Die Masernimpfung ist ein „Klassiker“ unter den Aufführungen rund um das Thema Impfmotivation und Impfskepsis. Mit jedem Ausbruch oder bei jedem masernbedingten Sterbefall beginnt – zurecht – wieder die Diskussion darüber, warum es immer noch nicht gelungen ist, die Masern in Deutschland zu eliminieren. Seit den 1960er Jahren wird gegen Masern geimpft, in der DDR gab es seit 1970 eine Impfpflicht für Kinder, in der Bundesrepublik hat die STIKO 1974 die Masernimpfung empfohlen und inzwischen gibt es sogar einen Nationalen Aktionsplan zur Elimination der Masern und Röteln in Deutschland, dessen Umsetzung durch eine Nationale Verifizierungskommission begleitet wird. Und trotzdem kommt es immer wieder zu Masernerkrankungen, trotzdem sterben noch jährlich im Schnitt 1-2 Menschen an den Masern, hinzu kommen einige SSPE-Fälle, einer Masernspätfolge, die immer tödlich verläuft.
Allerdings besteht kein Anlass zur Resignation. Langfristig betrachtet, ist das Werben für die Masernimpfung recht erfolgreich. In Bayern liegt beispielsweise die Impfquote im Einschulungsalter bei der ersten Masernimpfung inzwischen bei 96,1 % (bei der zweiten Masernimpfung bei 91,3 %). Vor dreißig Jahren waren es gerade einmal 64,1 %. Auch bei der zweiten Impfung steigen die Impfquoten kontinuierlich. Die Kinder werden zwar nach wie vor nicht rechtzeitig entsprechend der STIKO-Empfehlung geimpft, d.h. zweimal bis zum Ende des zweiten Lebensjahrs, aber von massenhafter Impfverweigerung bei den Eltern kann keinesfalls die Rede sein.
Die Impfquote nimmt nicht mehr so stark zu wie früher, ein Deckeneffekt, der auch, aber nicht nur mit Impfskeptikern zu tun hat. In Bayern gibt es im wohlhabenden Süden des Landes gehäuft impfskeptische Eltern. Das sind eher gut gebildete und gut situierte Leute, die durch die Kritik an manchen Missständen der Medizin zu unkritischen Anhängern der „Alternativmedizin“ geworden sind. Mit der Zeit kapselt sich ein Teil in weltanschaulichen Milieugemeinschaften ab und ist nur noch schwer für rationale Argumente erreichbar – immer wieder Thema hier auf den Scienceblogs oder nebenan bei den Skeptikern. Das lässt sich sogar an hochaggregierten Daten ablesen: In Bayern gibt es z.B. auf Kreisebene über die Jahre hinweg eine stabile Korrelation zwischen den Masernimpfquoten und der Heilpraktikerdichte.
Trotzdem ist der Einfluss dieser Gruppen auf die Impfquoten insgesamt eher gering. Lägen die südbayerischen Kreise im Landesdurchschnitt, würde das die landesweite Impfquote nur marginal verbessern. Dennoch gilt es natürlich, regionale Impflücken zu schließen, sie erhöhen das Ausbruchsrisiko. Aber mindestens so wichtig sind die rechtzeitige Impfung der kleinen Kinder, die flächendeckende Verbesserung bei der zweiten Impfung und die Schließung der Impflücken bei den nach 1970 Geborenen, die keine natürliche Immunität infolge einer durchgemachten Erkrankung mehr haben und als Kinder möglicherweise noch nicht geimpft wurden. Ob das gelingt? Die Entwicklung der Impfquoten bei den Kindern stimmt eigentlich optimistisch, dass die Ziele des Nationalen Aktionsplans in ein paar Jahren auch ohne Impfpflicht erreicht werden können. Aber dafür müssen, wie der frühere STIKO-Vorsitzende Jan Leidel kürzlich im Deutschlandfunk sagte, alle Beteiligten doch noch etwas mehr Engagement zeigen.
Kommentare (31)