Infektionen werden durch kleine Dinger ausgelöst. Davon gibt es die unterschiedlichsten Arten, z.B. Viren und Bakterien. Oder Pilze. Oder Parasiten wie Plasmodien. Da kann man schon mal durcheinander kommen. Das ist heute der Redaktion der Ärztezeitung in ihrem Newsletter passiert:

B-Streptokokken

B-Streptokokken sind natürlich Bakterien und keine Viren, im Volltext steht es dann auch ganz korrekt. Sie besiedeln vor allem die Schleimhäute der Vagina und des Darmtraktes und verursachen normalerweise keine Symptome. In der Schwangerschaft können sie aber zur Gefahr für den Embryo oder den Säugling werden. Ein 100-köpfiges (!) Forscherteam hat nun errechnet, dass weltweit etwa 150.000 Totgeburten und Kindersterbefälle auf Streptokokken-B-Infektionen zurückgehen sollen. Darüber berichtet der Artikel in der Ärztezeitung.

2015 verzeichnete die Krankenhausstatistik 77 stationäre Behandlungsfälle bei Säuglingen infolge einer Streptokokken-B-Sepsis und einen infolge einer Pneumonie durch Streptokokken B, die Todesursachenstatistik 2 Säuglingssterbefälle, einen infolge einer Streptokokken-B-Sepsis und einen infolge einer Pneumonie durch Streptokokken B. Hinzu kommen noch Fälle mit unklarer Diagnose. Wie nützlich hier ein Screening gewesen wäre?

Fachleute schätzen, dass 10 bis 30 % der Schwangeren von dem Bakterium besiedelt sind. Der IGeL-Monitor geht in seiner Bewertung des Nutzens eines Tests von gut 100 infizierten Säuglingen in Deutschland im Jahr 2014 aus. Die meisten positiv getesteten Schwangeren würden daher als Folge eines Screenings unnötigerweise mit Antibiotika behandelt (kurz vor der Geburt). Der IGeL-Monitor bewertet den Nutzen eines Screenings als „unklar“.

Eine sog. „S2k-Leitlinie“, also eine konsensbasierte S2-Leitlinie, empfiehlt dagegen das Screening (S2k -Leitlinie 024 -02 0 „Prophylaxe der Neugeborenensepsis – frühe Form – durch Streptokokken der Gruppe B). Auch international ist umstritten, ob ein generelles Screening auf Streptokokken B bei Schwangeren Sinn machen würde.

Bei Verdacht auf eine Streptokokken-B-Infektion übernehmen die Krankenkassen die Kosten des Tests, ansonsten ist es im Prinzip eine “IGeL”, eine privat zu finanzierende „Individuelle Gesundheitsleistung“, deren Bewertung sich der IGeL-Monitor zum Ziel gesetzt hat. Inzwischen übernehmen aber viele Krankenkassen die Kosten des Tests auch ohne Verdacht auf eine Infektion. Den Unterschied zwischen Bakterien und Viren muss man dazu nicht erklären können.

Kommentare (19)

  1. #1 Lercherl
    6. November 2017

    “Ein 100-köpfiges (!) Forscherteam … ”

    Wollen die Mediziner den Teilchenphysikern Konkurrenz machen?

    Frage: wieviele Teilchenphysiker braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?
    Antwort: 100. Einen, der schraubt und 99, die als Ko-Autoren auf dem Paper stehen.

  2. #2 rolak
    6. November 2017

    im Volltext steht es dann auch ganz korrekt

    Gilt das auch für den MatheLapsus? ‘Etwa 150000’ ist ja deutlich weniger als ‘Hunderttausende’…

    • #3 Joseph Kuhn
      6. November 2017

      … ein Fall von Small Big Data? 😉

    • #4 rolak
      7. November 2017

      Eher ein Fall von dezimiertem Eindenken, ist ja schon beim Referenzieren sichtbar:

      Das hat ein Team aus über 100 Forschern errechnet, welches unter der Leitung der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Die Ergebnisse präsentieren die Wissenschaftler im Magazin “Clinical Infectious Diseases” (doi: 10.1093/cid/cix653).

      Der erste Satz ist ein wenig unkomplett, der zweite in der falschen Zeitform – besagte Zeitschrift erscheint erst nächste Woche. Daher ist zum paper auch noch nicht viel zu sagen, doch, ein weiterer GummiPunkt des Artikels, ‘mindestens 147000’ klingt verdächtig nach ‘grob geschätzt 4712 Stück’, diesem klassischen Husarenstück in allen Physikpraktika nach Aufkommen der digitalen MeßgeräteAnzeigen, bei dem Werte mit einem ±12%-Fehler auf 8 Stellen angegeben werden.

