare (11)

  1. #1 Ludger
    12. April 2014

    Joseph Kuhn:
    Dafür sieht man umso besser, dass die Prävention noch nicht die vielzitierte „dritte Säule“ des Gesundheitswesens ist. Eher handelt es sich um ein präventives Stummelchen.

    Die Therapie richtet sich nach den medizinischen Notwendigkeiten und Möglichkeiten und die Prävention nach politischen Entscheidungen unter der Voraussetzung der Wirtschaftlichkeit. Dabei spielen dann solche Fragen: “Wieviel kostet ein Jahr Lebensverlängerung?” eine Rolle. Bei der ca. 1970 erfolgten Einführung des Guthrie-Tests ( https://de.wikipedia.org/wiki/Guthrie-Test ) war es für die Kostenübernahme ein wichtiges Argument, dass die flächendeckende Testung billiger sei als die Pflege der zu spät entdeckten PKU-Fälle. Deshalb wurde das Screeningprogramm politisch beschlossen. Wenn ein neues Therapieverfahren teuer aber erfolgversprechend ist, wird das gemacht. In Deutschland jedenfalls.

  2. #2 Joseph Kuhn
    12. April 2014

    @ Ludger: Kostenvergleiche werden vermutlich vor allem da handlungsrelevant, wo der Kostenträger, der etwas finanzieren soll, auch selbst von den Einsparungen profitiert. Schwieriger, wenn der eine etwas tun soll (z.B. die Krankenkassen) und ein anderer profitiert (z.B. die Pflege- oder die Rentenversicherung). Wobei es auch im ersten Fall nicht immer so einfach ist. Es gibt Analysen, nach denen Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung für die Unternehmen einen return on investment von 1:2 und mehr haben, was eigentlich jedem Betriebswirt den Mund wässrig machen sollte, trotzdem sind in Deutschland die Unternehmen hier nach wie vor recht zurückhaltend. Bei solchen Dingen geht es manchmal eben nicht nur um wirtschaftlich nüchterne Kalküle.

  3. #3 Dr. Webbaer
    13. April 2014

    Was hält denn der werte Inhaltegeber von der Idee, auch in Anbetracht der demographischen Entwicklung, die Gesundheitsausgaben, ganz ähnlich wie den Mindestlohn oder sozialstaatliche Leistungen, für D über eine staatliche Grundsicherung zu systematisieren? – Wobei diese dann auch als sogenanntes bedingungsloses Grundeinkommen mit gesundheitlicher Basisabsicherung daherkommen könnte.

    MFG
    Dr. W

  4. #4 Joseph Kuhn
    13. April 2014

    @ Webbär: Ich weiß nicht recht, was Sie meinen. Eine gesundheitliche Basisabsicherung für Menschen mit geringem oder ohne Einkommen gibt es ja, z.B. über die Hilfe zur Gesundheit nach SGB XII oder für Asylbewerber über das Asylbewerberleistungsgesetz. Eine pauschale Summe für solche Leistungen wäre sicher nicht sinnvoll, denn wo sollte hier die Grenze gezogen werden und was sollte geschehen, wenn z.B. in der Krebstherapie diese Summe nicht reicht?

  5. #5 Dr. Webbaer
    14. April 2014

    Mal ganz platt gefragt:
    Was halten Sie persönlich, auch in Anbetracht bekannter demographischer Entwicklung in D [1], vom bedingungslosen Grundeinkommen inklusive einer bedingungslosen Gesundheits-Basis-Absicherung für alle?

    [1] auch bezogen auf den relativen Reichtum jenes Landes

  6. #6 Joseph Kuhn
    14. April 2014

    @ Webbär:

    “Mal ganz platt gefragt:”

    Beim bedingungslosen Grundeinkommen sollte man nicht ganz platt fragen, weil es sehr auf die konkrete Ausgestaltung ankommt. Ich habe mich damit nicht näher beschäftigt und das Grundeinkommen ist hier auch OT. Thema des Blogs sind die Gesundheitsausgaben.

  7. #7 Dr. Webbaer
    14. April 2014

    Nun, Herr Dr. Kuhn, die Motivlage dieses Artikels mag aus dem möglicherweise bestehenden Missverhältnis zwischen Präventionskosten und den gesamten Gesundheitsausgaben bestehen, nichtsdestrotrotz erlaubt sich Ihr Kommentatorenfreund anzumerken im Kontext angefragt zu haben, das wirtschaftlich “Gesunde” (vgl. mit der Artikelüberschrift) der Ausgaben in Höhe von ca. 300 Milliarden Euro meinend.
    Sie dürfen gerne ein wenig aus sich herausgehen, bedenken Sie gerne auch das Vertrauen, das Ihnen durch derartige Fragestellung entgegengebracht wird.

