Dicksein ist aus der Mode. Heutzutage gilt dick sein vielen Leuten als unschön und ab wie viel Pfunden es außerdem noch ungesund ist, darüber streiten die Gelehrten. Zu dick ist nicht gut, klar, aber wo fängt „zu dick“ an? Noch mehr Streit gibt es darüber, wie man von den Pfunden am besten wieder herunterkommt. Die guten Ratschläge haben samt und sonders eine kurze Halbwertszeit und als gesichert kann eigentlich nur gelten, dass die meisten Diäten für die meisten Menschen nicht gesund sind.

Im aktuellen SPIEGEL ist nun ein Artikel über die These eines amerikanischen Wissenschaftlers namens David Ludwig, dass fettarme Ernährung dick und fettreiche Ernährung schlank macht. Kann sein, kann nicht sein, egal, ich bin über etwas anderes gestolpert. In dem Artikel ist auch eine Grafik zum Trend von Übergewicht und Adipositas für verschiedene Länder. Die Daten stammen aus der an und für sich verdienstvollen Sammlung des Institute for Health Metrics and Evaluation an der University of Washington, das das Erbe der berühmten Global Burden of Disease-Studie verwaltet.

Bei vielen gesundheitlichen Merkmalen gibt es keine guten Trenddaten und bei noch mehr gesundheitlichen Merkmalen gibt es keine guten Daten im internationalen Vergleich. Daten zum Übergewicht und zur Adipositas sind ein Beispiel dafür. Da wird immer wieder Datenschindluder getrieben, z.B. werden zuweilen bedenkenlos gemessene und erfragte Daten nebeneinander gestellt, obwohl gemessene Daten höhere Adipositasraten liefern als erfragte Daten. Auch die deutschen Daten zu Übergewicht und Adipositas, die das Institute for Health Metrics and Evaluation seiner Trenddarstellung zugrunde legt, stammen aus unterschiedlichen Studien. Ich habe die Methodik des Datenvergleichs nicht recherchiert, insofern will ich dazu nichts sagen. Stattdessen habe ich auf die Schnelle von der Internetseite des Instituts einmal die Trenddarstellung über die letzten 30 Jahre für Adipositas bei Männern in Deutschland nach Altersgruppen heruntergeladen. In den folgenden Grafiken bilden die lila Punkte jeweils die Ergebnisse einer Studie (bzw. einer Erhebungswelle einer Studie) ab, die grüne Fläche ist als „Uncertainty“ deklariert, also irgendeine Art von Vertrauensintervall:

IMHE_Adipositas_1

Bild: Institute for Health Metrics and Evaluation

Ob die Daten die Trendlinie gut begründen? Das fragt man sich erst recht, wenn man Länder ansieht, bei denen man schon ahnt, dass es dort wohl keine guten Daten zu Adipositas gibt, z.B. Syrien. Auch hier geht es wiederum um Adipositas bei Männern im Trend der letzten 30 Jahre:

IMHE_Adipositas_2

Bild: Institute for Health Metrics and Evaluation

Auf welcher Basis für Syrien wohl der Trend berechnet wurde? Vermutlich steht es irgendwo in den methodischen Erläuterungen, aber sehr vertrauenswürdig wirkt das auf den ersten Blick nicht unbedingt. Wie gesagt, ich habe mir die Sache noch nicht näher angesehen, falls jemand der Methodik hinterherrecherchieren will: weiterführende Hinweise sind hier willkommen. Ich gehe jetzt erst mal in den Garten – die Sonne scheint endlich wieder.

Kommentare (7)

  1. #1 werner
    13. August 2016

    Das erinnert an einen alten Uniwitz:
    “Willst Du eine Gerade, miss nur zweimal, willst Du eine Kurve, miss nur dreimal.”
    Sieht ganz danach aus.

  2. #2 Ulfi
    14. August 2016

    Würde wetten, dass die einen gausschen Prozess gefitted haben. Das erzeugt solche Trends aus nichts weil viele andere datenreihen diesen Trend ausgewiesen haben

  3. #3 Laie
    15. August 2016

    Geraden durch nur einen Meßpunkt? Warum denn nicht, heutzutage muß man halt creativ ein. 🙂

    Ich suche noch immer nach einer Studie, die mir die nächsten Lottozahlen vorhersagt! 🙂

  4. #4 gedankenknick
    15. August 2016

    @Laie:
    Kein Problem: 5; 7;8; 19; 27; 39; Zusatzzahl 16

    Aber ich verrate die Woche der Zeihung nicht… 😛

  5. #5 Dr. Webbaer
    17. August 2016

    Wie eigentlich immer wieder vely schlau angemerkt, lieber Herr Dr. Kuhn.

    Was ist eigentlich ‘dick’? und warum wäre ‘Dick’-Sein bedarfsweise als ungesund einzuschätzen?

    Vermutung:
    ‘Dick’-Sein ist genau dann gegeben und schlecht, wenn es die Lebenserwartung mindert. [1]

    An und für sich macht das ‘Dick’-Sein ja sozusagen evolutionär Sinn – wenn gehungert werden muss, sterben zuerst die Nicht-‘Dicken’, oder?

    MFG
    Wb (etwas zu ‘dick’, abär nicht mehr so wie früher!)

    [1]
    Es könnte, also das ‘Dick’-Sein betreffend, genau so theoretisiert werden, von der Gesundheitsforschung.

  6. #6 Dr. Webbaer
    17. August 2016

    PS:
    Der Garten, Opi Webbaer auch einen habend, ist soz. der natürliche Feind des ‘Dick’-Seins.

  7. #7 Brigitte
    21. August 2016

    Das beliebte Spiel, Daten sammeln geht weiter. Kann aber auch ganz nützlich sein, wenn dadurch diese Information in einer Datenbank wie unter XXXX zur Verfügung stehen

    [Edit: Werbe-URL gelöscht. JK]