Wenn man den aktuellen Umfragen trauen darf, spricht vieles dafür, dass CDU und CSU auch in der nächsten Legislaturperiode die stärkste Fraktion im Bundestag stellen und dass sie in der Regierung vielleicht nur den Koalitionspartner wechseln. Kommt also Schwarz-Gelb wieder, die Biene Maja-Koalition? Nach dem 24. September wissen wir mehr.

Jedenfalls sind diese Aussichten Grund genug, einen Blick in das Wahlprogramm von CDU/CSU zu werfen. Wer’s kurz mag – die gesundheitspolitischen Aussagen dort kann man in zwei Sätzen zusammenzufassen:

1. Bei wichtigen Sachen nur nicht zu konkret festlegen.
2. Im Prinzip ist alles gut, also weiter so.

Wer es genauer wissen will, muss sich jetzt leider durch etwas Text quälen:

Das meiste steht im Kapitel „Wohlstand und Lebensqualität“, dort im Abschnitt „Gesundheit und Lebensqualität auf hohem Niveau“ (S. 38-41). Der Abschnitt beginnt leicht kontrafaktisch: „Wir werden sicherstellen, dass Menschen im Falle von Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder bei einem Unfall auch zukünftig eine gute medizinische und pflegerische Versorgung erhalten – unabhängig von ihrem Einkommen und Wohnort.“ Ob man das so pauschal sagen kann, daran hätte ich mit Blick auf die pflegerische Versorgung doch meine Zweifel. Da liegt einiges im Argen und das sollte man ansprechen und auf die gesundheitspolitische Agenda setzen, statt sich hinter Selbstlobfloskeln zu verstecken.

Dann folgen kurze Spiegelstriche zu einzelnen Themen:

1. Der erste Spiegelstrich weist auf die Notwendigkeit einer besseren Vernetzung der Versorgung hin. „Gerade die Versorgung älterer, oft mehrfach und chronisch erkrankter Menschen, schwer erkrankter Kinder und psychisch Kranker erfordert dies.“ So ist es, schön wäre es gewesen, man hätte dazu mehr erfahren.

2. Bei der Krankenhausfinanzierung wird versprochen, die Preisentwicklung und die Tarifsteigerungen künftig zu berücksichtigen. Das ist immerhin erfreulich konkret und zudem überfällig. Ebenso überfällig wäre allerdings, wenn die Länder endlich ihre Investitionsausgaben im Krankenhausbereich auf das notwendige Niveau brächten, statt diese Kosten indirekt den Krankenkassen zuzuschieben.

3. Die Union sichert eine gute ärztliche Versorgung im ländlichen Raum und eine ortsnahe Apothekenversorgung zu. Der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln soll verboten werden. Die Sache mit dem Versandhandel könnte mit der neuerdings bei diesem Thema nicht mehr so festgelegten FDP zu interessanten Verhandlungen führen. Vielleicht kommt ja sogar ein guter Kompromiss für die Apotheker und die Patienten dabei heraus. Der andere Punkt, die wohnortnahe Versorgung, ist vor allem mit Blick auf den demografischen Wandel und das Ziel, dass Ältere so lange wie möglich selbständig leben können, wichtig. Aber hat die Union dazu neue Ideen? Es gibt ja schon diverse Programme etwa zu Niederlassungsförderung im ländlichen Raum. Kommt mehr? Die Abkehr von der Einzelpraxis?

4. Dann ein Punkt nur mit Selbstlob: „Die vergangenen Regierungsjahre waren gute Jahre für Gesundheit und Pflege“. Mag sein. Aber warum steht das in einem Wahlprogramm? Will die CDU/CSU das ändern?

5. Es folgt ein Spiegelstrich mit der Absicht, mehr Menschen für Gesundheitsberufe zu motivieren. Eine löbliche Absicht. Noch löblicher wäre gewesen, wenn man dazu geschrieben hätte, dass man daher die Pflege künftig deutlich besser bezahlt und was man sich bei den Arbeitsbedingungen konkret vorstellt, statt nur zu sagen, dass man die „auf den Weg gebrachten Verbesserungen bei der Personalausstattung“ entschlossen umsetzen wolle.

6. Das Schulgeld für Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden und die weiteren Heilberufe soll abgeschafft werden. Gut so. Eine klare und nachprüfbare Sache.

7. Der „Masterplan Medizinstudium 2020“ soll zügig umgesetzt werden, mit einer Stärkung der Allgemeinmedizin und des wissenschaftsorientierten Arbeitens und einer Reform des Zugangs zum Studium. Auch dagegen gibt es nichts einzuwenden, außer, dass man das so allgemein nicht in ein Wahlprogramm hätte schreiben müssen. Die Alternative, dass man den Masterplan verzögern wolle, war ja vermutlich nicht ernsthaft in Erwägung.