    MFG
    Dr. W (der aber auch warten kann bis sich Stellungnahme ergibt, also mögliche spätere Artikel Ihrerseits betreffend)

  8. #8 CM
    14. April 2014

    Die eigentliche Frage ist doch: Bringt mehr Geld für die Prävention auch bessere Prävention? Und: Würde sich dieses auch ökonomisch (z. B. durch geringere Gesamtausgaben) auswirken.
    In einigen Bereichen sicherlich – aber bezogen auf das Gesamtsystem?

  9. #9 miesepeter3
    14. April 2014

    @Joseph Kuhn

    Der Staat verhält sich hier so, wie ein Gebrauchtwagenfahrer:
    Ich bezahle nur Reparatueren, die nötig sind.
    Bei Inspektionen (Prävention) kann ich mir nicht sicher sein, ob die tatsächlich eine Reparatur verhindern oder ob da eigentlich keine Schäden mehr auftreten. Kostenübernahmen ohne direkte Herstellung der Fahreigenschaften sind suspekt, möglicherweise sogar rausgeschmissenes Geld.

  10. #10 Joseph Kuhn
    15. April 2014

    @ Webbär: Ob Gesundheitsausgaben in Höhe von 300 Mrd. Euro “wirtschaftlich gesund” sind? Gesundheitsökonomen werden vermutlich sagen, kommt darauf an: z.B. um welchen Teil der Gesundheitsausgaben es geht, welches wirtschaftliche Outcome man sich ansieht, welche Möglichkeiten der alternativen Mittelverwendung man in Betracht zieht etc. – vielleicht liest ja einer mit.

    @ CM: Geld alleine macht bestimmt keine bessere Prävention. Auch Präventionsmaßnahmen müssen evidenzbasiert sein, sie sind es oft nicht.

    @ miesepeter3: Der Rückgang der staatlichen und kommunalen Gesundheitsausgaben hat viele Gründe. Gegenüber dem Ausgabenniveau Anfang der 1990er Jahre spielt z.B. die zweite Stufe der Pflegereform 1996 eine wichtige Rolle, durch die Ausgaben der stationären und teilstationären Pflege von der Sozialhilfe auf die Pflegeversicherung übergegangen sind. Ein weiterer, allerdings weniger einschneidender Punkt sind die sinkenden Investitionsmittel der Länder für die Krankenhäuser. Der Rückgang der Präventionsausgaben der öffentlichen Haushalte ist eher gering, hier spielt z.B. der Personalabbau in den Gesundheitsämtern und bei den Arbeitsschutzbehörden eine Rolle. Dahinter wiederum stehen vor allem gesellschaftspolitische Orientierungen wie Staatsabbau und Haushaltssanierung, die Metapher der Autoinspektion hilft hier nicht weiter.

  11. #11 miesepeter3
    15. April 2014

    @Joseph Kuhn

    Na schön, alle müssen sparen. Aber das allein trifft es auch nicht. Die Kürzungen im Gesundheitswesen treffen überproportional oft die Vorsorge, die nicht in der Ausnutzung von Medizinischen Geräten besteht. Kuren gibt es nicht mehr so leicht und wenn, dann für nur noch drei Wochen. Verlängerungen sind möglich, aber meist nur noch um die vierte Woche. Sechs Wochengibt es eigentlich nur noch, wenn die Alternative Umzug heißt, und zwar Umzug auf den Friedhof. Viele IGEL Leistungen waren mal durch die Krankenkasse bezahlte Vorsorgeleistungen. Einsparungen gibt es auch im Bereich der medizinischen Hilfsgeräte bei chronisch Kranken. Den Rollstuhl gibt es nicht mehr so schnell, wie noch vor 10 Jahren, egal wie dringend er benötigt wird. Ich könnte noch eine ganze Reihe dieser Sparmaßnahmen aufzählen, wäre langweilig. Wer da warum bestimmt, was im Einzelnen eingespart wird, kannst Du wesentlich besser beurteilen als ich. Aber die doch schlechtere Versorgung der Kranken ist Fakt. Mein Vergleich mit dem Gebrauchtwagen mag ein wenig hinken, aber ganz abwegig ist er nicht.