Die Pharmaindustrie ist eine besondere Industrie: Sie stellt – im Idealfall – Produkte her, die Kranke brauchen. Versorgungssicherheit ist hier wichtig und – im Prinzip – gesetzlich geregelt. § 52b des Arzneimittelgesetzes verpflichtet die Pharmabranche, zugelassene und in Verkehr gebrachte Arzneimittel auch verlässlich vorzuhalten:

“(1) Pharmazeutische Unternehmer und Betreiber von Arzneimittelgroßhandlungen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes ein tatsächlich in Verkehr gebrachtes und zur Anwendung im oder am Menschen bestimmtes Arzneimittel vertreiben (…), stellen eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung des Arzneimittels sicher, damit der Bedarf von Patienten im Geltungsbereich dieses Gesetzes gedeckt ist.“

Arzneimittel sind eben keine Produkte, bei denen man beliebig auf Alternativen ausweichen kann. Was im Prinzip geregelt ist, wird bekanntlich nach Radio Eriwan in der Realität durch ein großes Aber begleitet. Gerade geht der Fall des Krebsmedikaments Melphalan durch die Medien. Es wird, so steht es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) und der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (GDOP), bei Leukämien und Lymphomen zur Vorbereitung auf Stammzelltransplantationen eingesetzt und sei in seinem Haupteinsatzgebiet, der Behandlung des Multiplen Myeloms, nicht durch andere Substanzen zu ersetzen.

Der Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte über Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland zufolge gibt es bei Melphalan Probleme mit der Freigabe des Bulkprodukts (d.h. des Massenguts) für die Endverpackung. Das scheint bei Arzneimitteln manchmal ein komplexerer Vorgang zu sein, ich kenne mich da nicht aus.

Zudem, so Medienberichte, gibt es kaum mehr Hersteller des Medikaments, weil sich die Produktion aufgrund des abgelaufenen Patentschutzes nicht lohne. Durch den Lieferengpass steigen jetzt aber die Preise für Restvorräte extrem an, in der zitierten Pressemitteilung ist von einem Anstieg um den Faktor 20 die Rede. Die Branche macht auch hier aus der Not ein Geschäft. Das lohnt sich. In der oben zitierten Pressemitteilung der Ärzte und Pharmazeuten wird an die Ethik der Branche appelliert – und an den Gesetzgeber, weitergehende rechtliche Regelungen zu schaffen, um solche Lieferengpässe künftig zu vermeiden. Marktregulation durch Ethik und Gesetz: beides – im Prinzip – gute Ideen.

Kommentare (9)

  1. #2 BreitSide
    Beim Deich
    29. August 2015

    Ein gar weites Feld… 😉

  2. #3 Ludger
    29. August 2015

    Offenbar haben auch in den Pharmafirmen die Betriebswirte das letzte Wort. Was kann man dagegen machen? Bei der Autoindustrie ist ein “Flottenverbrauch” vorgeschrieben. Man könnte den Firmen ab einer bestimmten Größe ja einen Prozentsatz an Orphan-Drugs vorschreiben.

    • #4 BreitSide
      Beim Deich
      29. August 2015

      Du Revoluzzer Du! Systemveränderer! Auf den Poden… 😉

  3. #5 Ludger
    30. August 2015

    Immer noch besser als ne staatliche Pillenfabrik.

    • #6 Joseph Kuhn
      30. August 2015

      “Immer noch besser als ne staatliche Pillenfabrik.”

      Und als der freie Markt, um das andere Schreckgespenst, das es ebenso nur in Albträumen gibt, auch noch zu bemühen.

  4. #7 Ludger
    30. August 2015

    Der Arzneimittelmarkt ist in großen Teilen ein Markt, der von Monopolen oder Oligopolen beherrscht wird und ist daher kein freier Markt. Allerdings sieht man dort auch die Auswirkungen einer staatlichen Regulierung. Weil Nachzulassungen bewährter und nicht mehr patentgeschützter Medikamente nach dem derzeitig gelten “neuen” Arzneimittelrecht vorgeschrieben aber nicht gewinnversprechend waren, sind wichtige Wirkstoffe vom Markt genommen worden. Den Gynaekologen sind die Werkzeuge weggenommen worden. Die Wirkstoffe sind jedoch als fixe Kombination in Fertigarzneimitteln noch zugelassen und im Gebrauch. Und die zugelassenen und ungeprüften Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen (Stichwort: “Binnenkonsens”) taugen leider nicht als Ersatz.

  5. #8 miesepeter3
    1. September 2015

    Auch ein Pharmaunternehmen ist ein Unternehmen, dass stetig nach Gewinnmaximierung strebt, so wie alle anderen auch.
    Die Zeiten, in denen ein Unternehmen auf ehrliche Weise sein Geld verdient scheinen schon eine Lange Zeit vorbei zu sein. Man betrachte nur, wie viele Kartelle von der nicht gerade als schnell bekanten Kartellbehörde entlarvt wurden: Zucker-Beton-Salz-Kakao-Schokolade-Feuerwehrfahrzeuge-und und und …. Kartelle, wohin man sieht. Es scheint, der Profit ist auch Gesetzesbrüche wert. Und ein Pharmaunternehmen, dass die Produktion nicht mehr lukativer Medikamente einstellt, verstößt nicht einmal gegen irgendwelche Gesetze. Und der Markt lehrt schon seit ewigen Zeiten: Mangel macht teuer. Moral bringt keinen Profit, So what?

    • #9 Joseph Kuhn
      1. September 2015

      @ miesepeter3:

      “Moral bringt keinen Profit, So what?”

      Siehe Blogbeitrag, zweiter Satz. Darum ist eine sichere Arzneimittelversorgung – im Prinzip – gesetzlich geregelt.