Die Sondierungsgespräche für eine neue GroKo sind abgeschlossen. Man erinnere sich an die strategischen Leitgedanken dafür:
„Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssen“ (Angela Merkel nach der Wahl)
„Wir befinden uns in einer neuen Zeit. Und diese neue Zeit braucht eine neue Politik.“ (Lars Klingbeil* zu Beginn der Sondierungsgespräche)
Völlig logisch, dass man nicht tun kann, was man nicht erkennt. Jetzt liegt das Sondierungspapier vor.
Im Gesundheitsbereich steht das:
„Kranke, Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung müssen auf die Solidarität der Gesellschaft vertrauen können. Wir werden sicherstellen, dass alle auch zukünftig eine gute, flächendeckende medizinische und pflegerische Versorgung von Beginn bis Ende ihres Lebens erhalten, unabhängig von ihrem Einkommen und Wohnort.
Die Zusammenarbeit und Vernetzung im Gesundheitswesen müssen ausgebaut und verstärkt werden. Zur Erreichung einer sektorenübergreifenden Versorgung wollen wir nachhaltige Schritte einleiten, insbesondere bei der Notfallversorgung. Zu einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung gehört für uns neben einer gut erreichbaren ärztlichen Versorgung auch eine wohnortnahe Geburtshilfe, Hebammen und Apotheken vor Ort. Darüber hinaus sind deutlich erhöhte Investitionen in Krankenhäuser für Umstrukturierungen, neue Technologien und Digitalisierung notwendig.
Wir wollen die schrittweise Einführung von kostendeckenden Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung aus Steuermitteln für die Bezieher von ALG II.
Wir werden die Parität bei den Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung wiederherstellen. Die Beiträge zur Krankenversicherung sollen künftig wieder in gleichem Maße von Arbeitgebern und Beschäftigten geleistet werden.“
Nach dem ersten Absatz aus der Phrasendreschmaschine kommt eine kuriose Miniaturisierung der sektorenübergreifenden Versorgung: in der Notfallversorgung. Dann immerhin eine Absichtserklärung für die überfällige Verbesserung bei den Krankenhausinvestitionen. Ich befürchte allerdings, dass das kein großer Wurf wird, weil dafür eigentlich die Länder zuständig sind. Weiter soll es kostendeckende Beiträge für Arbeitslose geben und die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung in der Krankenversicherung. Das war’s.
Der härteste Punkt der neuen Politik für die neue Zeit ist das „Zurück“ bei der Kassenfinanzierung. Auf die Forderung der Arbeitgeber nach einer angemessenen Kompensation wird man nicht lange warten müssen. Es ist müßig, noch einmal aufzuzählen, was da alles hätte stehen können. A propos, das Wort „Bürgerversicherung“ kommt nicht einmal vor im Sondierungspapier. Da hat die SPD wohl doch der Mut in den Verhandlungen verlassen, wie bei manchem anderen heiklen Punkt.
Es gibt noch einen Abschnitt „Pflege“, da stehen ein paar gute Sachen drin. Bleibt zu hoffen, dass sie nicht nur durch symbolische Politik umgesetzt werden. Manches davon, wie die Verbesserung der Personalsituation und der Bezahlung in der Pflege würde ordentlich Geld kosten. Die Versuchung wird groß sein, das dann doch lieber in Steuernachlässe für Dieselautos und Flugbenzin oder die nächste Bankenrettung zu investieren.
Die neue Zeit kommt, sie kommt von allein, die neue Politik lässt noch auf sich warten.
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* Das ist nicht der Fahrer von Merkel, sondern der SPD-Generalsekretär
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