      • #5 Joseph Kuhn
        7. November 2017

        @ rolak:

        “Der erste Satz ist ein wenig unkomplett”

        Das Satzende ist bestimmt in den Zwiespalt gestürzt.

        “besagte Zeitschrift erscheint erst nächste Woche. Daher ist zum paper auch noch nicht viel zu sagen”

        Hier muss man den Autor (die Autorin?) in Schutz nehmen, das Heft mit allen Artikeln ist online und er hat es verlinkt: https://academic.oup.com/cid/issue/65/suppl_2

        “grob geschätzt 4712 Stück”

        … naja, das Übliche mit ungerundeten Schätzwerten. Daraus sollte man keinen Zwiespalt machen.

      • #6 rolak
        7. November 2017

        ist online

        Die Verlinkung blieb ja nicht unbemerkt, Joseph, doch meiner einer hat wohl das ‘View article’ nicht gesehen oder nicht ernst genug genommen…
        Ärgerliches Fehlerchen^^

  3. #7 rolak
    6. November 2017

    Zwiespaltig

    Hübsch auch im Text der ÄrzteZeitung: der Artikel ist es nicht, das Gemeinte schreibt sich anders..

    • #8 Joseph Kuhn
      6. November 2017

      … der Zwiespalt des Autors zwischen schnell und sorgfältig?

  4. #9 Ludger
    6. November 2017

    Kommentar aus dem Gedächtnis eines Rentners
    Es handelt sich um beta-haemolysierende Streptokokken der Gruppe B. Die leben bei einem Teil der Menschheit natürlicherweise im Darm (30%?). Eine Besiedlung bekommt man antibiotisch nicht weg, anders als eine Infektion. Übrigens nicht mit beta-haemolysierenden Streptokokke n der Gruppe A verwechseln. Das sind die agressivsten bakteriellen Krankheitserreger, die es gibt und Auslöser der eitrigen Mandelentzündung und des Scharlach.
    Ein gesundes Neugeborenes nach einer normal langen Geburt macht sich aus https://de.wikipedia.org/wiki/Streptococcus_agalactiae (anderer Name) nichts. Nur einzelne Frühgeborene oder Kinder mit sehr verzögertem Geburtsverlauf können > als 1 Woche nach der Geburt eine unspektakulär beginnende aber langfristig tötlich verlaufende Lungenentzündung entwickeln. In USA wurde zu meiner aktiven Zeit gescreent und jede besiedelte Schwangere um die Entbindung herum prophylaktisch antibiotisch behandelt. Number needed to treat: 150 Antibiotikaprophylaxen für eine vermiedene Pneumonie des Neugeborenen. In Deutschland sagte die Leitlinie: kein Screening sondern Prophylaxe bei Risikofällen (Frühgeburt und protrahierte Geburt). Welche Empfehlung die insgesamt besseren Ergebnisse bringt, ist nicht bekannt. Allerdings lässt sich die Methode Screening und Prophylaxe bei allen Betroffenen besser verkaufen.

  5. #11 Joseph Kuhn
    6. November 2017

    @ Ludger:

    “In Deutschland sagte die Leitlinie: kein Screening”

    Doch. Seite 3: “In enger Anlehnung an die CDC-Leitlinien und die Empfehlungen der o.g. europäischen „Consensus Conference“ wird in der vorliegenden Leitlinie ein Bündel von 4 Maßnahmen empfohlen: 1. Screening aller Schwangeren zwischen 35 + 0 und 37 + 0 SSW auf GBS. (…)”

    “aktuelle Leitlinie”

    Das ist die gleiche, die ich oben im Beitrag verlinkt habe und die das Screening empfiehlt.

    “aus dem Gedächtnis eines Rentners”

    Glückwunsch zum neuen Lebensabschnitt – und danke, dass Sie hier immer noch mitlesen.