8. Die Union kündigt die Schaffung eines „Nationalen Gesundheitsportals“ für bessere Gesundheitsinformationen an. Das ist ein sinnvoller Beitrag, wenn man sich die Desinformationsflut im Internet ansieht, aber auch hier verstehe ich nicht, warum das im Wahlprogramm steht. Mit den Vorarbeiten für das Nationale Gesundheitsportal ist das IQWIG doch schon beauftragt. Da wird gewissermaßen die Vergangenheit angekündigt.

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Kommentare (9)

  1. #1 rolak
    8. Juli 2017

    Nette aufgedröselt, Joseph, doch gemäß Merkelscher Einschätzung des Programmes hättest Du genausogut Peterchens Mondfahrt als Ausgangspunkt der Analyse nehmen können…

    ~KredtitwirtschaftVersprechen: Jetzt träumen – später bereuen.

    • #2 Joseph Kuhn
      8. Juli 2017

      @ rolak:

      Dabei sollte es Frau Merkel doch besser wissen: “Wer sich auf Träume verlässt, der greift nach dem Schatten und will den Wind haschen.” (Jesus Sirach 34,1)

  2. #3 sausi
    9. Juli 2017

    Die “Ankündigung der Vergangenheit” trifft es bei ziemlich vielen Punkten. Etliche sind längst auf dem Gleis oder stehen in den kommenden vier Jahren ohnehin an. Z.B. 2) Da geht es um die Frage, ob sich DRG-Steigerungen künftig wenigstens noch ein bisschen an den Beitragseinnahmen orientieren oder gar nicht mehr. Der Prüfauftrag dafür steht längst im Gesetz. Die Union lässt aber offen, wohin die Reise geht. Volle Einpreisung der Tarifsteigerung sehe ich aber nicht so unkritisch wie Sie.
    6) Schulgeld. Das ist schon scharf. Wenn Koalition die Akademisierung nicht um vier Jahre verschoben hätte, wäre das Schuldgeld bereits abgeschafft.
    8) Ganz wie Sie schreiben.
    9) Sie fragen, was das zu bedeuten hat: “Aufgabe der Politik bleibt es, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.“ Vermutlich geht es auch um die Diskussion um den MorbiRSA. Da stehen ja ein Gutachten und Änderungen ins Haus.
    Insgesamt ist das Programm reichlich blümerant. Aber es passt zur bisherigen Gröhe-Arbeit: Probleme aussitzen, Konflikte vermeiden. So kommt man gut durch, für das System ist es aber auf längere Sicht verheerend.

  3. #4 gedankenknick
    9. Juli 2017

    Die Sache mit dem Versandhandel könnte mit der neuerdings bei diesem Thema nicht mehr so festgelegten FDP zu interessanten Verhandlungen führen.
    Wird im Koalitionsvertrag geopfert. Konnte man leider nicht durchsetzen. Alles so wie immer. Die Großkonzerne wird es freuen…
    …hier sei mal an die FDP erinnert, die damals in ihr Wahlprogramm das Verbot der sogenannten “Pick-Up-Stellen” geschrieben hatte – und dies sogar in den Koalitionsvertrag schrieb. Es wurde NIE angegangen, die FDP hatte Bedenken, dass das Gesetz vom BVerG nicht bestehen könnte. Wenn jedes BVerG-kritische Gesetz gar nicht erst bearbeitet werden würde, würden wir in D nur sehr wenige neue Gesetze bekommen…

    Bei der Krankenhausfinanzierung wird versprochen, die Preisentwicklung und die Tarifsteigerungen künftig zu berücksichtigen.
    Frag mal die Apotheken. 3% Anpassung in 13 Jahren… also nicht pro Jahr sondern für die gesamte Zeit. In der gleichen Zeit unter anderem der Verbot von Einkaufsrabatten und regelmäßige Tariferhöhungen für Angestellte. Besser kann es kaum laufen…

  4. #5 RPGNo1
    9. Juli 2017

    Ich habe eine Frage zu Punkt 12 “Forschung z.B. zu Krebs, Diabetes, Demenz, seltenen Erkrankungen oder zur Entwicklung neuer Antibiotika soll verstärkt werden”.
    Forscht die öffentliche Hand tatsächlich im Bereich neuer Medikamente? Wenn ja, welche Institute/Organisationen/Personen sind darin eingebunden?
    Oder heißt es, dass entsprechende privatwirtschaftliche Initiativen mit entsprechenden Anreizen unterstützt werden sollen?

  5. #7 RPGNo1
    9. Juli 2017

    @Joseph Kuhn
    Vielen Dank!

  6. #8 dzp-nerd
    10. Juli 2017

    Danke für diese ausführliche Einordnung.

    Nun sollte man aber die Messlatte nicht allzu hoch hängen:

    …zur Ungleichheit der Gesundheitschancen von Männern und Frauen (Männer sterben fast 5 Jahre früher),…

    Das scheint mir doch sehr ambitioniert.

  7. #9 ralph
    10. Juli 2017

    Vielen Dank für die aufbereitete Information.

    16. ….Entlastung von Kindern Pflegebedürftiger: Auf sie soll erst ab einem Einkommen ab 100.000 Euro zurückgegriffen werden.

    Halte ich für wichtig und überfällig.