Vor einem Jahr hat Sebastian Bartoschek bei den „Ruhrbaronen“ ein resignatives Fazit zur Auseinandersetzung um die Homöopathie gezogen: Der Kampf sei verloren, die Homöopathie hätte gewonnen. Inzwischen ist viel passiert. Mit enormer Medienwirksamkeit hat die frühere Homöopathin Natalie Grams die Seiten gewechselt und reflektiert öffentlich ihre Beweggründe – für die Homöopathen ein medialer Super-GAU. Das Netzwerk Homöopathie wurde gegründet, das sich durch eine sehr sachliche Aufklärungsarbeit auszeichnet. Vor diesem Hintergrund treten die Statements des Zentralvereins der homöopathischen Ärzte klarer denn je als das hervor, was sie sind: Lobbyarbeit zum Schutz eines Geschäftsfelds. Der Bremer Gesundheitswissenschaftler Norbert Schmacke hat sein Buch „Der Glaube an die Globuli“ veröffentlicht, in dem er den Blickwinkel der Debatte zurecht darauf ausrichtet, worum es gehen muss: den Abbau der rechtlichen Privilegien der „besonderen Therapierichtungen“ in Zeiten der evidenzbasierten Medizin.
Und dann die Tragödie mit den Sterbefällen im „Biologischen Krebszentrum Brüggen“: Obwohl an sich nicht der Homöopathie zuzurechnen, bekam dadurch die Debatte um „alternative“ Krebstherapien und die Befugnisse von Heilpraktikern eine ganz neue Dynamik. Plötzlich melden sich Politiker zu Wort und fordern eine Reform des Heilpraktikerrechts – und eine Überprüfung obskurer Therapierichtungen wie der Homöopathie. Auch der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses – des „kleinen Gesetzgebers“ im Gesundheitswesen – Josef Hecken sprach sich für eine wissenschaftliche Bilanzierung zur Wirksamkeit der Homöopathie aus. Wissenschaftlich wäre dies nicht mehr nötig, die Sachlage ist eigentlich klar, aber Politik funktioniert eben anders.
Ob es Herrn Hecken gelingt, das IQWIG mit einer Übersichtsarbeit zur Homöopathie zu beauftragen und welche Folgen das im Erfolgsfall haben wird, wird man sehen. Schließlich würde eine solche Übersichtsarbeit noch nicht die gesetzlichen Schutzvorschriften für die besonderen Therapierichtungen im SGB V und im Arzneimittelrecht beseitigen. Das müsste die Politik dann auch noch aktiv angehen, statt wie bisher ihre Unterstützung für die Homöopathie für moderne Aufgeschlossenheit gegenüber Unkonventionellem zu halten. Dass gerade die Homöopathie „Schulmedizin“ par excellence ist, eine Glaubensschule, konventionell verkrustet und rückständig, na gut, das wurde oft genug gesagt, ich will mich darüber hier nicht mehr auslassen.
Interessant ist, wie jetzt das Konzert der Pro&Contra-Stimmen zur Homöopathie orchestriert wird. Nachdem der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Herr Gassen, dem G-BA-Vorsitzenden zur Seite gesprungen ist, hatte sich der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie in ungewöhnlich klarer Positionierung auf die Seite der Homöopathen geschlagen. Wer bis dahin noch daran geglaubt haben mag, dass die Homöopathie eine sanfte Alternative zur Pharmaindustrie sei, hätte nun Anlass, darüber noch einmal nachzudenken.
Heute kann man in der Ärztezeitung lesen, dass Herr Neuwerk, Vize-Vorstand der BKK VBU, einer Kleinst-Krankenkasse, sich für die Homöopathie als Satzungsleistung der Krankenkassen ausspricht. Er bemüht drei Argumente, denen man immer wieder begegnet:
1. Das Gesetz schütze die besonderen Therapierichtungen – richtig, aber das spricht nicht für den Status Quo, sondern das muss sich ändern, denn dafür gibt es heute keinen vernünftigen Grund mehr.
2. Die Kosten seien vergleichsweise gering – ebenfalls richtig, doch dieses Peanuts-Argument lässt man zurecht in anderen Fällen auch nicht gelten und so nonchalant kann man mit Versichertengeldern einfach nicht umgehen.
3. Versicherte, die diese Satzungsleistungen nachfragen, würden “bei den großen Ausgabenblöcken wie Arzneimittel und stationären Leistungen nur unterdurchschnittliche Kosten verursachen”. Das mag sein, aber das liegt nicht an der Nachfrage nach diesen Satzungsleistungen, sondern an der Sozialstruktur dieser Versicherten. Und genau deswegen wollen die Kassen die Homöopathie auch als Satzungsleistung erhalten: weil sie damit den Wettbewerb um „gute Risiken“ bestreiten, also um Versicherte mit hohen Beiträgen und niedrigen Kosten. Das ist eine Fehlentwicklung des Kassenwettbewerbs, die es zu unterbinden gilt. Im Übrigen fällt die wirtschaftliche Bilanz für die Homöopathie, wenn man etwas genauer hinsieht, nicht so positiv aus, wie Herr Neuwerk meint, oder zu meinen vorgibt.
Ich bin gespannt, wie diese Debatte weitergeht, wer sich demnächst noch zu Wort meldet, ob das alles auch praktische Konsequenzen haben wird und man vielleicht doch darauf hoffen darf, dass die Mühlen der Vernunft zwar langsam, aber verlässlich mahlen.
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