  6. #12 Ludger
    7. November 2017

    Die aktuelle Leitlinie ist die

    S2k -Leitlinie
    024 -02 0 „Prophylaxe der Neugeborenensepsis – frühe Form– druch Streptokokken der Gruppe B aktueller Stand: 03/2016

    [Zitat von der Startseite der Leitlinie]
    Dazu einige Anmerkungen:
    Meine Erinnerung war in der Vergangenheitsform gehalten. Diese Leitlinie gab es noch nicht zu meiner aktiven Zeit. Es handelt sich auch jetzt lediglich um eine “S2K”-Leitlinie:

    S2k: Eine formale Konsensfindung hat stattgefunden [Wikipedia]

    und nicht um eine “S3”-Leitlinie

    S3: Die Leitlinie hat alle Elemente einer systematischen Entwicklung durchlaufen (Logik-, Entscheidungs- und Outcome-Analyse, Bewertung der klinischen Relevanz wissenschaftlicher Studien und regelmäßige Überprüfung). [Wikipedia]

    Das ist wohl auch der Grund, warum es noch keine allgemeine Kostenzusage durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gibt. Eine kontrollierte Studie scheint aus ethischen Gründen schwierig zu sein.

  7. #13 Umami
    7. November 2017

    Führt also nicht jede Besiedlung einer Schwangeren zu einer Infektion des Neugeborenen?
    Führt es aber zumindest auch zu einer Besiedlung des Neugeborenen?

    Wäre vielleicht sinnvoll: Screening, wenn positiv, verstärkte Beobachtung des Neugeborenen und eventuell bei beginnenden Symptomen erst AB-Gabe?

  8. #14 Ludger
    7. November 2017

    @ Umami
    3 Fragen:
    zu 1. Besiedlungen sind sehr häufig (18% – 30% je nach Gegend)
    zu 2. wahrscheinlich ja
    zu 3. Genau um diese Frage geht es. Weil die Krankheit oft unspezifisch beginnt und doch einen fatalen Verlauf nehmen kann, geht der Trend zum flächendeckenden Screening mit antibiotischer Kurzzeitprophylaxe bei den positiven (= nachgewiesenen) Fällen.

  9. #15 Ludger
    7. November 2017

    zur Häufigkeit der Neugeborenensepsis ein Zitat aus Wikipedia:

    Häufigkeit
    Die Inzidenz der Neugeborenensepsis liegt zwischen 0,1 und 0,8 %,[3] wobei eine negative Korrelation zwischen Geburtsgewicht und Inzidenz der Neugeborenensepsis besteht: je geringer das Geburtsgewicht, desto höher das Risiko für eine neonatale Sepsis.[…]

    https://de.wikipedia.org/wiki/Neugeborenensepsis#H.C3.A4ufigkeit

  10. #16 dobsonm
    8. November 2017

    Aktuell zur weltweiten Dimension, Krankheitslast und Perspektiven:
    Group B Streptococcus infection causes an estimated 150,000 preventable stillbirths and infant deaths every year
    https://www.lshtm.ac.uk/newsevents/news/2017/group-b-streptococcus-infection-causes-estimated-150000-preventable

  11. #17 anderer Michael
    11. November 2017

    GBS bedeutet : Group B Streptococcus . Wurde in der Leitlinie nicht erklärt, aber im Link von dobsonm.

    Der IGEL-Monitor gibt folgende ungefähre Zahlen: Geburten 715.000. Geschätzt 100.000 Schwangere mit besagter Keimbesiedlung. Um die 100 Erkrankungen von Neugeborenensepsis.
    Hier muss man unterscheiden: den frühen Fällen, = Infektion vor und während der Geburt ( 60) und Spätfällen durch Hygienedefizite (40). Nur bei den Frühfällen erbrächte das Vorgehen der Leitlinie einen Sinn.

    100 von 715.000 sind ungefähr 0,014 (im Kopf überschlagen). Gerechnet auf 60 habe ich zwei Nullen hinter dem Komma und liege bei einer 0,008 % Inzidenz in Deutschland. Was wiederum bedeutet über 1600 Mütter müssen behandelt werden , um 1 Erkrankung zu verhindern (bei theoretisch 100% Erfolg).

    Vom Gefühl her hätte ich ins Blaue hinein gedacht , Risikostrategie wäre besser. Einschränkung: mein Gefühl ist ohne Bedeutung (in diesem Fall!), die Fachleute sind anderer Meinung, haben aber bei weitem nicht überzeugt ( siehe IGelmonitor).

    Für die 3. Welt nicht praktikabel. Mit Hygiene und Schulung und Schluss mit der Genitalverstümmelung sind bestimmt bessere Erebnisse zu erwarten.

  12. #18 Günter S.
    11. November 2017

    Alles halb so schlimm, schätzungsweise 82 Prozent der Ärzte werden bei Diagnosen von Krankenkassen beeinflusst – und stellen die gesundheitliche Lage ihrer Patienten auf dem Papier schlimmer dar als sie ist. Zieht man von den 150.000 die 82 Prozent ab kann man das ganze vernachlässigen.

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